Früher hatte Hans Kämpe nie im Leben einen Witz ge»wacht, aber jetzt glaubte er. in der Lage da�u zu sein. Mitinnig-zufriedenem Ausdruck schleppte er die eigenen Ueber-reste auf dein kleinen Stück Land hin und her und hatte dieHände in allem. Mit dem Ausspinnen von Oedanken gaber sich nicht mehr ab: er hatte sie in Trotz umgesetzt und seinWerk durchgeführt, und nun sollte ihn keine Macht der Weltmehr dazu bringen, noch länger zu grübeln und sich seineFreude zu zerstören.Aber das war ebenso wie mit der Erde, die das Ganze! elber besorgte, nachdem im Frühjahr die Arbeit getan war.leber etwas war er immer noch verwundert— über seineeigene Person. Auf 21/� Tausend hatten die großenLeute da drüben sein Gebrechen taxiert, und war er nun nichtam Ziel seiner Wünsche angelangt?— Es mußte etwas inihm stecken, wofür er selber kein Maß hatte IUnd Hann kamen die andern und schoben nach. Daß erals der arme Mann, der er war. dem Schicksal Trotz gebotenund selber am Dasein mit zugegriffen hatte, verlieh ihm auchnach außen hin eine eigentümliche Schwerkraft. Seine Wortehatten Gewicht, selbst dann, wenn er hartnäckig schwieg:Janus Koller und die anderen Kameraden vom Steinbruchkamen zu ihm, um sich einen guten Rat zu holen, und gingenerfrischt fort— ohne daß er seinen Mund aufgetan hatte.Selbst der Großvater legte sich mit seiner Weisheit dem Hanszn Füßen.„Ja, Tu hast es fertiggebracht," sagte der Alte oft.„Wenn ich so tüchtig gewesen wäre wie Du, dann hätte ichvielleicht eine Summe für mein verlorenes Augenlicht be-kommen."„Ich selber Hab nichts dazu getan, sondern das Gesetz,"wandte der Sohn bescheiden ein.„Das Gesetz hat verlangt,daß ich das Geld kriegen sollte..., da waren die Großenwohl genötigt, mich hier aufzusuchen."„Wenn nun das Gesetz auch an mich denken sollte...."sagte der Alte grübelnd.„Dann kaufte ich Euch ein Pferd."„Dummes Gerede," fiel die Frau ein.„Dazu müßtensie wohl erst wissen, daß unser Großvater auf der Welt ist:aber davon haben wir gar nichts gemerkt. Aber über Hanswußten sie in jeder Hinsicht Bescheid. Womit mag er sich nurbemerklich gemacht haben?"Der Alte� schüttelte den Kopf— er begriff es nicht.„Denn Tu bist doch auch nur des alten Ole Sohn," sagte er.„Tie müssen schon gute Äugen haben drüben im Königsschloß,wenn sie die Not in den Felsen von Blaaholt sehen."„Die Wissenschaft macht es," erwiderte der.Sohn lang-sam...,„mit der kriegen sie alles zu sehen. Darum ist esam besten, vorsichtig mit den, Geld umzugeh'n, damit dieLeute nicht bereuen, was sie getan haben. Du könntest ruhigein bißchen mit dem Speck sparen, Mutter."„Ach, wenn ich Euch nicht mal ordentlich zu essen gebensoll, dann hätten wir ebensogut bleiben können, wo wirwaren," sagte Marie entschieden.„Und am Sonnabend gehich zur Stadt und kaufe Gardinen für die Fenster. Hübschwill ich's haben, und wenn ich auch auf die Höfe gehen undmir's selber verdienen muß."„Der feine Staat drüben in der Hauptstadt hat es ihrangetan," sagte Hans und warf ihr einen bewunderndenBlick zu.„Nächstens reißt sie uns die Hütte überm Kopfnieder und baut ein Schloß."Ter Großvater lachte.„Die Tür ist am Giebel," sagteer.„Also hat die Frau im Hause zu sagen."---So verging der Sommer, und der Herbst brachte einegute Ernte. Hans und der alte Ole fuhren das Ganze ohnefremde Hilfe ins Haus ein: wenn die beiden Invaliden sichfestfuhren, liefen die Kinder die Mutter holen, und mitroten Wangen kam sie angesprungen.„Ach. das schöne Korn!"rief sie.„Wenn wir bloß Platz für alles haben!"„Ja, die Erde ist ein guter Freund," sagte Hans.„Wennman sie nur ein bißchen streichelt, gibt sie einem ein Geschenk.Und nun wollen wir unsre Kinder nach Hause nehmen: wirhaben genug für Fremde gearbeitet."So verbrachten sie gemeinsam ihr Leben: so viel wie hierhatten sie nie zu tun gehabt, aber sie merkten es nicht. Selbstam längsten Tag des Tag des Jahres gelang es der Sonnenicht, sie im Bett zu überraschen. Jede neue Müde war einGlück mehr, jeder Griff in die Erde hinein war ja wie einLiebkosen der Hände. Was eigentlich geschehen war, verstandniemand von ihnen richtig: aber sie hatten keine Angst vordem Unbekannten mehr. Und der große Krüppel, der, wenner nur unter der Hüfte gestützt wurde, noch Kräfte wie einBär besaß, hatte immer noch keine Angst vor irgend etwasunter der Sonne; nur hegte er jetzt geheimen Respekt voretwas Unfaßbarem in seinem eignen Innern. Vielleicht wares das unerwartete Glück, mit dem er sich nie ganz vertrautmachen konnte.Aber, droben in den Felsen ist eine seltsame Sage vondem Glück daraus entstanden, das auch zu Armen kommenkann, aber die Gestalt des grauen Mannes annehmen muß.um zum Ziele zu gelangen.<Schluß.ZDie Kub.Von Friedrich Hebbe I.*)In seiner Wohnstube, die sehr niedrig und auch«tlvas räucherigwar, weil es dem Hause nach dem herkömmlichen Brauch desDorfes am Schornstein fehlte, saß der Bauer Andreas an dem nochvom Großvater herstammenden alten, eichenen Tisch und über-zählte vielleicht zum neunten Male ein kleines Hauflein Taler-scheine. Er hatte die Pfeife im Munde, und daran konnte mansehen, daß es Sonntag sei, da er sich die mit dem Rauchen verbundene kleine Zeit- und Geldverschwendung bei seiner knappen,ängstlich-genauen Natur an keinem anderen Tage erlaubt habenwürde; sie brannte aber nicht und war auch noch gar nicht angc-zündet gewesen, obgleich das Talglicht, wobei eS hatte geschehensollen, schon lange geflackert haben mußte. Um ihn herum, baldzum Vater auf die Bank kletternd und ihm ernsthaft zuschauend,bald den durch die offenstehende Tür aus und ein wandelndengravitätischen Haushahn jagend und neckend, spielte sein Kind, einmunteres, braunes Knäblein von zweieinhalb bis drei Jahren.„Den da," murmelte Andreas und hielt einen der Scheine� mitsichtlichem Behagen in die Höhe,„bekam ich für die Fuhre Sand,die ich dem Maurermeister Niklas in die Stadt lieferte, als eswie mit Mulden vom Himmel goß; ich kenne ihn an dem Riß.Ein braver Mann; ich hatte ihm einen Groschen wieder heraus-zugeben, aber er ließ mir den wegen meiner durchnähten Haut.Freilich, einen Schnaps habe ich nicht dafür getrunken, wie er wollte!Diesen hier," fuhr er fort,„habe ich am sauersten verdient, es istder mit dem großen Tintenfleck I Wer dem Apotheker einen ganzenFuttertrog voll Kamillen bringen will, der muß sich oft bücken, unddas ist nach dem Feierabend nicht bloß für die Faulen mühsam!"„Der zerfetzte und wieder zusammengeklebte," begann er nach einerPause von neuem,„ärgert mich jedesmal, wenn ich ihn ansehe,ich werde den Verdruß nicht los. Anderthalb hätten's sein sollen.wenn sie auch gerade nicht ausdrücklich zum voraus bedungenwaren. Drei Klafter Holz! Ins Bein hieb ich mich obendreinvor übergroßem Eifer, weil ich's den Leuten gern, ehe der Regen-gutz kam, in den Keller schaffen wollte! Und ein solcher Abzug!Dabei trägt die Frau goldene Ohrringe, und das Kind weiß nicht,ob es eine Semmel ohne Butter essen will oder nicht! Brüllt'snicht schon?" Er sprang auf und eilte ans Fenster.„Nichts da,"sagte er zurückkehrend,„das kam aus dem Stall des Nachbars!Nun, morgen wird aus dem meinigcn geantwortet werden! Na,Junge," hierbei klopfte er sein Knäblein aus die Wange und reichteihm eine dem Hahn entfallene bunte Feder,„noch heute erhaltenunsere beiden Esel Gesellschaft. Dein Vater hat's endlich so weitgebracht, die Kuh ist schon unterwegs! Du mußt das Pferd schassen,wenn Du groß wirst! Hörst Du?" Das Kind nickte, als ob esverstände, was es doch noch nicht verstehen konnte. Andreas setztesich wieder an den Tisch.„Freilich, fieilich," begann er abermals,indem er einen Zehntalerschein ergriff,„es würde noch eine guteWeile gedauert haben, Nwnn das Glück mich nicht begünstigt hätte!Ha, ha! Das war ein Fischfang, der sich der Mühe verlohnte, ob-gleich der Fisch nicht zu oen eßbaren gehörte. Ei, daß ich dochimmer, wie jenen Abend, von ungefähr darauf zukäme, wenn sicheiner ersäufen will, und die Rettungsprämie erwischt«! Ich bringejeden wieder ans Ufer, ärger kann sich keiner sträuben, als derLeinweber sich sträubte, er halte mich fast in den Grund des Teichesmit hinabgerissen! Noch fühl' ich seine Klauen in meinem linkenArm, und ernstlich hat er's gemeint, denn drei Tage nachher schnitter sich den Hals ab! Doch was gelingt unsereinem nicht, wennman weiß, daß einem eine Belohnung von zehn Talern gewiß ist!Lange währt's aber, es wird ja schon Nacht I Daß der Müllermeiner Geesche Bier und Brot vorgesetzt hat, kann ich mir nichtdenken! Dann müßte sein Profit größer sein, als ich glaubte, under hätte mich trotz aller Vorsicht angeführt! �ch will einmal vordie Tür gehen!" Andreas stand auf und tat letzt den ersten Zugaus der Pfeife.„Ja so." rief er aus,„du brennst noch nicht, undich meine, schon eine halbe Stunde zu schmauchen! Nun, umsonstwill ich dich nicht gestopft haben." Er nahm ein altes brüchige?Zeitungsblatt' vom Tisch, in das die Scheine eingewickelt gewesenwaren.„Jetzt brauche ich's nicht mehr," sprach er, indem er esbeim Licht anzündete,„noch heute geht das Geld aus dem Hause;denn der Müller kommt gewiß mit, ich tät'S an seiner Stelle auch!"Er steckte die Pfeife in den Brand rmb warf das Blatt an dieDieses Nacktstück ist ans dem Jahre 18�9.— Es ist mitanderen Erzählungen Hebbels abgedruckt in dem eben erschienenenReclambändchen 5S1Z.