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marten, die die städtischen Armentommissionen eine zeitlang täglich sie sollte erst bei Wiederholung des peinlichen Verbrechens durchge­berteilen ließen? Die Zahl der Armen stieg derart, daß felten führt werden. Bei der Jubiläumsfeier der Universität Königsberg jemand ohne Entschädigung Armenvorsteher werden wollte," erzählt hatte Friedrich Wilhelm IV.   als edelste Früchte des wissenschaftlichen die Verfasserin, ohne die grimmige Jronie zu bemerken, die in dieser Unterrichts verkündet: Treue und Gottesfurcht. Und hiermit sind Konstatierung gelegen ist. die Grenzen, die der absolutistische Staat der akademischen Lehr­freiheit stellte, aufs deutlichste bezeichnet.

Diese Prozesse erschütterten das Ansehen der Regierung mur noch mehr und trugen das ihre dazu bei, die verpönten Jdeen zu verbreiten und die oppofitionelle Strömung zu verstärken.

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Diese Not wurde noch verschärft durch die volksfeindliche Steuer­politik, die gerade die ärmsten Schichten am schwersten belastete. Die Haupteinnahmequellen der Stadt waren die Mietsteuer und die Mahl und Schlachtsteuer, auf die fast zwei Drittel ihres ordents lichen Budgets gestellt waren. Die Mietsteuer hatte für alle Die Einberufung des Vereinigten Landtags  , die 1847 in einer Duartiere gleiche Höhe, und da auch die Mietspreise bei der ständig der romantischen Anwandlungen des Königs am Gedenktag des wachsenden Einwohnerzahl und relativ geringerer Bautätigkeit in Aufrufs an mein Bolt" geschah, war in Wirklichkeit ein erstes Bu­diesen Jahren beträchtlich stiegen, mußte ein Statistiker feststellen, rückweichen vor dieser Strömung. Man hoffte, die Opposition des daß ein gutes Drittel der Berliner   Bevölkerung in durch Bürgertums, die immer vernehmlicher wurde, mit einer Scheinton­aus unzulänglichen Wohnungen Hauste. Die Mahl- und gession zu beschwichtigen. Aber das Gegebene befriedigte niemand. Schlachtsteuer belastete gerade die notwendigsten Lebensmittel. Selbst die Schüler Steins im Beamtentum waren fonstitutionell Und als sie in der Zeit der ärgsten Teuerung für drei Monate geworden." Und der Landtag, der noch dazu ausschließlich aus suspendiert wurde, waren die einzigen, die den Vorteil davon hatten, Bertretern des Grundbesiges bestehen sollte, unter denen die Bäckermeister. Troydem stimmten die meisten städtischen freilich, und nicht bloß unter den städtischen Delegierten, fortschrittlichen Vertreter im Landtage von 1847 gegen die Auf- die neue bürgerliche Politik gewandte Fechter hatte, hebung der Steuer, um den Kommunen diese bequem zu erhebende war feine gesetzgebende Versammlung. Seine Kompetenz Einnahme nicht entgehen zu lassen. giddl bon bornherein febr beschränkt: er hatte nur über die Vorlagen zu beraten, welche die Regierung ihm zuzuweisen für gut fand. Ein Beschlußrecht hatte er nicht. Trotzdem ver­stummte auch in dieser Versammlung der Nuf nach Verfassung und Reformen nicht. Man schaffte sich die Gelegenheit zur Aussprache durch Petitionen. Die Verhandlungen fanden bei allen fortschrittlich Gesinnten größte Aufmerksamkeit. Und das um so mehr, als hier die Berichte öffentlich und zensurfrei waren. Ein pofitives Ergebnis fonnten diese Beratungen natürlich nicht haben. Ihre Bedeutung bestand eben in der Kritik, die an der Praxis und den Plänen der Regierung geübt wurde. Die aber zeigte deutlich, daß die Gegen­fäße schon zu tief geworden waren, um noch durch eine Politik der fleinen Mittel sich ausgleichen zu lassen. In größter Verstimmung ließ der König die Versammlung nach faum zweimonatiger Dauer vertagen.

Das Bolt hatte auf diese Kommunalpolitif, die auf seine Kosten gemacht wurde, nicht den geringsten Einfluß. Nur sechs Prozent der Bevölkerung hatten das Bürgerrecht, das für den hohen Betrag von breißig Talern fäuflich, aber auch daim noch an die Zustimmung der Stadtverordneten geknüpft war. Nur diese sechs Prozent waren tahlberechtigt zur Stadtverordnetenversammlung, die unter Aus­schluß der Deffentlichkeit tagte. Was Wunder, daß das Interesse an diesen Verhandlungen nur ganz gering war, daß kein Zufammen Hang zwischen Wählern und Gewählten bestand, daß die Versamms lung durch ihr schwankendes Auftreten gar kein Vertrauen besaß." Im Rathause in der Breiten Straße   sind Schlafstellen zu vermieten", fagte der Berliner   Volkswiz. der in dieser schlechten Zeit erst recht nicht schwieg.

Die Staatsregierung, nach dem ungeschriebenen Grundgefeß des Absolutismus, hatte nur den einen politischen Gedanken, alles zu vermeiden und zu verhindern, was irgendwie die bestehenden Ver­hältnisse ändern könnte; dafür, daß neue Ideen sich nicht zu sehr ausbreiten fönnten, sorgte die 3ensur, die die Entwickelung einer modernen Presse, wie sie in Frankreich  , in England längst wirksam tvar, unmöglich machte. Für Bücher bestand die berüchtigte 8wanzigbogenfreiheit": wenn sie mehr als 320 Seiten Umfang hatten, waren sie feiner Borzenfur unterworfen. Auch diese Freiheit" galt also nur Werfen, die bei den damals viel größeren Kosten schon durch ihren Breis feine weitere Verbreitung finden fonnten.

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Diesen symptomatischen Wert der Landtagsverhandlungen ver­tannten die Radikalen, die sich aufs schärfste über sie äußerten: so etwa der damals ganz kommunistisch gesinnte Dichter Alfred Meißner  , der geradezu von einer aufgeführten Komödie spricht, mit schönen Tiraden und winziger Handlung, mit Winkelzügen und Advokaten­Iniffen.

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Zur Bildung geschlossener Parteien war es damals noch nicht gekommen, weder innerhalb noch außerhalb der Versammlung. Es fehlte zwar nicht ganz an Versuchen zur Bildung von Gruppen. Aber hierbei waren doch mehr Landsmannschaft und ähnliche Momente, als eigentlich politische Gesichtspunkte von Einfluß. Auch Natürlich war der absoluten Bureaukratie auch die andere Form neben dem Landtag bestrebten sich einzelne Männer, deren Stellung verdächtig, die zum Austausch von Ideen geschaffen tar und führen zu den Fragen des Tages bekannt war, Fühlung mit Gleichgesinnten mußte das Vereinswefen. Daß Bereine, die auch nur die zu gewinnen; so Johann Jacoby  , deisen Broschüre Bier Fragen geringste politische Bestimmung bätten haben können, nicht geduldet eines Ostpreußen  " bald nach dem Regierungsantritt Friedrich tourden, verstand sich von selbst. Witterte sie doch bei jedem Versuch Wilhelms IV. die schärfere Opposition der fortschrittlichen Elemente zu solcher Betätigung, wie in den dreißiger Jahren demagogische", eingeleitet hatte; so Heinrich Simon, dessen Pamphlet Annehmen so jest fommunistische Umtriebe". Da beugte man lieber vor. oder ablehnen" die schneidigste Kritik der königlichen Batente ge­Einentralverein für das wohl der arbeitenden wesen; so der Schlesier Friedrich Schlöffel; alle drei sollte das Klajien", wohl durch die neuen sozialen Erscheinungen veranlaßt folgende Jahr zur Höhe politischer Wirksamkeit hinaufführen. Aber und in rein philanthropischer Tendenz begründet, genoß fogar die erst unter dem Drud großer Ereignisse konnten die isolierten Ehre, vom König protegiert zu sein, troßdem brüteten die Behörden einzelnen, die Diskussionsklubs der Lesekabinette, die Masse der an drei Jahre über die eingereichten Statuten, um dem Verein Zeitungsleser und der wirtschaftlich gleich Interessierten verschmelzen schließlich die Bestätigung zu verjagen! Man scheute wohl das zu den großen Körpern einheitlich wollender Parteien. Beispiel des ähnliche Zwecke verfolgenden Handwerkervereins", der bei aller demonstrativen Loyalität doch die unsicheren" Elemente unter den Zugereisten" nicht ganz ausschalten tonnte. Er wurde deshalb mit Mißtrauen überwacht. Ende 1846 holte die Polizei fogar zu einem großen Schlage aus. Es gab Verhaftungen, lang wierige Untersuchungen. Aber schließlich erfannte man, daß wieder einmal viel Lärm um nichts gemacht worden sei.

Die Hungersnotpreise der wichtigsten Lebensmittel hatten indeffen gerade zu Beginn der Landtagsfefsion zu heftigen Szenen auf den Berliner   Wochenmärkten geführt. Frauen, bis zum äußersten gereizt durch die unverschämten Forderungen der Händler, hatten deren Stände gestürmt, Säde aufgerissen und sich des Inhalts bemächtigt. Schon wurden Läden geplündert. Die Polizei und militärische Assistenzen waren zu schwach. Aehnliche Auftritte Die Macht des abfoluten Staates gewann der immer radikaler wiederholten sich an den folgenden Tagen. Es tam zu Straßen­werdenden Intelligenz gegenüber hauptsächlich in allerlei fleinlichen gefechten im fleinen, bei denen es eine größere Anzahl Verwundete Schifanen und Prozessen Geltung, mit denen er fie berfolgte. So gab. Schließlich war fast die ganze Berliner   Garnison   aufgeboten, wurden die badischen Demokraten stein und Heder, als sie worauf nach einigen Tagen Ruhe eintrat. Und nach dem Militär 1845 nach Berfin tamen, sofort ausgewiesen. Ernst Dronte, der bekamen die Gerichte Arbeit. Es hatte rund 200 Verhaftungen ge­über das Berlin   jener Tage ein vortreffliches Buch geschrieben hat, geben, von denen etwa die Hälfte zu Anklagen führten und 86 Pro­wurde ausgewiesen wegen einer Theaterkritik. Zwei Jahre später Tetarier wanderten ins Gefängnis, Buchthaus bis zu zehn Jahren wurde er, der dann 1848 neben Mary in der Redaktion der Neuen wurde verhängt. Die Teuerung aber dauerte fort. Der Bour­Rheinischen Zeitung" saß, wegen Majestätsbeleidigung, frechen Tadels geoisie, besonders der kleinen, war ein arger Schreck in die Glieder der Landesgeseze und Erregung von Mißvergnügen zu zwei Jahren gefahren. Sie rief nach mehr Polizei. So tat fich der Gegensatz Festung verurteilt. Ein anderer Literat namens Mehen erlebte zwischen Bürgertum und Proletariat schon vor der Revo­wegen Vortrags des Heineschen Weberliedes und einiger anderen lution für einen Moment auf. Der Forderung nach Organisation fozialen Gedichte die gleiche Verurteilung. Das Gericht, er habe einer Bürgerwehr widersetzte sich aber die Regierung, welche in ein Gnadengeſuch an den König überreicht, wurde allgemein mit diefer ganzen Angelegenheit so fläglich versagt hatte: so verdächtiges Indignation aufgenommen. Aehnliches Aufsehen machte im Sommer Streben nach Selbständigkeit schien ihr das ärgfte unter allen Zeichen 1847 das Verfahren gegen den Universitätsprofessor Michelet  , dieser entartenden Zeit und fonnte nicht scharf genug bekämpft dessen in der neuen Studie sonderbarerweise nicht Erwähnung ge- werden. schieht. Michelet  , ein radikaler Schüler Hegels, hatte sich unter- So ging das Jahr 1847 zu Ende. Es hinterließ ein not­fangen, eine Maßnahme des Kultusministeriums abfällig zu triti- leidendes, aufgewühltes Proletariat, eine im Tiefsten unbefriedigte, fieren. Es wurde daraufhin sofort ein Disziplinarprozeß wegen an jeder Möglichkeit friedlicher Reformen zweifelnde Bourgeoisie. fahrlässiger Amtsverlegung gegen ihn eingeleitet: Michelet   Wenn sie sich für einige Zeit zusammenfanden, mußte die legte ward der Professur formell entsegt, doch blieb diese Maß- Stunde des Absolutismus nahe sein. regelung wie δας Schwert des Damolles über ihm;

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Dtto Wittner.

Berantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& To., Berlin   SW.

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