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Ein Tunnel durch den Montblanc .

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man gemeinhin glaubt. Bereits die Römer hatten einen Tunnel bon 5600 Meter Länge gebaut, der zur Ableitung des Wassers des Die soeben von der französischen Regierung erklärte Absicht, Fuciner Sees diente. Kurze Durchstiche, die freilich nicht die Berge einen Tunnel durch den Montblanc zur Verbesserung der Eisen- durchquerten, sondern nur in ihr Inneres führten, haben sogar bereits die alten Aegypter zur Anlage ihrer Königsgräber her­bahnverbindung zwischen Frankreich und Italien zu bauen, eröffnet gestellt. Während des Mittelalters im weitesten Sinne ruhte aller­die Aussicht auf ein grandioses Werk der Ingenieurkunst, das auch Sings diese Technik des Altertums wie auch fast jede andere, und erst für die zukünftige Gestaltung der internationalen Verkehrsbeziehun- der neuesten Zeit, die teine technischen Schwierigkeiten mehr gen von weittragender Bedeutung zu werden bestimmt sein dürfte. Die Meldung von diesem grundsählichen Beschluß Frankreichs fürchtet, gelang es, selbst der Alpenriesen Herr zu werden und vor kommt dem Kenner der langjährigen stillen Kämpfe verkehrstechnis eines der größten Wunderwerke zu schaffen, die die Menschheits­etwas mehr als 30 Jahren mit der Erbauung des Gotthardtunnels scher Art, die zwischen Frankreich und der Schweiz ausgefochten worden find, freilich nicht allzu überraschend. Denn schon vor sieben Jahren hat Frankreich das Projekt einer Montblanc- Untertunne­Tung in die Debatte geworfen, um die Schweiz seinen Verkehrs. wünschen gefügig zu machen.

geschichte kennt.

Kleines feuilleton.

Der Montblanc - Durchstich hat nämlich bereits eine lange Vor- Ein unterirdisches Totenreich. Aus München wird uns ge geschichte. Ursprünglich war von ihm bei den gemeinsamen schweize- schrieben: Lebhaftes Interesse erregt in Kunstfreisen eine für den risch- französischen Plänen zur Verbesserung der Eisenbahnverbin- Stadtteil Schwabing geplante Friedhofsanlage, die durch eine bungen gar nicht die Rede gewesen; Frankreich hatte vielmehr vor- Sammlung von Zeichnungen und Plänen des Architekten Professor geschlagen, zur Herstellung guter Anschlußlinien an den damals August Tiersch im Münchener Kunstverein veranschaulicht gerade seiner Vollendung entgegengehenden Simplon- Tunnel die wurde. Die Anlage vereinigt die Bestattungsweise der Antike mit Faucille zu durchstechen. Mit diesem Projekt war aber nur der den heute üblichen christlichen Beiseßungsarten und verdient bei dem Ranton Genf einverstanden, während der schweizerische Bundesrat in starkbevölkerten Städten herrschenden Mangel an Raum für aus­ben Faucille- Durchstich ablehnte und statt seiner die Verbesserung gedehnte Friedhöfe die Beachtung größerer Stadtverwaltungen. Es eines der bestehenden Jura- Uebergänge vorschlug, und zwar der handelt sich um eine unterirdische Toten stadt mit Grüften, Linie Frasne- Ballorbe. Davon hätte neben dem Kanton Waadt die Nischen für Aschenurnen und breiten Wandelgängen, über der sich ganze Eidgenossenschaft unvergleichlich größeren Vorteil gehabt. Nun ein künstlerisch angelegter Garten ausbreitet. Brof. Tiersch nennt fst dem ganzen, langwierigen Streit dadurch ein Ende bereitet die von ihm nach einer Anregung des Kunstmalers Biber ente worden, daß Frankreich auf die Erbauung des Faucille- Tunnels worfene Anlage: Parkfriedhof. verzichtet und statt seiner den Montblanc untertunneln will. Für Durch feierliche Eingangstore tritt man in den Park ein. die Schweiz bedeutet dieser Plan freilich eine völlige Durchfveuzung Ein breiter, von Pyramideneichen eingefaßter Weg leitet zu der threr langjährigen Verkehrspolitik, die stets dahinging, die inter - für die Aufnahme der Trauerversammlung bestimmten, von Säulen nationalen Alpenlinien soweit wie eben möglich über eidgenössisches getragenen Eingangshalle. Eine imposante Freitreppe führt zur Gebiet zu leiten. Von einem Montblanc- Tunnel hat naturgemäß unterwelt hinab und gewährt uns einen Einblid in das Totenreich. die Schweiz nicht nur feinen Vorteil, sondern außerordentlichen Siebzehn einzelne Treppen führen zu den Unterweltgängen Schaden, da bekanntlich der Montblanc auf französischem Gebiet hinab, die durch zahlreiche Fenster Licht und Luft erhalten. Elet­liegt und die neue Linie unmittelbar von Frankreich nach Italien frische Beleuchtung ist sowohl für die Gänge wie für die Grab Hineinführen würde. fammern vorgesehen. Die schöne Sitte des Gräberschmucks wird fich hier frei entfalten können, denn die ausgedehnte Anlage bietet mit ihren Vorhallen und den Flächen neben und über den Türen Raum genug für Pflanzen, Kränze und Blumen. Die Türen zu den zahlreichen und bequemen Treppen, die in die Unterwelt führen, sollen Tag und Nacht offen stehen. Das Ganze bildet mit seinen mannigfach gestalteten Räumen eine Totenstadt, wie sie in den südlichen Ländern schon vor zweitausend Jahren in den Felsboden gegraben wurde, hier aber in die Erde hineingebaut werden soll. Kleine Metalltüren mit Guckfenstern schließen die Grüfte oder Totenkammern ab. Innen gliedern sich die Räume in Nischen zum Einstellen der Särge. Es sind meist Grüfte für 12, 18, 24 und 36 Personen vorgesehen, aber auch große Sammelräume und Grüfte von monumentaler Ausstattung, sowie Gräber für einzelne Personen.

Deutschland ist an diesen Streitigkeiten nicht direkt be­teiligt. Dank der Initiative der Berner Regierung ist das große Projekt des Lötschberg - Tunnels verwirklicht worden, und die Inbetriebnahme der neuen Alpenbahn Bern- Lötschberg- Brig ist im Hochsommer dieses Jahres zu erwarten. Damit hat Deutschland eine direkte Linie von Basel über die schweizerische Bundeshaupt­tadt und den Simplon nach Oberitalien , die der Linie über den Gotthard , dieser ältesten und klassischen Alpenbahn, gleichwertig ist. Dagegen wird der Montblanc - Durchstich für den Verkehr West­ europas mit Italien von ganz erheblicher Bedeutung werden. Er würde die Entfernung zwischen London - Paris und Mailand um mehr als 100 Kilometer verkürzen. Sofern der Durchstich als Basistunnel gebaut werden sollte, würde er alle bestehenden Alpen­tunnels an Länge bedeutend übertreffen; möglicherweise würde felbst ein Scheiteltunnel länger als der Basistunnel durch den Die Mehrzahl der Kammern ist für sogenannte Schub= Simplon werden, der bisher in bezug auf seine Ausdehnung an der gräber eingerichtet, d. h. mit zwei Meter tiefen Nischen versehen, Spike steht. Unter einem Basistunnel" versteht man einen Durch in die die Särge mit dem Fußende voran eingeschoben werden, Stich, der das Gebirgsmassiv an seinem Grunde durchschneidet, wo- worauf die Oeffnung mit einer Platte geschlossen wird. Diese gegen ein Scheiteltunnel" in größerer Höhe des Gebirgsmassivs Schubgräber ermöglichen die größte Raumausnutzung; sie erfordern angelegt ist. Ein Basistunnel ist z. B. der durch den Simplon, wo- feine besondere Vorbereitung der Leichen, außer einer Bettung in gegen der neue Lötschbergtunnel ein Scheiteltunnel ist. Jedes Kalk oder Kohle. In anderen Kammern werden die Särge längs System hat seine Vorteile und seine Nachteile. Die Vorteile des den Wänden aufgestellt und bleiben in ihren Nischen offen stehen. Basistunnels bestehen darin, daß die Einfahrt nicht erst, wie z. B. Bei dieser Aufstellung( Sartophaggräber) wird eine Konfer bei der Gotthardbahn , durch kühne Biadukte, Kehr- und start vierung oder Einbalsamierung der Leichen vorausgesetzt, jedenfalls steigende Schleifentunnels erflommen werden muß. Die Nachteile aber ein luftdichter Verschluß der Särge oder Sarkophage. In beruhen in der größeren Länge des eigentlichen Durchstichs, in den Wandnischen werden die Urnen mit der Asche der durch Feuer ungünstigen Wasserverhältnissen, dem größeren Gebirgedruck und bestatteten Leichen aufgestellt. Ueber den Grüften find längs der In der außerordentlichen Hiße im Tunnelinnern. Die Vor- und Umfassungsmauern Gärtchen durch Hecken abgetrennt, in denen Nachteile des Scheiteltunnels sind hiermit gleichfalls angedeutet. Die Trauernden sich ungestört der Erinnerung an die Toten hin Die Länge der bedeutendsten Alpendurchstiche, die nirgends in geben können, und ebenso ist ein großzügiger Plan für die Er­ber Welt ihresgleichen finden, zeigt nachfolgende Zusammenstellung: richtung von Ehrendenkmälern entworfen. Den Schluß der ganzen Simplontunnel 19 729 Meter, Gotthardtunnel 14 912 Meter, Lötsch- Anlage bildet eine Brunnenarchitektur mit den Statuen lagender bergtunnel 14 536 Meter, Mont- Cenistunnel 12 200 Meter, Arlberg- Frauen nach dem Vorbild des berühmten sidonischen Sarkophags; tunnel 10 250 Meter, Albulatunnel 5866 Meter. darüber erhebt sich eine Gruppe, die die Religion als Trösterin darstellt.

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Sprachwissenschaftliches.

Der projektierte Montblancdurchschnitt soll, so ist bisher in großen Bügen geplant, auf der französischen Seite im Tal von Für die baldige Ausführung des Parkfriedhofes werden von Chamonix beginnen und bei Aosta auf italienischem Boden einer aus Münchener Bürgern zusammengetretenen Gesellschaft, endigen. Ueber die Kosten dieses grandiosen Projekts, das der mo- die sich einen 30 000 Quadratmeter großen Platz gegenüber dem bernen Technik naturgemäß feine unüberwindlichen Schwierig Schwabinger Friedhofe an der Ungererstraße gesichert hat, jezt die teiten bereiten fann, steht Genaues bisher noch nicht fest. Man darf nötigen Schritte getan. Hans Bege. aber wohl annehmen, daß zu seiner Berwirklichung allermindestens 150 Millionen Frant erforderlich sein werden. Geologisch sind allzu große Schwierigkeiten wohl nicht zu erwarten. Das Montblanc Werden die Japaner die europäische Schrift an massiv besteht als tristallinisches Gebirge aus einem Kern von Ur- nehmen? Die Entscheidung dieser Frage ist für den Patrioten gestein, umgeben von Gneis und Glimmerschiefer. Es liegt freilich des ostasiatischen Infelreiches eine harte Nuß. Wenn man bedenkt, auf der Hand, daß bei einem Basistunnel die gewaltige Hiße im wieviele Leute in Deutschland für die Beibehaltung der deutschen Innern des höchsten Berges in Europa besondere Vorkehrungen Schrift mit Leidenschaft eintreten und ihre Aufgabe als eine Schwäche nötig machen würde. So hat man ja auch bereits beim Bau des des Nationalgefühls zu kennzeichnen suchen, wiviel mehr Ueber­Simplontunnels parallel zu dem eigentlichen Tunnel einen windung muß dann den Japanern der Erfaß ihrer viel eigen weiten, fleineren Stollen heraussprengen müssen, der lediglich zu artigeren Schriftzeichen durch das Alphabet des Westens fosten! Bentilationszweden diente und der durch einzelne Querstollen mit Und doch steht dabei außerordentlich viel auf dem Spiel. dem Haupttunnel zum Zwecke der Lufterneuerung verbunden war. Das Japanische ist vielleicht nicht viel schwerer zu er Die Geschichte der Tunnelbauten ist unvergleichlich älter, als lernen als Russisch, aber nur soweit der Sprachgebrauch

Russisch ,