Verwundeten wurde unerträglich. Der Mülbasser nahm mich auf die Seite und gab mir ein Papier mit einigen Gramm Arsenik. Er sagte:Für den Fall, daß du der braunen Kanallje in die Hände fällst. Wenn dus fressen tust, bist gleich hin und brauchst nicht die Schinderei mitzumachen. Ich Hab mich auch vorgesehen." Dann wurde Beratung gehalten. Acht Mann blieben für alle Fälle im Schilygraben. Wir anderen legten uns nieder und schliefen trotz aller Schrecknisse. Als ich erwachte, leuchtete der helle Tag. Die nicht Ausschau hielten, putzten die Gewehre. Die Toten Ivaren schon begraben, mit ihnen auch der kleine Bayer, der die Nacht nicht überstanden hatte. Bon den Feinden war keine Spur zu sehen, auch sie hatten ihre Toten lveg- geschafft. Doch keiner traute der Stille, alle suhlten, daß dieser scheinbare Rückzug nur eine List war, um uns sicher zu machen und zum Verlassen der Station zu verleiten. Obwohl wir das durch- schauten, mußten wir hinaus. Ohne Wasser konnten wir nicht existieren, schon jetzt machte uns der Durst halb verrückt. Zwanzig Mann stark versuchten wir den Brunnen zu erreichen und unsere drei Kessel zu füllen. Die anderen blieben als Deckung zurück, die Gewehre im Anschlag und schußfertig. Wider Erwarten kamen wir unbehindert zum Brunnen und in die Station zurück. Das war doppelt auffällig. Sollte da? Waffer etwa vergiftet sein? Wir ließen eS bis zum Abend stehen, dann aber tranken wir, mochte kommen, lvas wollte. Es passierte aber nichts. Am anderen Morgen begriffen wir den plötzlichen Rückzug der Araber. Unsere Ablösung rückte heran, das mutzte ihnen von Spä- heril gemeldet worden sein. Das Fragen und Durcheinanderreden wollte kein Ende nehmen. Immer und inuner wieder mußten wir erzählen. In der Zeit nahmen der die Ablösung kommandierende Leutnant und der Mülhauser ein Protokoll auf, das wir alle unter- schreibe» mußten. Zwei Tage später traf der frische Proviant- transport ei». Wir halfen noch ein wenig beim Auspacken und traten dann den Rückmarsch nach dem Fort an, ohne daß sich etwas Außergewöhnliches ereignete. 53 Mann stark waren wir aus- inarjchiert, nur 27 kehrten zurück. Denn auch die Verwundeten, die ja nicht marschfähig waren, hatten wir auf der Station zurücklassen müssen. Auf dem Fort selber hatten wir eine Woche lang Ruhe. Nur der Kommandaut ließ uns verschiedene Mole zu sich kommen und horchte jeden Einzelnen aus. Doch müssen ihn unsere Angaben be- friedigt haben. Der VölKerlmeg der fürften. 1813/15. Von Kurt Eisner  . TerAbfall. l. Als die Kunde vom Untergang der großen Armee Mitte De- zember 7812 nach London   kam, stieg der Zucker an der Londoner Börse von s3 auf 70 Schillinge. Jetzt schien erreicht, was Lewis Goldsmith   in seinem Anti-Korfika-Monitor durch die Propaganda für den Meuchelmord gelegentlich empfahl er eine öfsenlliche Sammlung, um einen ordentlichen Preis für den glücklichen Mör- der Napoleons   zusammenzubringen vergebens zu bewirken vcr- sucht hatte: die Ausrottung BonaparteS  . Der kleine englische  Winkeljournalist stand mit dieser Agitation durchaus nicht allein. Samuel Taylor Coleridge  , der Dichter, der aus einem Lobredner der sranzöfischcn Revolution und dem Gründer eines kommunisti­ schen   Jdcalstaates an: Susquehnnna ein christlich-frömmelnder kon- servativer Reaktionär geworden war, begründete in Zeitungsartikeln philosophisch den Satz, daß einen Verbrecher, wie Napoleon  , den feine Taten außerhalb des Schutzes des Gesetzes gestellt hätten, zcder Mensch als einen Geächteten töten dürfe. Nur einer schloß sich von dem gemeinen Jubel aus, Byron, der Revolutionär, der in Napoleon   den Abtrünnigen der Freiheit gehaßt hat. Jetzt schwieg er. Als dann aber Napoleon bei Leipzig   wirtlich zusammengebrochen war, schrieb Byron in seine Tagebuch seine erregten Stimmungen nieder; seine Auszeichnungen beweisen, daß wie in Deutschland  ein Fichte auch in England die Führer radikaler Gesinnung, ein Byron und Shelley, Napoleon   bekämpften, weil er ein Verräter der Revolution geworden, daß sie seine Person aber weit über all das Gewimmel seiner Feinde stellten, an deren Masse sein Schicksal zerrann. Das unnatürliche und verherngnisvolle Bündnis zwischen Revolutionären und Reaktionären, das Napoleon   fällte, und mit ihm die Revolution selbst auslöschte, zeichnet sich in diesen Betrach- tungen des englischen Dichters:Von Männern sich schlagen zn lassen, das hätte nichts zu sagen, aber von drei stupiden, legitim- dynastischen Strohlöpfen von Durchschnittsmaßen O Schande! o Schande!" Und Byron erkannt auch sofort die Wirkungen des Stikrzes Napoleons  . Wenn er im November 1813 schrieb:Ich hätte gedacht, wenn ihn das Schicksal zerschmetterte, würde er fallen i m Zusammenbruch des Erdkreises selbst, aber nicht Stufe um Stufe zur Nichtigkeit herabsinken... So schreiten wir denn wieder zu dem öden und stumpffinnigen alten System vom europäischen   Gleichgewicht zurück; wir spielen wieder mit«troh- Halmen auf den Nasen der Könige, statt sie an ihren Höchstihrcn Nasen zu zupfen: Gebt mir eine Republik   oder die Gewaltherr- schaff eines Einzigen, eher als das gemischte Regiment von einer, zwei oder drei Personen." Das war die Sehnsucht und das Ziel aller wahren Jreiheits- krieger der Zeit: Napoleon   stürze, damit in den Trümmern das ganze alte System zusammenbräche. Das predigte Fichte und dafür ging die idealistisch schwärmende deutsche Jugend in den Tod. Das war aber nicht die Abficht der herrschenden Machte, die sich gegen Napoleon   verschworen. Sie wollten gerade umgekehrt den Mann vernichten, der doch immer der Jakobiner geblieben war, wenn er auch die Mittel seiner Politik gewechselt hatte. Und die Völker hätten es wissen können, welches Spiel mit ihnen getrieben werden sollte. Denn war es denkbar, daß Freiheitskriege beginnen mit dem Einbruch der Kosaken  , mit den heuchlerischen Prokla- mationen des verstocktesten aller Monarchen und mit den unab- lässigen Bestechungen einer Macht, die jetzt wie im 18. Jahrhundert die europäischen   und besonders die deutschen   Kerle zusammenkaufte, um sie als Schlachtvieh für seine Geschäftsinteressen zu verwerten und zu vernichten. Während man in England die Zeit nahe glaubte, da der Feind endlich unschädlich gemacht wäre, vollzog sich im Osten Deutschlands  die erst militärische, dann auch zivile Ausliefe- rung Preußens an Rußland  . Das nämlich ist die Be­deutung der berühmten Konvention von Tauroggen, durch die Dork die preußischen Truppen dem russischen Feind überlieferte, und jenes preußischen Landtages im Februar 1813, der sich auS eigenem Recht berief und die Landwehr schuf. In diesem Unternehmen fanden sich zusammen die unzuftie- denen Offiziere, der preußische Adel und daS ostpreußischc Bürger­tum, soweit es durch die Unterbindung des Handels mit England zugrunde gerichtet oder doch schwer geschädigt war. Die hohen preußischen Militärs, die in der preußischen Enge keinen Raum der Betätigung fanden und denen sich die ausgeschal- teten Staatsmänner und hoben Beamten anschlössen, waren bereits zum großen Teil in russische Dienste übergetreten. DaS östliche Junkertum suchte längst von Preußen, Friedrich Wilhelm uno der Regierung Hardenbergs loszukommen und mit Rußland   vereinigt zu werden. Der Adel suhlte sich näher mit den ruffischen Junkern und dem Zaren verwandt Gleichheit der Getreideexportinte» essen, des Bauernschindens und des Bauernlegens als mit dem deutschen   Volk und den Emporkömmlingen der Burggrafen von Nürnberg  . Schon am 29. April 1811 hatte der liberalste Kopf der militärischen Reformer, Gneisenau, über diese Stimmung deS preußischen Adels und über ihre Ursachen an Hardenberg geschrie- bcn:Durch die unseligen Finanzeinrichtnngen, vorzüglich durch die Art der Ausfiihruna, sind die Herzen der Nation von der Re- gierung abgewandt worden. Nie ist des Patriotismus viel bei unS gewesen, wenigstens nicht von der echten Art. Gldrrciche Zeit und steigender Wohlstand haben etwas dem ähnliches hervorgebracht, was aber in der Zeit der Not nicht vorhielt. Jetzt ist vollends alles hingeschwunden und das Gegenteil ist eingetreten. Nicht mehr Gleichgültigkeit, sondern offenbares llebelwollen gegen die Regie- rung ist es, was in der Meisten Herz und Mund ist. Preußen möchte gern Rußland  , Schlesien   gern Oesterreich angehören. Die Stimmung in der Mark wird nicht viel besser sein. Der Adel geht in allen der Regierung feindseligen Ge- sinnungen voran. Sind dies nicht alles Zeichen der nahen Auslösung?" Es waren wirtschaftliche Gründe, die wesentlich solche Stim- mungen erzeugten. Fast alle, die die Erhebung gegen Napoleon  vorbereiteten, steckten in großen Geldbedrängnissen; auch Gnei- scnau. Der vordem völlig steuerfreie Adel bäumte sich auf, daß auch er zu den steuerlichen Lasten herangezogen werden mußte. Die Kontinentalsperre drohte den getrcidehcmdeluden Adel zu ruinieren. Als auch eine Wirkung der Sperre im Sommer 1811 aus dem schlesischen Wollmartt die Preise sanken, schilderte Gneisenau die Gemütsverfassung der schlesischen Junker als verzweifelt; er sprach von ihrerBetäubung". Die hochverräterische, durch die dürftigen Reformen erregte Neigung des preußischen Adels, sich von Rußland   annektieren zu lassen, wuchs von Jahr zu Jahr. Was man bisher nicht gewagt hatte, weil man sich vor der Macht des mit Friedrich Wilhelm� III. verbündeten Napoleon   fürchtete, schien jetzt möglich. Die Kosaken sollten Deutschland   die Freiheit bringen! In all den wirr schwankenden Plänen dieser Jahre, die von den Stein und Gneisenau gewälzt wurde», hofften die aus Beruf und Wirksamkeit geschleuderten Preußen, die auch aus Wirtschaft- licher Not in aberteuerliche Unternehmungen gezwungen wurden, immer doch nur die Rettung von einer andern F r e m d Herrschaft. Eine Fremdherrschaft sollte durch eine andere Frcmdherrschast er- setzt werden. Gneisenau, der als geheimer Unterhändler 1812 eine Truppenlandung der Schweden   in Deutschland   mit englischer Hilfe zu organisieren versucht hatte und seit dem Herbst 1812 wieder in England weilte, sah damals die einzige Lösung in der Eroberung ganz Europas   durch England. Gneisenau hatte vergeblich im Sommer 1811 Friedrich Wilhelm   III. den Entwurf einer Miliz zur Organisation eines Volksausstandes unterbreitet. Der König hatte den in allen Einzelheiten ausgeführten Plan lediglich mit un- gläubigen und auch über die Maßen läppischen Randbemerkungen verziert. Gneisenau hatte in dem Entwurf den Predigern die Auf- gäbe zugedacht, die Untcranen auf ihre Milizpslichtcn gegen den Feind zu vereidigen. Friedrich Wilhelm III. schrieb dazu:Wenn