Erde. Das Kind Hatte dem plötzlichen Aufflammen desselben mitleuchtenden Augen zugesehen, es rief.jetzt:„Ah!" und hob das Blattwieder auf.„Brenn Dich nicht I" sagte Andreas und ging hinaus.Es war völlig finster geworden, und der qualmige Nebel, der denTag über die Sonne verhüllt hatte, verhüllte jetzt die Sterne.„Wo sie nur bleibt I" murrte Andreas, sich mit dem Rücken ver-drießlich an den Türpfosten lehnend,„nun werd' ich bald unge-duldigl Ob sie aufs neue zu dingen angefangen hat? Glück zu,aber vor dem will ich den Hut abziehen, der da noch einen Groschenabzwackt, wo ich den Handel schlosil Ich könnte ihr entgegengehen;doch sie hat den Pflügerjungen ja bei sich, und dann ist hier auchdas Kind. Zwar, das könnt' ich zu Bett bringen!" Andreas gingwieder hinein.„Satan!" rief er aus und blieb einen Mom»nt mitweit aufgerissenem Munde und fast aus den Höhlen tretendenAugen auf der Schwelle der Stube stehen. Der Knabe kniete aufder Bank, die er erklettert hatte, und verbrannte beim Licht ebenmit Frohlocken den letzten Kassenschein; das Flackern des Zeitungs-blattes hatte ihm eine unendliche Freude gemacht, aber die Freudehatte nicht lange genug gedauert und um sie zu erneuern, tat eralles nach, was er vorher seinen Vater, aufmerksam und neugierigzu ihm emporschauend, hatte tun sehen.„Aul" schrie das Kindnach einer Weile, denn das als letztes zu lange festgehaltenePapier brannte es auf die Finger;„mehr!" setzte es hinzu, alses, das Auge nach der Tür wendend, den fast versteinertenAndreas erblickte. Dies Wörtchen weckte diesen aus seiner Er-starrung.„Mehr, Du Teufelsbrut?" rief er aus, stürzte auf seinSöhnchcn zu, faßte es, seiner selbst nicht mehr mächtig, bei denHaaren und schleuderte es ingrimmig�gegen die Wand, als ob eseine giftige Schlange wäre, deren Stich er eben gefühlt hätte.„Mehr!" sagte er dann,„noch mehr, viel mehr," und riß den amOfengestell hängenden neuen Strick herunter, mit dem er die Kuhhatte anbinden wollen, denn ein schneller, scheuer Blick zur Wandhinüber hatte ihm gezeigt, daß das Kind laut- und leblos mitgeborstenem Schädel und mit versprißtem Gehirn am Boden lag.Er tat einen Schritt vorwärts, aber die Beine wollten unter ihmbrechen, und er griff um sich herum in die Luft, wie nach einemGegenstand, an dem er sich halten könne; da ließ sich in geringerEntfernung von seineni Hause klar und deutlich das so langeersehnte Gebrüll vernehmen. Dies schien ihm die Kraft zu einemplötzlichen Entschluß zu geben; er rief:„Gute Nacht, Andreas!"und stürzte mit dem Strick auf den Hausflur hinaus. Hier standeine Leiter, die auf den Boden führte, von dem er schon am Mittageinen Haufen Stroh zum Streuen für die Kuh vorsorglich herab-geworfen hatte; diese Leiter eilte er so schnell hinauf, daß ihm seinHut, den er nach Baucrnsitle im Hause wie aus dem Felde trug,darüber entfiel. Nun verschwand er in der Luke und bald daraufknackt der Dachstuhl. Fast in demselben Augenblick wurde es lautvor der Tür.„Nun, Andreas, bist Du eingeschlafen?" rief eineweibliche Stimme,„das pflegst Du doch sonst nicht zu tun, eh'Du Deine Grütze im Leibe hast! Spring hinein, Hans, und weckihn!" Hans, ein nach Art der Mistgewächse lang aufgeschossener'spindeldürrer Junge, tat, wie ihm geheißen wurde, während Geeschedie Kuh festhielt. Gleich darauf kam er wieder heraus und stotterte:„Aber Frau, aber Fraui" ohne mehr hervorbringen zu können.„Was.ist's? Was gibt's?" rief Geesche, von seiner Leichenblässeund seinem Zähnegeklapper erschreckt, und stürzte»hinein. Hansgriff nach dem Licht und sagte:„Der Bauer ist nicht da," dannleuchtete er nach dem Ort hin, wo das Kind lag. Mit einem jähenSchrei sank die Mutter um und blieb bewußtlos liegen. Hansverlor die Besinnung nun völlig.„Bauer, Bauer, wo ist er? wobleibt er?" rief er wöhl hundertmal hintereinander und rannte,das Licht in der Hand, im ganzen Hause wie toll umher. Als eraus der Küche zurückkehrte, wo er ins Ofenloch hineingeleuchtethatte, stolperte er am Fuß der Leiter über Andreas' Hut, der dortniedergefallen war.„Hat er sich oben versteckt, Bauer?" rief Hans,„komm Er jetzt nur herunter, wir sind dal" Da keine Antworterfolgte, stieg er selbst, empor. Als er den Kopf in die Bodenlukesteckte und, eine neue Leitersprosse ersteigend, Hals und Schulternnachschob, stieß er auf Widerstand, der von etwas herrührte, dasihn anfangs zurückdrängen, sich dann zu spalten und auseinander-zuteilen schien. Der Angstschweiß brach ihm aus, ihn fing zusiebern an, und ohne zu wissen, daß er's tat, stieg er noch höher.Jetzt war es ihm, als ob sich ein schwerer Mensch, wie zum Reiten,auf seinen Nacken setzte, zwei steife Beine, in denen er an denbreiten Messingschnallen der Schuhe die seines Wirtes erkannte,kamen, wie Zinken einer Gabel, links und rechts auf seiner Brustzum Vorschein, und durch das eine derselben tvurde ihm das Lichtaus der Hand gestoßen. Nun stieß er noch einen unartikuliertenLaut aus, dann überschlug er sich rücklings, stürzte und brach dasGenick. Das Licht war nicht verloschen, ohne vorher den Haufenlosen Strohes zu entzünden, und in wenigen Minuten stand dasHaus in Flammen. Ob Geesche, als dies geschah, aus ihrer Be-wußtlosigkeit noch nicht wieder erwacht und willenlos in der aufsschnellste von Rauch und' Oualm gefüllten Stube erstickt war, oderob sie aus Verzweiflung über das fürchterliche Ende ihres Kindesverschmäht hatte, sich zu retten, hat sich nicht ermitteln lassen. Soviel steht fest, daß von ihr, wie von Andreas, Hans und demKnäblein nur ein verschrumpftes Gerippe aus dem Hause heraus-gekommen, und daß auch die Kuh, dem diesen armen Tieren an-geborenen unseligen Trieb folgend,' ins Feuer hineingelaufen undmit verbrannt ist.Um den Kunstausstellungen.(Eofftrer, Friedmann u. Weber, Kunstgewerbemuseum.)Bei Paul Eass'rer waren Bilder von E. O t h o»F r i e s z zu sehen. Sie gehören zu dem Besten, tvas wir bishervon dem jungen Franzosen des Expressionismus gezeigt bc»kamen. Sie lassen deutlich erkennen, wie diese Neuen, die mander Willkür beschuldete, Fortsetzer der großen französischen Tradi.tionen sind. Es steckt in diesem Friesz genau soviel von Monetund Renoir als von Poussin, Watteau und Cezanne. Zwei Ent-Wickelungslinien, die der sinnlich nervösen Zkatureroberung unddie der abstrakt monumentalen Bildorganisation, fanden sich nachdem Gesetz einer inneren Wahlverwandtschaft. Friesz hatte garnicht nötig, in der kleinen Selbstbiographie, die dem Katalog seinerAusstellung voransteht, diesen doppelten Weg seines innercirWerdens aufzudecken. Jedes seiner Bilder zeigt solche Mischungund zugleich deren Glück und Unabwendbarkeit. Es mußte ein»mal dahin komme», daß die sprühenoe Energie, mit der die Licht»äußerungcn und all die Beweglichkeit er Natur erobert wuroen,sich pathetisch zu einem Siegeschor hob; es mußte einmal auf dieFülle der Eindrücke die Sammlung, auf die lebendige Vielfarbig»keit des Augenblicks die Ruhe des Beharrens folgen. Dieser Vor-gang der Umwertung hat sich in der ganzen europäischen Malereigleichmäßig vollzogen; das beweist, daß er keine Willkür war. Essteht Menschentum dahinter, Sehnsucht und eine heiße Liebe zuder Großhcit alter Meister. Daher kommt es auch, daß in alldiesen Pathetikern der Form ein Zipfel des Akademischen zuspüren bleibt, und daß nicht minder etwas Nazarenisches, einTrieb zur Feierlichkeit, deutlich wirkt.Friesz malt im Norden und Süden Frankreichs, in der Nor-mandie und in der Provence; c: malt Häfen, die von Felsen um-spannt sind, zerklüftete Schluchten, in denen noch das Grollen vonVulkanen sich zu regen scheint, er malt Landschaften, beseelt vonder Süßigkeit arkadischer Spiele, malt Akte, in denen das Strömender Flüsse und das Atmen der Wiesen sich spiegelt. Mit wenigen,leicht in sich selber bclvegten Farbtönen, mit kraftvoll anhebendenund zu sich selber zurücklaufenden Rhythmen sucht Friesz j;ii>eRäumlichkeit aus der Natur zu sondern; er will nicht ein Stückder gemeinen Welt zeigen, vielmehr eine eigene, durch Einfach-heit starke und durch Konzentration eindringliche Welt gestalten.Dabei bleibt er jedem Schema, fern; die Sinnlichkeit des Blutestreibt ihn, was starr werden könnte, sommerhaft zu beleben.Wie sehr solche Sinnlichkeit über Sein und Nichtsein der Kunstentscheidet, lehren uns die neben Friesz hängenden Bilder vonAdolf Hölze l. Das ist ein Deutscher, dem das Dogma voiuStil zu einer Art kalter Leidenschaft wurde. Gr möchte die Weltin ein System zwingen. Das bestätigt uns sein Interpret. DoktorHans Hildel randt, der bei Cassirer eine reguläre Aesthetikauf Hölzels Zeichnungen aufbaute(glücklicherweise nur vierzigSeiten stark). Hildebrandt schreibt:„Hat Hölze! früher mit Vor»liebe das Dreieck zur bestimmenden Hauptform erhoben, so ziehter heute— bestärkt durch Beobachtungen an Werken altdeutscher,vor allem niederrheinischer Künstler und an Gemälden Grecos—die Ellipse vor. Entspricht sie doch auch am besten der Regel, daßim Flächeninncrn die Formen der„Sehbcwcgung" entsprechendkrcisähnlich anzuordnen sind." Solch ein Programm muß not-wendig die Kunst ertöten; vor lauter Dreiecken und Ellipsen siebtman keine Spur von Leben. Es gibt nichts Gefährlicheres füreinen Maler als die Philosophie.- Bei F r i e d m a n n u. Weber(Königgrätzcr Straße 8) sindGlasfcnster von Thorn Prikte r aufgebaut; sie lassenuns vieles vergessen, was dieser Salon in schlechter Disziplinierungnur allzuoft glaubt unternehmen zu müssen. Die Fenster desThorn Prikker bringen ihm unsere Absolution. Es ist Herr-lich, wie der glühende Rhythmus reiner Farbe aufbraust und mitunaufhaltsamem Wellenschlag seine Musik ins Grenzenlose strömenmacht. Die Glasmalerei war durch viele Jahre dahin entartet,daß sie versuchte, das Tafelbild nachzuahmen. Man malte rcgcl»recht mit dem Pinsel und meinte, weil der Bildträger zufälligGlas war, Glasmalerei zu leisten. Man dachte nicht daran, daßjedes Pigment die Durchsichtigkeit der Scheibe trüben müsse; manhatte vergessen, daß die unvergleichlichen Glasmalereien in denalten Kirchen und Rathäusern zu allen klassischen Zeiten ausbunten Gläsern mosaikartig zusamwengesetzt worden waren, unddaß dabei dem Pinsel nur der Auftrag von Schwarzlot zur Diffe-renzierung der Durchsichtigkeit gestattet tvurde. Die Alten maltennicht auf dem Glas, sondern mit dem Glas; auch wenn sie lieber-fanggläser ätzte» oder Silbergelb aufschmolzen, so gehorchten siestets dem Gesetz der Glastechnik. Sie bauten aus Gläsern mit:architektonischem Instinkt einen Teppich und nutzten dabei dieBleiruten als logisches, den Rhythmus leitendes Gerüst, solchesHandtverk hat uns Gottfried Heinersdorff wiederer-obert und hat es außerdem verstanden, starke Künstler zu de-geistern, daß sie ihm Planungen für solche gläserne Architektonikersannen. So hat er mit Pechstein. Peter Behrens, Endell ge-arbeitet und hat nun den Thorn Prikker gewonnen. Dieser istein Mystiker, der aus Holland kam, ein knorriger Phantast, eir«träumender Mathematiker. Er ist einer von jenen eigenwilligenHelden, in denen das gotische Element als deutsche Innerlichkeitwieder zum Ausbruch kommt. Ein erster Blick auf seine Fensterbefremdet vielleicht, verwirrt vielleicht; man sieht die mächtigen