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vorbei mußte, zu mir gesagt: Berlier nur den Weg, Weise geheimnisvoll verriegelt und zugleich ganz offen. Ihr

leberzahn!"

Alles, was die Diamanten angeht, ist auf eine merkwürdige Mit leidlich gutem Rat machte ich mich über Wagners des Goldes. Man spricht von ihnen viel weniger, und doch bringt Markt ist ruhiger, obwohl ihr Preis viel stärker schwankt, als der Baumgarten und über die hartgefrorenen Wiesen hinweg ihre Gewinnung Ueberraschungen und Glücksfälle, die die Goldmine nach dem Känzelifußweg hinaus. Aber kaum daß die letzen nicht tennt. Wie eine Festung wird die Mine geschüßt, niemand Häuser um Rufweite hinter mir lagen, kam es wie eine fann heraus, aber im Innern ist alles offen, türenlos die Batterien, Rähmung über mich, die Füße wollten mir am Boden feft- windig, fensterreich, durchscheinend. Herr, führe mich in Vers fleben. Wo wollte ich denn hin? Das Lächerliche meiner suchung! Theoretisch kann hier feiner stehlen, aber jeder zehnte romantischen Pläne von vorhin kam mir voll zum Bewußt­sein. Hatte nicht der Wagner Jochem schon hundertmal mit der schweren Kreuzhane und mit dem Hebeisen im Gemäuer des Limpergs gewühlt und gestochert und dabei nirgends die Kleinste Riße oder Lücke aufgedeckt?

Langsam schritt ich den sanftansteigenden Wiesenpfad hinan; zögernd bog ich in die Straße ein. Nun am Ende fonnte ich es ja auch anderswie versuchen. Um halb drei Uhr war ich schon in Trib, wenn ich mich etwas beeilte. Es war mir ein Leichtes, vor Nacht bis Nehrbach, ja bis über Mettmen hinaufzukommen. Sollten sich denn nicht irgendwo zwei alte Reutchen finden, die mich an Kindesstatt aufnahmen, wie den Sebaldus Engelhart in der Geschichte vom Schazkästlein? Auf dem Känzeli blies ein scharfer Wind, der schien un­mittelbar von den fernen Schneegebirgen herüberzukommen, die mit ihren Spißen über den dunkelbewaldeten Trüberberg falt hereinragten. Die Dörfer in der Talsohle lagen in winterlicher Unfreundlichkeit da. Ueber die Dächer der neuen winzigen Arbeiterhäuschen wälzten sich dicke, schwarzgraue Rauchwolfen hin, die einem der hohen Fabrikkamine in scheinbar immer schwereren Massen entquollen. Ein Eisen­bahnzug feuchte talauf, langfam, wie eine riesige braune Schnecke, die den ausgestoßenen Atem als ein häßliches An­hängsel mit sich schleppt. Jetzt hielt er beim Nehrbacher Güter­schuppen still, um einen andern Wagenzug, der auf glattem Gleise hochmütig und mühelos abwärts rollte, mit bösem Zischen an sich vorbei zu lassen.

Wo stand nun wohl das zwischen Bäumen versteckte Haus, wo waren die zwei alten Leute Friedbert und Regina daheim, die den Sebaldus Engelhart aufnehmen würden?... Mit liebloser Härte fiel mir eine Erkenntnis aufs Herz: das Leben trägt ein ganz anderes Antlitz als das, womit es uns aus schönen Büchern ansieht.

Es fröstelte mich. Ich wandte mich seitwärts nach der Ruine hinüber und freute mich, in dem Gemäuer einigen Schutz vor dem rauhen Winde zu finden. In der schwachen Hoffnung, es könnte vielleicht doch irgendein Wunder ge­schehen, wälzte ich da und dort einen Stein von seiner Stelle, fand es aber ganz selbstverständlich, daß nichts dabei herauskam.

Da bemerkte ich auf einem der noch stehenden Mauerreste einen mit Rotfreide gezogenen Kreis mit einem kleinen Brett­ftiid als 3wed" in der Mitte. Wir hatten uns im ver­gangenen Sommer einmal da oben im Armbrustschießen geübt.

( Fortfcgung folgt.)

Die Goldstadt.

Bon Emil Ludwig  . II.

Die Diamanten eft ung. Schwarzer Qualm, plöblich der hügeligen Steppe entsteigend, zeigt an: hier kämpft Mensch und Erde um Diamanten. Station Cullinan, zwei Stunden hinter Prätoria. Kaum hat der Wagen die Station verlassen, so passiert er ein ungeheures Stacheldraht­gitter, nach wenigen Minuten ein zweites, zwischen beiden gehen weiße Wachen auf und nieder. Jedesmal öffnet der bewaffnete Bosten ein schweres Eisentor. Als es sich zum dritten Male hinter uns schließt, find wir in der Festung.

Das ist die Premier- Mine. Seit Jahrzehnten wußte man, daß hier aus einem schmalen Fluß die Kinder der Kaffern zuweilen bliktende Steinchen fischten, um damit zu spielen. Aber man hielt diese Diamanten für alluvial. Bor zehn Jahren tam ein Bauspekulant, jah sich die Gegend an und sagte sich, mit dem Blide des begabten Laien: Das ist fein Alluvium, dort liegt ein Talfeffel, fo und so geformt: wahrscheinlich löst das Wasser die Steine aus dem Felsen ab. Er machte ein paar Proben, fand Steine, und jetzt ist er Chairman( Präsident) der größten Diamantenmine der Welt, die fünfzehntausend Kaffern und tausend Weiße beschäftigt und deren Reichtum für unermeßlich gilt. Sir Tomas Cullinan. Nach ihm heißt der größte Diamant der Welt. Man ist versucht, einen so lugen Finder Genie zu nennen.

Mann ist ein Detektiv und jeder dreißigste ist Detektiv des De­tettivs. Jeder Beamte weiß fich in seinen privaten Ausgaben geheim überwacht. In jedem Kontraft, selbst mit den höchsten Be­amten, ist Kündigung auf 24 Stunden vorgesehen. Sie erfolgt ohne Grund, man ist verdächtig. Hunderte von gestohlenen Dia­manten werden von dunklen Händen zu elenden Preisen verkauft, aber niemand kann sagen, daß ein Stein fehlt. Alles ist offen. Beim inneren Tore standen hundert neue Arbeiter im Kreise um einen, der ihnen in ihrer Sprache die Bedingungen erklärte. Noch sind sie nicht verdungen. Sie tragen noch ihre Tracht; Neger aus dem Portugiesischen, aus Betschuanaland, Matabeles  , die die Kompanie durch eigene Agenten aus dem Innern herbringt. Manche tragen ganz hohe Strohhüte, andere gestridte Müßen, viele malerische Decken, denn jetzt frieren sie. Nun treten sie an einen Tisch und verpflichten sich durch Handzeichen auf einem Papier für sechs oder für zwölf Monate. Wir treten mit ihnen ein. Nun sind sie die Gefangenen der Festung. Vor Ablauf ihrer Beit können sie den Fuß nicht aus der Festung setzen. Aber es fann auch kein Weißer und fein Schwarzer ohne besonderen Baz hinein, nur die Chiefs( Häuptlinge) dürfen ihre Untertanen be suchen, und die Verwaltung weiß, warum fie diese Mächtigen mit vielen Ehren empfängt.

Die Neger scheinen glüdlich, nichts ist ihnen verboten, denn hier können sie weder Waffen, noch Frauen, noch Alkohol erreichen. Es gibt also weder Trunkenheit noch gefährlichen Streit. In Höfen und Hallen sehe ich, wie sie sich frei von selbst nach Stäm= men ordnen, wie ihnen Fleischer und Bäcker bieten, was sie brauchen. In Decen gehüllt, liegen in den Schlafsälen ein paar Sundert, die Nachtschicht hatten. Wollen sie selber fochen, finden fie Küchen. Sie verdienen, da sie Qualitätsarbeit leisten, viel mehr als in den Goldminen. Sie können bis 300 M. monatlich kommen. Jit ihre Zeit um, so werden sie noch zwei Tage behalten, um jede noch so natürliche Art des Diebstahls auszuschließen. Nun be­fommen sie auch ihre Kleider wieder, die sie mit einem Bergmanns­fittel vertauschen mußten. Dann gehen sie in die Heimat, dann faufen fie eine Frau oder zwei. Häufig fommen sie wieder. Nirgends in Afrika   sah ich eine so beißend fluge Organisation wie diese. Rhodes hat sie erfunden.( Der weiße Miner verdient viel weniger als beim Gold, denn da es keine Arbeit unter Tage gibt, gibt es keine Phthisis, nur an Erkältungen gehen manche ein, denn nachts ist es im Winter kalt und gegen Regen gibt es feinen Schub. Alles ist offen.)

tünstlicher Krater, jetzt schon an hundert Meter tief, wo rings ein Wir fahren zu dem großen Loch. Das ist die Mine: Ein Block von blauem Gestein nach dem andern langsam aus dem um­lagernden roten Gestein gesprengt wird, Fels um Fels, immer tiefer. Der blue- stone( blaue Stein) ist es, der Diamanten führt. Es ist ein alter Krater, die Reste einer Eruption, die vor Jahr­tausenden aus zischendem Gischte stumpfblau das Gestein empor­geworfen.

Drinnen, unten, wimmeln die Tausende, wie in einem Ter­mitenbau. Es ist, als sähe man eine Kohlen- oder Goldmine im Querschnitt. Hunderte stehen auf dem Grund an den Spreng­löchern und bohren, Tausende. Reihen von fünfzig, von zwei­hundert Wagen folgen einander auf dem Grunde des Loches, auf Gleifen, erreichen eine schiefe Bahn, die nach oben führt, werden über die Fläche gezogen, rollen weiter, schleppen das abgesprengte Gestein in die Mörser, in die Batterien. Mit einem Blick über­sieht man von obern Rande des Abgrundes das ganze System, wie vor einem Modell. Denn alles ist offen.

Die Sonne brennt in den Krater hinab, sie steht senkrecht. Plötzlich beginnt es zu läuten. Mitten aus dem Krater ragt noch ein Fels, der rot ist, also als wertlos stehen blieb. Auf ihm steht eine Zelle aus Blech, feft verschlossen; aus dieser Zelle läutet die Gloce her. Dort fißt der Glücklichste von den Zehntausend, ein Junge, der nichts tut, als alle sechs Stunden läuten. Das be­deutet: es wird gesprengt.

Wir werden auf einen Hügel geführt, hundert Meter zurück. Lange Züge winziger Menschen ziehen sich aus dem Krater nach der Peripherie zurück. Manche flettern trotz des Verbotes schneller die Felsen empor, andere ersteigen Treppen, Stufen im Fels. Sie gehen ruhig. Sie sind es gewohnt. Die Glocke läutet.

Da löst sich im Krater bläulich eine leise Rauchwolke los. Wag­recht schleicht sie entlang, lautlos. Langsam weichen noch immer die Züge zum Rande. Sie fürchten nichts, sie wissen ihre Ver­stecke. Es läutet ohne Pause. Jezt löst sich vom anderen Ende unten eine zweite Säule ab, wieder wächst fie horizontal. Wie dort die letzten Menschen verschwinden, man fragt sich, wohin. Nun folgen zwanzig Säulen zugleich, nun fünfzig, nun zwei­hundert. Von allen Seiten füllt sich der Krater mit wagrecht schleichendem Dampfe. Es wächst die dämonische Macht, unheim­lich, lautlos. Nur aus der Mitte, nur vom roten Felsen läutet die Glocke. Mir ist, als fähe ich einen Blinden an furchtbaren Gründen