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Auf dem Grunde des Steinbruchs und oben auf Felsen­gefimsen klettern die gekrümmten Gestalten umher und sehen auf den ersten Blick so ohnmächtig aus gegen den Felsen. Sie nagen und bohren und fragen Beiseite, als wollten sie die Un­bergänglichkeit selber untergraben.

Drei bis vier Arbeiter mühen sich wie Ameisen mit einem losgesprengten Klippenstück ab, das unter den großen Kran gewälzt werden foll. Ihre Beine sind frumm, und die Knie find gebeugt; die Fäuste sind groß und unförmig; hier und da fehlen die Glieder der Finger; grau und hart sind diese Hände wie der Stoff, den sie bearbeiten. Der eine Mann hat nur ein Auge der Steinbruch hat ihm das andere ge­nommen; einem anderen hat das Pulver das Geficht blau tätowiert. Die schweren Holzschuhe sind unter herabstürzenden Felsstücken mehr als einmal zerschmettert worden, sie sehen aus wie Faßdauben und werden durch eiserne Reifen zu sammengehalten; es singt geborsten in ihnen, wenn die Leute sich zum Heben anschicken. Die hängen dann am äußersten Ende der Hebestange und lüften den Felsblock an der einen Seite um ein paar Zoll, einer friecht hinein und schlägt ihn los, und dann heben sie wieder. So geht es weiter, bis das Felsstück Uebergewicht bekommt und seine eigene Breite vor wärts wälzt.

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( Fortsetzung folgt.)

und fertig da, ich mußte mich eiligst ankleiden und hatte nicht ein­mal mehr Zeit, in der Küche Kaffee zu holen. Mit leerer Feld­flasche ging's los. In der Munitionsanstalt empfingen wir von in die Munitionswagen verluden. Das preßte trotz der Morgen­einem Oberfeuerwerker die für uns bestimmte Munition, die wir fühle manchen Schweißtropfen heraus. Zentnerschwere Granaten in Rörbe zu steden und fünfzig Meter weit bis zum Standort der Wagen zu tragen, ist kein Vergnügen. Um sechs Uhr schlossen wir uns unserer Batterie an, die bereits angespannt hatte und marsch­fertig im Geschüßpark stand. Um sieben ühr kam der Regiments­kommandeur, die Uebung begann. Wir marschierten in Bedienungs­tionswagen daher. Aufsitzen durften wir nicht; es hieß, die Gäule mannschaften eingeteilt hinter den einzelnen Geschüßen und Munta müßten geschont werden. Bald ging es langsam, bald so schnell, daß wir streckenweise Laufschritt machen mußten, um überhaupt mitzukommen. Dabei brannte die Sonne immer gemeiner und die schweren Pferde wirbelten auf den trodenen Wegen einen solchen Staub auf, daß wir schier erstickten, wie in einem Nebel dahergingen und kaum mehr die Schweife der hinteren Pferde sahen. Erst als wir vom Wege abzweigten in die Heide hinein, wurde es besser. nöchel sanfen wir in den Sand. Die ganze Aufmachung erinnerte Freilich hatten wir jetzt mühsamer zu marschieren. Bis an die mich umvilltürlich an meine Legionärsgeit. Ich verging fast vor Durst. Seit dem Mittag des verflossenen Tages hatte ich nichts mehr zu mir genommen, und auch jekt hatte ich nichts bei mir, als ein Trumm Kommißbrot, das aber den Durst nur noch fühlbarer machte. Endlich ertönte das Kommando:" Letztes Halt!" Wir schauten das Geschütz nach, ob alles in Ordnung sei, entfernten Mündungsdeckel und Verschlußklappe und beim Befehl: Kanoniere aufgesessen" faßen wir schon oben und hatten die Kavabiner um

Baldamus beim Kommiß. ben als hängen. Im Trab gings weiter. Sinter einer Waldſpike

Bont Oskar Wöhrle. ( Schluß.)

Die Wahner Heide ist durchweg ein Oedland. Sand, nichts als Sand, stellenweise bloßliegend, streckenweise wieder überwuchert mit Farren, Gestrüpp, Ginster und Heidekraut. Hier vier Wochen herumzuliegen, ist kein Bergnügen. Wir mußten es bald erfahren. Beim Waffer fing es an. Da es gesundheitsschädlich war, durften wirs nur gefocht genießen. Darum mußten wir ausschließlich Zichorienbrühe trinken; denn aum Bier langte es bei den Wenigsten. Ebenso rar wie gutes Wasser war ausgiebiger Schlaf. Trotz der oft übermäßigen Strapazen, die wir hier ertragen mußten, hatten mir nur ungenügend ausreichende Schlafzeit. Dienst, Arbeit, Dienst löfte einander ab, dazwischen hinein fiel wieder irgend ein Appell mit Waffen oder Kleidungsstüden.

Am zweiten Sonntag teilte mich der Feldwebel der Nachtwache zu. Um fünf Uhr abends mußten wir aufziehen. Ich bekam die Feuerwache, d. h. ich mußte auf den Aussichtsturm und den Schieß­plab auf etwaige Wald- oder Heidebrände beobachten. Die Ablösung geschah zweistündig. Aber es ereignete sich nichts. Die Heide lag dunkel und schwarz vor mir, nur selten zeigte sich ein Licht der um liegenden Dörfer. In der Ferne stand ein roter Schein am Himmel. Das war die Nachtglut Kölns . Hinter mir breitete sich das Lager; die vielen Baraden, Unterkunftsräume, Munitions häuser waren deutlich zu erkennen. Im Geschützpark standen in Reih und Glied wie schwarze Drachenungeheuer die großen Mörser und schweren Feldhaubißen. Der regelmäßige Schrift des unteren Postens machte die Verlassenheit und Stille noch merkbarer. Um fünf Uhr morgens fonnten wir ins Quartier zurück. Ich legte mich nieder, denn ich war sehr müde. Um sieben Uhr, als die anderen schon in der Heide draußen waren beim Scharfschießen, holte mich der Kammerunteroffizier aus der Mappe. Ich mußte ihm helfen, die schmußige Wäsche in Säcke zu paden und auf ein Fuhrwerk zu laden. Diese schöne Beschäftigung dauerte bis zwölf Uhr.

Nach dem Essen war Appell und Arbeitseinteilung. Ich wurde zum Zielbauen kommandiert. Zwanzig Mann start marschierten wir mit Pickel und Schaufel drei Stunden weit in die Heide hinaus. Ein Feuerwerker hatte die Führung. Wir trafen hier schon andere Batterien, die bereits daran waren, die Holzstiele auszugraben und weiter hinten wieder einzusehen. Die Arbeit war mühsam, nicht weil sie viel Kräfte erfordert hätte, sondern weil die Sonne so heiß brannte. Zudem drückten sich Viele, besonders die Alten, von der Arbeit. Sie fragten beim Feuerwerker ums Austreten, verschwan­den und erst am Abend ließen sie sich wieder blicken. Dafür mußten wir zurückbleibenden doppelte und dreifache Arbeit tun. Erst um acht Uhr abends waren wir fertig und machten uns auf den Heim­weg. Trotz der späten Zeit sahen wir noch viele Bauernweiber, Mädchen und Kinder, die Schritt für Schritt den Boden absuchten nach Bleikugeln, Zündern und Sprengstüden. Uns selber war es berboten, derartiges zu sammeln und zum Andenken mitzunehmen; fast jede Woche war Revision. Wurde bei einem etwas gefunden, hatte er seine drei Tage weg.

Bis wir ins Quartier tamen, wurde es halb zwölf Uhr nachts. Schon alle schliefen, von Nachtessen keine Rede. Als ich unter die Decke kroch, fam mein Unteroffizier und sagte, ich müßte um halb vier wieder heraus, ich wäre den Munitionsempfängern augeteilt. Ich hörte das erste Signal in der Frühe nicht, sondern erwachte erst, als ich mit meinem Strohfad auf dem Zimmerboden lag. Der Obergefreite hatte sich wieder einmal einen Scherz" gemacht und die faule Sau" hinausgeworfen. Die anderen standen schon fig

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wurde noch einmal Halt gemacht, der Beobachtungswagen fuhr vor. Sobald der einen günstigen Plaz gefunden hatte, gings im Galopp in Feuerstellung. Wie der Blik waren die vier Haubizen abgeprobt und schußfertig. Richtlatten wurden aufgesteckt, um beim Verschwin den des Ziels oder bei Aenderung der Schußrichtung einen Anhalts punkt zu haben. Bald fuhren auch die Munitionswagen vor und füllten die Lücken zwischen den einzelnen Geschützen aus. Die Proßen und Vorderwagen lehrten um und stellten sich etliche Hundert Meter seitwärts hinter uns auf. Bald tam der Befehl zum Feuern. Schuß auf Schuß brannte in den Morgen hinaus. Die Geschüße standen wie festgewurzelt. Bei jedem Zurückgehen des Rohrs grub sich der Sporn der Lafette tiefer ein. So hatten wir leicht einzurichten. Besonders schön war es, wenn Rollsalven abgegeben wurden. Granate um Granate grub sich mit Brausen in den blauen Himmel. Man fah jede, bis sie ihren höchsten Punkt erreicht hatte.

Einige Male war Feuerpause, dann konnten wir abliegen. Um Mittag war Stellungswechsel. Wir ließen die Geschüße stehen wie sie standen und marschierten eine Stunde weiter in die Heide hinaus, zur Stellung der 9 Zentimetergeschüße. Unseren Play an den ver­lassenen Haubigen nahmen andere ein. Bald löste sich der erste Schuß.

Von hier aus konnten wir deutlich sehen, wie unsere Granaten einschlugen und die Erde aufrissen. Wir schossen auf bewegliche Biele, die stetig weiter rückten. Als die Granaten verbraucht waren, famen Schrapnells daran, die schon in der Luft platten und ihre Kugeln streuten. Mit den 9 Zentimeterkanonen war das Schießen schwieriger als mit den schweren Feldhaubigen. Da fie feinen Rohrrüdlauf hatten, sprangen sie nach jedem Schuß einige Meter zurück und mußten von neuem in die alte Stellung zurückgeschoben werden. Das mußte möglichst vasch gehen und machte heidenmäßige Arbeit.

Es wurde Mittags drei Uhr; unsere Munition war noch nicht aufgebraucht. Mir siedete es im Kopf, ein dumpfer Druck stemmte fich gegen die Schläfen, wollte den Schädel sprengen. Verschiedene Male bat ich die Kameraden um einen Schlud Kaffee, aber sie hatten alle ihre Feldflaschen selber schon leergetrunken. Wieder kam das Kommando: Feuer! Ich zog die Abzugsschnur, ein Blih, ein Knall, das Geschütz sprang zurüd. Wie ich in die Radspeichen griff, um das Geschütz wieder nach vorn zu bringen, schoß es mir wie Feuer in die Augen, die Wälder in der Ferne fingen au tangen und zu hüpfen an, ein seltsames Geräusch kam mir in die Gedanken. Das letzte was ich hörte, waren die lauten, aufreizenden Töne des Legio­närsmarsches und der Mülhauser, wie er sagte: Allons, Kamerad, es ist Zeit!" Dann wurde ich ohnmächtig.

Beim Erwachen lag ich in der Krankenbarade. Ich sah und wußte alles, fonnte mich aber nicht rühren, fonnte nicht einmal die bielen eckligen Fliegen wegscheuchen, die fich mir scharenweise ins Gesicht setzten und den Schweiß aufsaugten. Nur das brachte ich heraus: Wasser! Der Stabsarzt, der gerade hier war, ließ mir Giswasser bringen. Ich trant alles, was ich bekam, und hatte immer noch nicht genug. Dann sank ich wieder zurück und schlief. Ein lautes Stimmengewirr wedte mich von neuem auf. Der Abend­schein stand in den Fenstern. Auf einer Tragbahre brachten Sani­tätler einen Kanonier der achten Batterie, den der Hizschlag ge­troffen hatte. Er tam in das Bett neben meinem. Hals und Ge­ficht waren blau angeschwollen. Die Augen standen offen und zeigten nur das Weiße. Zäher Schleim hing ihm aus dem Mund, sein Atem fam nur rudweis und ging in ein Röcheln über, wie ich es noch nie gehört hatte. Obwohl mir grauste, mußte ich doch in einem fort wie gebannt hinschauen. Ein Sanitätsunteroffizier