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niemand anderer war als Kasimir Rewilat, genannt der Stille", auch„ Kuroki" oder das Bünglein". Dieser Traum hielt ihn gefangen, und obwohl es eine Unmöglichkeit schien, lächelte er ihm doch gerade in den schlimmsten Augenblicken verführerisch z11.
auf einer der Terrassen des Calvarienberges frische Luft, als sie plöblich in der Ebene eine ansehnliche Staubwolte fich nähern fahem Der Abt ließ ein Fernglas holen und entdeckte alsbald, daß es ein Trupp Mönche war, der mit starken Schritten auf den Calvarters berg zu marschierte.
" Bei unseren heiligen Reliquien! fromme Väter," rief der Gottesmann, indem er das Glas mit der Grschütterung eines Kapta täns vom Auge nahm, der am Horizont einen Piraten entdeckt hat, ich müßte mich sehr irren, wenn das nicht die Dominikaner wären, die da gegen unser Kloster anrüden. Sie sind imstande und wollen es mit Gewalt einnehmen." " Dann müssen wir die Kerls gehörig empfangen," rief ein alter Mönch. Was denkt ihr, Vater Antonius! Eine Belagerung der ge
Jekt wußte er, daß er diese Tat vollbringen wird. Jezt Hatte er, wie durch ein Wunder, die schreckliche Waffe in feiner Hand. Er fühlte sie. Lauttönend wird diese seine letzte Tat sein. Alle werden es wissen, sobald die Bombe plagt. Er wird sterben, so wie es sich für ihn gehörte. Er wird bei fich einen Brief in einem Auvert haben, in dem sein Name stehen wird, damit er richtig in die Zeitung fommt, außerdem wird er noch einen anderen Brief an die Polizei hinter- weihten Stätte.. laffen, in welchem er alle seine Fehler bekennen und bereuen und am Schlusse bitten wird und fordern, daß man sein Andenken reinige, vor allem von dem gemeinen Verdacht und der Verleumdung: er sei ein Verräter. Diesen Brief wird er jemand diktieren müssen, und alles, was er Böses getan, nennen, aber auch alles Gute, wovon auch nicht wenig da war und das er ganz genau im Gedächtnis behielt.
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Diese ideale Tat, von der er träumte, war für Rewilak ein Attentat auf einen Würdenträger. Er verstieg sich nicht bis zum Generalgouverneur selbst, denn das war eine zu schwierige Sache für einen einzelnen, obwohl leicht für die Bombe. Schon lange hatte er in nachdenklichen Stunden gewiffe leichtere Möglichkeiten durchgenommen. Zum Beispiel: wie wäre es den Oberpolizeimeister? Freilich auch schwierig, aber man konnte immerhin eine solche Absicht erwägen. Er dachte nach, kombinierte, lauerte um das Rathaus Einen Kommissär, dachte er, oder einen Reviervorsteher fönnte man immer machen". Aber was war das für ein Ruhm? Dazu war auch die Bombe zu schade. Seine Tat mußte von größerer Bedeutung sein, dabei schön und nüklich, damit sie ihm seinen Ruf bei der Partei repariere. Und in der ersten großen Freude darüber schien ihm alles leicht.
( Fortlegung folgt.)
Die Schlacht mit den Heiligenknochen.
Nach der Chronik des Ocil de boeuf von R. F. Wenn jemand eine Geschichte des Standals schreiben wollte, so wirde die christliche Kirche darin eine große Rolle spielen. Beweise für diese Behauptung fehlen nicht; man sieht sie manchmal sogar
auf offener Straße.
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Ehrwürdiger Vater, Krieg ist Krieg. Wir üben nur unser Verteidigungsrecht, und die Sünde fällt auf die Angreifer zurüd." „ Aber woher Lebensmittel und Waffen nehmen?"
" Ich bin ein alter, gedienter Soldat. Ich war Adjutant der Herzogin von Longueville und Leutnant beim Abbé von Gondy. Das Talent, einen Schlachtplan zu entwerfen, foll mir niemand absprechen. Diese Mönche da drüben sind mindestens ihrer hundert; sie müssen alle Dominikaner in der Umgegend an sich gezogen oder eine Kompagnie Soldaten in Kutten gesteckt haben. Wir sind nur neun Personen; eine solche Bejagung könnte dieser Uebermacht nicht widerstehen. Rufen wir also unjere natürlichen Verbündeten von Surène zu Hilfe. Unsere natürlichen Verbündeten, sage ich, denn diese guten Leute würden ihr abscheuliches Gejöff von Wein niemals loswerden ohne die ermatteten und erhizten Bilger des Calvarienberges. Sie danten uns den Absah ihres Giftes zu doppelten Preisen und werden uns also beistehen. Ein gewandter Bruder muß sofort an sie abgesandt werden, dann können sie noch in der Nacht dem Feinde in die Flanke fallen und ihn zum Rückzuge nötigen. Einstweilen müssen wir uns mit allem bewaffnen, was in unseren Händen zum Wurfgeschoß werden kann. Solange wir noch Köpfe von Aposteln, Heiligen und Engeln zur Verfügung haben, darf von Kapitulation feine Rede sein. Bei Gott, unsere Sache ist die enthaupten, um aus seinem Kopfe eine Kugel zu machen." gerechte. Unser großes Christusbild selber wäre ich imstande zu
Der entworfene Plan fand allgemeinen Beifall, und der jüngste der Mönche ging auf der Stelle im Schüße der Dämmerung nach Surène ab. Die anderen Klosterinsassen samt Gärtner, Safristan, Glöckner und Küchenjunge faßten hinter der versammelten Klosterpforte Posto. Nun konnte der Feind aber von der rechten wie von der linken Seite eindringen, wenn es ihm gelang, eine der Terrassen zu erklettern. Vater Antonius, der mit Stimmenmehrheit zune Generalissimus gewählt worden war, jah sich genötigt, die Schlachtreihe zu ändern. Denn die Dominitaner, mit dem Terrain vertraut, wandten sich gegen die Terrassen; die kräftigsten und breit schultrigsten von ihnen dienten den leichteren und gewandteren als Leitern, und so erschienen auf einmal vier Kahlköpfe über der
Mauer.
Doch der General Antonius war auf dem Posten. Der Gärtner hatte in der Nähe große Haufen von Rüben zum Trocknen aufgeZwischen den Dörfern Nanterre und Gonesse , nicht weit von stapelt, und diese gaben jetzt den Verteidigern eine willkommene Paris , lag im siebzehnten Jahrhundert auf einem Berge eine Art Munition. Ein Hagel von Rüben, Erdklößen und dergleichen Kloster, wo ständig eine Komödie, die Passion betitelt, aufgeführt sauste auf die Angreifer herab. Dem einen zerquetschte eine Rübe wurde und, wie alle diese burlesken Nachahmungen, heilige Dinge das rechte Auge, dem zweiten wurden zwei Zähne, dem dritten die dem Gespött der Menschen preisgab. Welchem Orden die geschorenen Nase eingeschlagen, und den vierten drohte ein in den offenen Marktschreier angehörten, ist nicht überliefert, tut auch nichts zur Mund geratener Grdkloß zu erstiden. Die Sturmkolonne wich vor Sache. Hof und Parlament fümmerten sich um den groben Unfug diesem ungewöhnlichen Feuer zurück, zumal da drei andere Dominicht, solange der Fiskus dabei auf seine Rechnung tam und die nifaner, die mittlerweile gleichfalls über der Mauer erschienen zahllosen andächtigen Pilger sich aufs Beten und Zahlen bewaren, ergriffen und ins feindliche Lager hinabgestürzt wurden, wo fie topfüber anlangten, schränkten. Aber im Jahre 1676 fam es zu einem Standal. Während der Passionswoche dieses Jahres war der Weg von Jetzt änderte der Feind seine Taktik. Die Terrassen und die Paris bis zu jenem Calvarienberge Tag und Nacht mit Wallfahrern Klosterpforte wurden verlassen und der Sturm auf die Kirchentür übersät, die zahllose abergäubische Gauteleien vornahmen, barfuß gerichtet, von der die Dominikaner weniger Widerstand erwarteten. Tiefen, auf den Knien rutschten oder sich vor den Stationen" Notgedrungen mußte General Antonius seine Streitkräfte teilen, geißelten. Einigen losen Vögeln fiel es ein, den schönen Pilge- obwohl er voraussah, daß er dann bei seiner geringen Mannschaft rinnen die Mühe dieses Geißelns abzunehmen, die Burschen bald unterliegen müsse, wenn nicht Hilfe fäme. Doch machte der schlugen nicht so derb drauf los, wie die Büßerinnen, trafen aber 3orn einstweilen aus jedem seiner Kuttenträger einen Achilles. atm so besser. Indessen wurde diese Handreichung migbilligt, es auch war noch kein Mann der Besayung verwundet. gab Prügeleien, die Polizei mischte sich darein, und das Parlament verbot kurzerhand die ganze Pilgerei.
Die Klausner des Calvarienberges sahen mit Schrecken den Quell der Mildtätigkeit versiegen. Jetzt drohte ihnen ein Leben der Zurüdgezogenheit, ohne all jene heimlichen Genüsse, denen sie sich, sobald sie von der Bühne abgetreten waren, zu widmen pflegten. Sie suchten also ihr Geschäft zu verkaufen, und die Dominikaner von St. Honoré brachten es um ein billiges an sich. Aber da trat das Kapitel von Notredame dazwischen mit der Behauptung, die Gemeinde des Calvarienberges unterstehe ihm. Das Kapitel verweigerte die Bestätigung des Verfaufs, ließ die Verkäufer obendrein Hinaussehen und steckte andere Mönche in das Kloster, die dem Kapitel untertan waren.
Als daher die Dominikaner , die das Kloster doch gekauft hatten, nun erschienen, fanden sie die Pforten verschlossen. Sofort fingen fie einen Prozeß an; da sie jedoch nach Ablauf eines Monats jahen, vah sie noch feinen Schritt weiter gekommen waren, jannen sie auf einen anderen Ausweg.
Eines Abends schöpften die geschorenen Bafallen des Kapitels
Nun fing man an, mit einem mächtigen Brecheisen die Kirchentür zu bearbeiten. Kreischend begann sie zu bersten, schon konnte man durch ihre Spalten die Sterne sehen. Noch ein Ruck, und der Weg stand dem Feinde offen. Jetzt bot nur noch das Gitter des Chores eine Zuflucht, und die Belagerten stürmten denn auch spornstreichs dahin, während die Türflügel krachend niederstürzten.
Das Gotteshaus wurde zum Kampfplatz, wo nicht mehr Rüben und Erdklöße durch die Luft flogen, sondern alles Bewegliche, was Die Dominitaner, als im Innern einer Kirche zu finden ist. Herren des Kirchenschiffes, verfügten über Stühle, Bänke und Heiligenbilder. Die im Chor fonzentrierten Verteidiger wehrten sich mit den Sizen, mit dem Pult, mit den Utensilien der Sakristei und den Figuren aus Holz, Stein oder Metall. Das Gefecht wurde dant diesen mannigfachen Geschossen mörderisch, und da die Parteien so nahe aneinander kämpften, begannen sie sich zu schmähen, wie die Helden Homers vor Troja.
" Für Dich, verräterischer Pankratius, ist dieses Choralbuch bestimmt!" rief einer der Klosterleute und schwang den ungeheuren Folianten, der auf dem Lesepult gelegen hatte, hoch in die Luft.