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zählen. Aber Mutter meinte, ich wäre es dem Sans als altem Arbeitsgefährten schuldig."

Was kann es nur sein?" wiederholte die Frau erschrocken. " Ach, alles was den armen Mann trifft, ist ja verkehrt," rief Hans trogig vom Bett aus.

Janus schaute aus dem Fenster. Da haben wir den Schulzen," sagte er feierlich. Alle schwiegen; niemand dachte daran zu antworten, als es klopfte.

"

Guten Tag," jagte der Schulze und blickte sich in der niedrigen Stube um ,,, na, wie steht es denn hier? Ich höre, Hans hat das ärgste überstanden."

Der alte Ole hatte sich erhoben. Ich weiß nicht, was Du hier oben in den Felsen suchst, Aders Olsen? Aber wenn Du Herkommst, um uns noch mehr Unglück zu bringen, dann hättest Du Deinen Gang noch etwas aufschieben können."

Ich hoffe nicht, daß ich Euch Unglück bringe," erwiderte der Schulze. Ob es Glück sein wird, muß ja die Zeit lehren. Die Sache ist die, daß ein neues Gesetz über Unglücksfälle bei der Arbeit erlassen worden ist, und da..

Es ist strafbar geworden, zu verunglücken," jagte Janus und nickte- er hatte es ja gleich gesagt!

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Nein, so schlimm ist's ja nun doch nicht. Aber die Ge­setzgeber haben sich gedacht, daß der arme Mann, der bei der Arbeit zu Schaden kommt, eine Entschädigung verdient, und nun bin ich ersucht worden, von Dir, Hans Kämpe, eine Er­klärung entgegenzunehmen. Bei der Sache scheint etwas ver­sehen worden zu sein; man hat wohl versäumt, einen Bericht einzusenden."

Hans Kämpe hatte sich auf den Ellenbogen gestützt: Ein neues Gesez.... und das sollte auch für den Armen gelten hier oben in den Felsen?"

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" Ja, natürlich das Gesetz ist wohl für alle gleich!" Der Kranke begann zu lachen. Noch nie hat jemand für uns hier oben mit unserm Fluch einen guten Gedanken übrig gehabt," sagte er ungläubig, aber seine Augen brannten wie im Fieber; die Botschaft arbeitete trotzdem in ihm.

Lange nachdem der Schulze und Janus fortgegangen waren, redete man immer noch hin und her über die sonder­bare Wendung, die die Dinge zu nehmen drohten.

"

Du sollst sehen, es ist nichts als Hinterlist," sagte die Frau. Er hat Dich nur verleiten wollen, alles zu bekennen." ,, Es ist ja gar nichts zu bekennen," sagte Hans hell. Du bist auch immer zu mißtrauisch."

" Nicht? Glaubst Du etwa, die Behörde kümmerte sich in guter Absicht um die Angelegenheiten der Armen? Ihr werdet sehen, daß ich recht habe."

Aber der Großvater wagte es, für den Schulzen einzu­treten, es seien doch auch schon früher sonderbare Dinge auf Erden vorgefallen. Hans dachte wie der Vater aber mit den Gründen haperte es, und seine frohen Ahnungen konnte er den anderen nicht anvertrauen. So schwieg er denn, und man ging zu Bett.

Aus der Ferne aber brauste es den Leuten in der niedri­gen Stube so wunderlich in die Ohren. Ihre kleine Welt hatte ein Loch bekommen, und weit drüben im Nebel saß eine unfichtbare Macht und gedachte der Armen hoch oben in der Bornholmer Nordlandsheide und entschied, daß ein Mann Geld bekommen solle, weil er bei seiner Arbeit verunglückt sei! Es war so sonderbar, daß man es wirklich mur schwer glauben fonnte, eine neue Gerechtigkeit mußte auf Erden ihren Einzug gehalten haben.

( Fortjehung folgt.)

Monte Carlo.

Bon Sigbjörn Obstfelder .

Monte Carlo!

( Berechtigte Uebersehung.)

Monte Carlo mit Palmen und Zypressen! Unter dem elek­trischen Lichte steigt es empor vom Strande, wo das Mittelmeer in tiefer Finsternis murmelnd rollt, steigt in prachtvollen Terraffen zum Kasino hinan, wo das Gold rollt, bald leise gedämpft, bald in wilder Leidenschaft.

Monte Carlo mit den feinsten Hotels der Welt und ihrer Postbarsten Seide! Monte Carlo mit dem Revierahotel, ein Eden in Stein, eine Fenergirlande über dem Meere, eine Grotte Aladdins mitten im warmen Dunkel.

Monte Carlo, wo der Plebs in Bann erklärt ist, wo die Vürsten fich mit Fälschern begegnen, wo die Prinzessinnen über

strahlt werden von Abenteuerinnen aus Wien und Brüssel, aus Europas hunderten schwer duftenden Boudoirs.

Ist die Luft irgendwo so herrlich wie hier? Man schwebt dahin, fühlt die Wangen sich röten und wird berauscht ohne Wein. it die Luft irgendwo noch so leicht, so leuchtend und so voll dahin segelnden Duftes? Vom Mittelmeer fommt er her, schmiegt fich durch Rosen und Orangenbäume. Ein lein winziger Tropfen Barfüms tut gut, denkt er, und listet sich dahin über Glacéhand, schuhe und zwischen Spizentragen.

Leder füffen weiße Damenschuhe die Terraffen, und die Herren Hier tritt man auf die Erde, wie auf schwere persische Teppiche. schuhe sind grün und gelb, denn hier ist es nie Winter.

Von dem großen Café her haucht das Zigeunerorchester seine heißen Rhythmen aus. Diese füßen Töne des Kontinents, die von Ort zu Ort zogen, haben etwas von Wien angenommen und von München und von Paris , haben sich über gepuderte Brüste gewiegt und sind auf schminkroten Lippen erstorben. Und Fürsten und Lords und Abenteurer Heute Millionäre, morgen ins Pfandhaus wandernd speisen ihr Beaf mit filbernen Gabeln, ein Beaf zu zehn Frank und die Kartoffel zu zwei Frank. Die Bank ist in der Nähe, die Goldgrube.

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Die leidenschaftlichen Rhythmen des Zigeunerorchesters gleiten hin über die syphilitische Wange des Weißhaarigen, während die beringte, blendende Hand seiner Dame die Goldstide in der Tasche leidenschaftlich preßt, im Takte des Czardas , im Talte der Bolero. Wenn sie dann fortgehen, folgt ihnen in zehn Schritten Ent­- ein eleganter junger fernung in der warmen Finsternis Herr und starrt und starrt auf die Tasche der Dame. haben so viel gesehen. Aber in aller Diskretion. Und sie beugen Die Kellner verbeugen sich. Mit regungslofem Gesicht. Sie das Geficht, diese Bergamentrolle, vor dem Grafen aus altem Geschlecht, vor dem Spekulanten, vor dem Fälscher gleich höf­lich für die Prinzessin, für die Stofotte gleich tief. Denn was ist der Unterschied? Hat der Kellner nicht recht? Was ist der Unterschied?

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Aber zwischen all diesem Geld, zwischen all diesen weißen Krawatten, zwischen Seide und duftenden Beafs, gehen die rot­berodten Zigeuner mit ihrem Silberteller einher und

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Betteln.

Die weißen Mauern des Kasinos leuchten. Dort drin ist es! Dort ist der grüne Altar, wo das Feuer nie verlischt, das Gold= feuer. Pst! Stille rings um den Tempel! Silence!

Nur das Geld darf sprechen. Keine scharfen Bewegungen. Keine leidenschaftlichen Blicke! Nur die Augen, die Augen, die Augen dürfen ihm folgendem Geld! dem Geld! dem Geld!

Und beginnt irgend eines Mannes oder Weibes Herz zu pochen, seine Hände zu beben, dann komme du, mein Tempeldiener, und verbeuge dich und führe ihn oder sie hinaus aus meinen Hallen!" So befiehlt der Gott dieses Tempels.

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Und wünscht ein Er oder eine Sie mir das Leben zu opfern, sein heißes Blut, da kann er oder fie es in Stille vollführen, in aller Diskretion und am liebsten außerhalb dieser Hallen, in einem Parkwinkel." So befiehlt der Gott des Tempels. Seht die raftlosen Hände! Hände aller Nationen, aller Tempe ramente, wohlgepflegt und samtweich, adelige, lange, schmale Häude und nervöse, magere, blauaderige und schwellende Hände mit Diamanten auf dem weißen Fett. Hört diese stille Meffe, den Gottesdienst, den Harfentlang der Goldstücke, das Flüstern der Seidenröcke, das Tromemin der Manschetten! Gewahrst du den Aether, der sich durch den Saal wiegt; gewahrst du ihn? giftig leicht, wie der Hauch eines Tabernakels, das ohne Feuer bersengt.

So

Aber sieh! Dort, zwischen den Händen, zwischen den grünen Altären! Siehst du es nicht? Es wächst, redt sich immer höher und höher auf. Starrt mit Feueraugen auf die Hände.

Es wächst, es wächst über die Saaldede hinaus, über das Dach, über Monte Carlo und hin über den Golf den herrlichen und über Europa und über Amerika , und starrt und starrt. Der Mammon

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Das Mittelmeer kannte ihn.

Das Meer liegt in tiefer Finsternis da und flüstert den Zypreffen zu:

Ich kenne ihn. Ich hab ihn schon in früheren Zeiten gesehen. Ich hab ihn vor tausend Jahren in Syrien gesehen und fah ihn dann wieder in Alexandrien . In Athen sah ich ihn auch. Er stirbt und ersteht an einem anderen Orte wieder.

Ich habe blinkende Speere von Rom nach Karthago getragen, brachte Purpur und Samt nach Venedig ; Flösse aus Genua birgt mein Tang. Ich habe Paulus über meine Wellen getragen. Er hatte eine Papierrolle unter dem Arme.

Ja, ich habe gewaltige Reiche sinken gesehen und Tempel habe ich zusammenstürzen gesehen, Tempel auf Tempel. Auch dieses Reich dort oben wird bersinken, auch dieser Tempel dort auf dem Hügel wird zusammenstürzen. Und es wird hier wieder stille werden. Und wir werden allein sein, ich und ihr, Palmen, Zypressen, Orangen!-

Bit! Ein Leuchten! Eine Lokomotive. Der Ichte Luruszug nach Nizza . Fürsten und Dirnen. Seide und Diamanten. Nun­