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Freilich: Die Natur schafft nicht nach Schablonen und so findet
obne etwas zu sagen; aber sie wußte, daß er sie richtig ver- fich auch bei Hebbel manches rein lyrische Gedicht von hohem Wert.
standen hatte.
Eine Weile saß sie zusammengesunken da, die Hände im Schoß. Fröstelnd dachte sie an den Mann, der da draußen in dem bösen Wetter marschierte und sich vorwärtsarbeitete durch die Felsen und das Dunkel. Eine Stunde Weges hatte er bei diefem garstigen Wetter bis zu seinem Arbeitsplatz, und dann kam der lange Tag in den Meeresflippen; von der See wehte die schneidende Kälte herüber, das Eisenwerkzeug hing an den Händen, und der Fels war glatt und verräterisch unter dem Schnee. Wenn ihm nun ein Unglück zusticße, was sollten sie dann anfangen? Einen Augenblick streifte sie eine Erinnerung aus besseren Jugendzeiten, und ein Bedauern, daß sie ihn nicht um seiner selbst willen zu Hause behalten hatte. Aber dann mußte sie aufstehen, hunderterlei rief nach ihr, fie hatte feine Zeit für rührselige Gefühle. Die Kleider des Mannes und der ältesten Kinder hatte sie gestern abend, nach dem die andern zu Bett gegangen waren, nachgesehen und geflidt und gestopft: nun waren die der jüngsten an die Reihe; fie follten ja die Sachen anziehen, wenn sie aufwachten. Zum Wechseln war nichts da. So war es stets Tag aus Tag ein gegangen, das ganze Jahr hindurch; wenn sie die Gedanken nur einmal einen Augenblick abwandte, fiel das ganze Heim in Lumpen. ( Fortsetzung folgt.)
Friedrich Hebbel , der Dichter.
Wer die deutsche Kultur liebt, wird ihre offiziellen Gedenkfeste im allgemeinen nicht gerne feiern helfen. Sie gleichen allzu häufig einem offiziellen Gottesdienst.
3m besonderen die Not feines Lebens hat ihm manchen Schmerzensschrei von erschütternder Gewalt entrissen. Wer aber, wie ich es einmal in einer größeren Abhandlung getan habe, die Eigenart aller seiner Gedichte untersucht, wird bald erkennen, daß die rein Ihrifchen Gedichte selten sind und oft einen fatalen verstandesmäßigen Zug an fich tragen. Wer in die Welt der Hebbelschen Gedichte tritt, wird allerdings von leuchtender Schönheit umflossen, nur geht die Schönheit nicht von den Iyrischen Gedichten aus. Sie geht immer von den Gedichten aus, in denen eine fremde Gestalt, eine fremde Situation belebt wird, im besonderen von
den Balladen.
Im Balladenkranz Hebbels findet man den großen Dichter wieder, der einem in der Lyrik zu entgleiten droht. In der Ballade Hat Hebbel die Schahkammer der deutschen Literatur um Steine von dunkler, dämonischer Pracht bereichert. In der Ballade konnte sein strenges Denten zu einer tiefen Auffassung des Motives führen. Es sei hier nur an ein philosophisches Motiv erinnert, das Schicksals, dem uns jeder Schritt entgegenbringt, durch den wir in seinen Balladen immer wiederkehrt zu entfliehen gedachten. Die Ballade Hebbels berührt sich hier mit dem griechischen Drama.
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das dunkle Walten des
In den schroffen Konflikten der Ballade konnte die schroffe Natur Hebbels ihr Genüge finden. In der harten Welt der Ballade konnte sein spröder, harter Vers zu einem Mittel der Wirfung werden. In der Ballade finden wir den großen Ditmarscher wieder, den wir aus den Dramen tennen feine mächtige Phantasie, seine ehernen Gestalten, sein troßiges Pochen an die letzten dunklen Tore der Erkenntnis.
Wer Hebbel für einen Lyriker mit weichen, flüssigen Formen" hält, wird niemals begreifen, wie er die schredlichen Widmungsstanzen schreiben konnte, die er seiner„ Maria Magdalena " voranfreffen. Von unserem Standpunkt aus aber führt ein Weg des setzte. Hier hat sein abstraktes Denken die Poesie restlos aufgeBerständnisses sowohl zu jenen ästhetischen Verirrungen wie zu
der Schönheit der Balladen.
Der
In den weiten Räumen der Kirche sitzt eine festliche Versammlung von Damen und Herren, von bürgerlicher und militärischer die Freude am Problem. Er liebt das Leben am meisten, Der von ihm selber oft betonte Grundzug seines Wesens ist Eleganz. Wenn dann der Geistliche eine schöne Predigt hält und wo es sich in der Gebrochenheit eines Problems offenbart. Mit die Klänge der Orgel durch den weiten Raum brausen, entsteht dieser Beranlagung aber mußte er notwendig zum Drama ganz von selbst eine weihevolle Stimmung und die Teilnehmer tommen. Im Drama wird das Leben des einzelnen in seiner laffen sich mit neugestärktem Seelenfrieden zu dem Festeffen problematischen Abhängigkeit vom Weltganzen dargestellt. nieder, das später am Tage folgt. Bevor das alles aber stattfinden fonnte, mußte jemand gefreuzigt werden, und in zweifelsüchtigen Gemütern entsteht dann die Frage, ob die Angst bon Gethsemane und die schauerliche Einsamkeit von Golgatha wirtlich nötig waren, um diesen Effekt zu erzeugen. Die offiziellen Gedentfeste der Kultur verhalten sich aber zum wirklichen Kampf der Kultur wie jene soupierenden Anhänger des Evangeliums zu dem Gefreuzigten von Golgatha, der zwischen zwei Verbrechern Auch den Hebbel feiern, die augenblicklich rings im Lande gerüstet werden, wird dieser schneidende Mißton nicht fehlen. Auch in diesen Festen wird ein immanenter Hohn liegen, den kein Zhniker überbieten kann. Auch hier mußte jemand gekreuzigt wer den, um die ideellen Kosten eines Soupers zu bestreiten.
starb.
einzelne wird von der allmächtigen objektiven Welt vernichtet. Eben werden, hatte Hebbel durchlebt. Das Drama ist die Form der diese Gefahr aber, von der falten Welt individuell vernichtet zu fchroffen Konflikte und Hebbel war durch sehr schroffe Konflikte das allmächtige Weltganze und darum schreibt niemand eine Trahindurchgegangen. In der Tragödie rebelliert der Einzelwille gegen gödie, dem nicht ein harter Wille eigen wäre. Hebbels Wille aber war vom Schicksal gehämmert worden wie ein Schwert. Man kann zusammenfassend sagen, daß Hebbel Dramen schrieb, weil er selber war. In der dramatischen Form fand sein eigenes Schicksal Stimme aus einem dramatischen Konflikt mit der Welt hervorgegangen und Sprache, und im Drama hat er darum auch seine großen fünftIerischen Schlachten geschlagen.
In Berlin herrscht augenblicklich ein Theatersystem, das Man kann dabei ruhig streichen, was gestrichen werden muß. durch und durch verfault ist. Die peinlichsten Krankheitserschei- Wer Hebbel mit Schonung glaubt gegenübertreten zu dürfen, macht nungen der Defadenz werden öffentlich ausgestellt; die ordinärsten sich einer Anmaßung schuldig. Man kann ruhig aussprechen, daß Instinkte des Amuſements werden entfesselt. Alles, was Hebbel bekämpfte und verachtete, tummelt sich im Licht der Theaterlampen. Wenn aber der Geburtstag Hebbels herankommt, werden alle diese Bühnen einen ebbelabend veranstalten. Der Dramaturg des Hauses wird einen Prolog zusammenschwißen, ein Drama Hebbels wird über die Bühne gehen und schließlich wird sich das Premierenpublikum bei einem soliden Abendessen von dem ungewohnten Schreck erholen.
In Berlin erscheinen sehr gelesene Zeitungen, die einen indirekten Vernichtungsfrieg gegen die deutsche Kultur führen, indem sie ihre Spalten mit dem Abhub des Auslands füllen und alle Ewigkeitswerte der Kultur den flüchtigsten Erscheinungen des Tages opfern. Wenn aber der 18. März herankommt, werden alle diese Zeitungen, nobel wie sie nun einmal sind, dem ein samen Ditmarscher in einem bildschönen Artikel huldigen, um bereits in der nächsten Abendausgabe jeden Atemzug seines Lebens, jede Wunde seines Kampfes zu verraten.
Ein Herausgeber Hebbels meint:„ Wenn irgendwo das harte Erz seiner Poesie weiche, flüssige Formen angenommen hat, ohne an ursprünglicher Kraft einzubüßen, so ist es in seinen Thrischen Gedichten." Ein derartiges Urteil ist überhaupt mur zu verstehen, wenn man den Begriff„ Ihrische Gedichte" so weit faßt, daß er sämtliche Gedichte Hebbels umfaßt. Einen Begriff so sehr er weitern, heißt aber selbstverständlich ihn aufheben. Die Chrit hat fünstlerische Naivität zur Voraussetzung und gerade die Naivität fehlte Hebbel . Durch sein ganzes Schaffen geht ein Zug von philosophischem und problematischem Denken, der sich mit der reinen Syrit nicht verträgt. Ein naiver Handwerksbursche tommt eher zu einem Lied als ein Philosoph. Die Handwerksburschenlieder in Des Knaben Wunderhorn sind heute noch so frisch wie am ersten Tage, während beispielsweise die philosophische Lyrik Schillers zu verstauben beginnt.
"
fein" Michel Angelo" wie eine beiläufige Gelegenheitsdichtung wirkt, daß sein„ Trauerspiel in Sizilien" wie eine Kuriosität anmutet und daß er mit seiner Julia" scheiterte, weil ihm der historisch politische Sinn für die eigene Zeit fehlte. Aus eben diesem Manto erklärt sich auch sein hartes Urteil über die politischen Dichter der vierziger Jahre. Wenn man be= denkt, daß sich unter ihnen der prächtige Freiligrath befand, muß sein sinnloses Urteil notwendig verleben.
Wie sehr ihm das Organ für den historisch- politischen Inhalt der eigenen Beit fehlte, erkennt man am besten aus seinem Trauerspiel in Sizilien". Wenn man das Stüd naiv liest, fieht man zwei( mit Hebbelscher Meisterschaft gezeichnete). bertierte Landsoldaten, die zu Verbrechern werden, während sie ihrem Amt nach die Ordnung aufrecht erhalten sollten. An der Beripherie der Handlung tritt dann noch ein besiggieriger Dorfrichter auf.
Liest man nun in den Tagebüchern und in der Vorrede, was Hebbel mit diesem Drama eigentlich wiII, fommt man aus dem Staunen nicht heraus. Die beiden Landsoldaten sollen den vormärzlichen Polizeitstaat verkörpern, weil auch im Polizeistaat die Wächter der Ordnung sehr oft zu verbrecherischen Bütteln werden. Der habgierige Dorfrichter aber, der zum Schaden der Allgemeinheit in ganz sinnloser Weise seine Schäße zusammenschachert, soll das Befitproblem in seiner schärfsten Fassung veranschaulichen. Nun möchten wir nur ungern dem vormärzlichen Polizeistaat das Wort reben, wenn aber Hebbel wünscht, daß die beiden Landsoldaten als seine Produkte erscheinen sollen, müssen sie im Drama auch historisch- politisch aus ihm abgeleitet werden. In Wirklichkeit aber wird in dem Drama historisch- politisch überhaupt nichts motiviert. Auch der habgierige Dorfrichter ist ohne jede historische Bedingtheit und repräsentiert eben nichts weiter als die menschliche Habsucht. Was Hebbel an sogenannten Zeit