Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Sr. 81.

20]

Sonnabend den 26. April.

Die Bauern von Steig.

Roman von Alfred Huggenberger . Die Base Käther, deren Krankheit glücklicherweise eine Wendung zum Besseren genommen hatte, kam nun jede zweite Woche einmal ins Dorf- herab und vergaß nie, bei uns einzukehren. Sie freute sich, daß es mir so wohl ging und daß der Zeigerhaniß so gut mit mir zufrieden war. Jedes­mal durfte ich sie noch ein wenig durch den Wald hinauf be­gleiten, wobei sie mir verständig zuredete und mir mancherlei liebe Verheißungen gab. Zum Beispiel, daß ihr Sparheft mit dem heimlich erracerten und erschundenen Kleingeld wohl später doch einmal ausreichen werde, um der Armen­pflege alles zurückzubezahlen, was ich gekostet habe. So be­komme ich dann sauberen Tisch und es könne mir später fein Mensch etwas vorhalten. Und sie werde mir auch sonst in manchem helfen können, wenn sie das Leben habe.

Ganz unverhofft tat mir auch der Wäldihof nach langen Jahren wieder einmal feine gaftliche Türe auf, und zu meiner großen Verwunderung war es der Götti felber, von dem die Einladung ausging. Ich war an einem heißen Sommernachmittag auf dem Waidacker mit Rübenjäten be­schäftigt, als er hemdärmelig, den schweren Rock am Arm tragend, mit rotem, verschwißtem Gesicht den Fußweg herab und an mir vorbeifam. Er stand bei mir still und fragte Teutselig, wie es mir gehe und warum ich nicht schon lang einmal habe sehen wollen, was auch der Götti und die Base Räther machten? Dabei rieb er sich beständig mit dem roten Schnupftuch den Schweiß aus den verfniffenen Augen. Er fam auch auf die Arbeit, die ich machte, zu reden und meinte in ziemlich abschäßigem Tone, das sei eine Weiberarbeit, bei ihm auf dem großen Wäldi gäbe es für so einen wohl­gewachsenen Dienstbuben andere Beschäftigung. Sowieso sei es auf einem anständigen Hofe furzweiliger zu schaffen, als auf so einem Zaunergütli. Bei ihm werde mit der Pferd­hade gefahren; und mit einem Roß Klee einzuführen, sei allweg auch furzweiliger, als mit dem Stoßfarren. Nun, es sei ja recht, wenn ich es bei der Schinderei aushalte, das sei ein Zeichen von Geduld.

1913

sei; oder dann war Frieda eines Abends vor dem Heimgehen noch zu Noldi in die Futtertenne hineingegangen, warum wisse er nicht... Eineweg mache der Noldi immer ein Ge­ficht wie ein Laubfäfer, wenn er die Frieda ansehe. Und ein­mal beim Vesperessen auf dem Nächstacker habe er seine Klobenfinger ertra auf ihre Hand gelegt und sie habe nicht dergleichen getan, als ob sie es merke. Er, Schors, habe natürlich nebenaus gesehen, aber er sei halt in solchen Sachen nicht von Simpelfingen und wisse schon die längste Zeit, wo der Storch über den Winter daheim sei.

Ich machte mir eine ernsthafte und unendliche Arbeit daraus, auf Frieda und Noldi acht zu geben und ihr Tun mit Argusaugen zu überwachen; besonders da der Noldi nach und nach immer öfter in unser Haus kam, während er daneben, wie mir Schors Schwengler jagte, bei jeder Gelegenheit auch mit der Steffen- Julie schön tat.

Friedas Eltern schienen ihrerseits blind zu sein, was mich oft in wirklichen Zorn brachte. Tag und Nacht studierte ich daran herum, wie ich sie am wirksamsten vor der drohenden Gefahr warnen könnte; aber nie wagte ich ein Sterbens­wörtchen laut werden zu lassen aus Furcht, Frieda fönnte es mir übelnehmen.

Nicht am wenigsten ärgerte ich mich, wenn ich für die jungen Leute den heimlichen Botergänger und Liebesbrief­träger spielen mußte. Frieda machte sich ein besonderes Ver­gnügen daraus, mir hin und wieder abends ein verklebtes Bettelchen für Mettauers zu übergeben mit der Zumutung, den Bericht ja niemand anderem als Noldi selber aus­zuhändigen.

Ich empfing und besorgte diese Aufträge immer mit in­grimmigem Schweigen, brachte auch die Antwort jeweilen mit ähnlichem innerem Behagen, aber immer unverlegt in Friedas Hände zurück und wurde auf diese Weise der zu­berlässige Vertraute und scheinbare Verbündete der beiden. Frieda schien ganz genau zu wissen, wie es um mich stand und daß sie ganz nach Belieben über mich verfügen konnte. Sie hatte manchmal ein ganz sonderbares Lächeln um die Lippen, wenn sie mir wieder etwas auftrug. Aber ich brachte es nicht ein einziges Mal übers Herz, den im Zorn gefaßten Beschluß auszuführen und eines der Brieflein in die un­rechten Hände abzugeben.

Als er weg war, machte ich mir noch lange meine Ge­danken. Besonders das wegen dem Pferd hatte mir sehr Die beiden trieben es nach und nach für meine Begriffe eingeleuchtet. Was wohl Frieda dazu sagen würde?... etwas arg, sie gingen sich, wie man sagt, nicht mehr aus dem Der Götti ließ es sich nun nachdrücklich daran gelegen Wege. Als Frieda einmal in den abgelegenen Beislerreben sein, meiner Arbeitskraft nachzustellen und mich vom Beiger- Schosse aufheftete, während ich nebenan mit der Hacke schaffte, haniß wegzuloden. Doch seine Mühe war nicht mit Erfolg fam der Torbrunner- Noldi an den Reben vorbei, ganz zu­gefrönt, denn an der Base Käther hatte er eine zähe und ent- fällig, wie er behauptete, obschon ich mich daran erinnerte, schlossene Widersacherin, die heimlich alle feine Anschläge geschickt durchkreuzte. So gern sie mich auf dem Wäldi baben möchte, so etwas gehe nicht an, sagte sie bestimmt. Schon allein das gebe nicht an, einen halbwüchigen Knaben neben das Gefindel von herabgekommenen und versoffenen Leuten zu tun, wie sie der Götti in der Herberge und von der Straße auflese, nur weil er meine, mit solchen Kreaturen um ein paar Rappen billiger zu fahren.

So blieb ich zum Glück, wo ich war, und nicht zulett mein heimliches Wohlgefallen an Frieda war schuld, daß ich mich innerlich hierüber freute. Denn mit einem Roß über Hof und Feld, ja vielleicht einmal durchs Dorf zu futschieren, das wäre halt doch auch etwas gewesen!

Ich kann nicht sagen, daß sich Frieda besondere Mühe ge­geben hätte, mir meine Sorgen um ihre Zukunft zu erleichtern oder abzunehmen. Es kam mir geradezu unverständlich vor, daß sie den schüchternen Winterhalder nach wie vor mißachtete und sich sogar über ihn lustig machte, während sie im Gegen­teil an Noldi förmlich den Narren gefressen zu haben schien und mit sichtlichem Vergnügen so oft als möglich zu Mettauers taglöhnen ging. Schors Schwengeler, der damals etwa auf dem Torbrunnenhofe als Ackerbub aushelfen mußte, hinter­brachte mir mit vielsagendem Augenzwinkern allerlei Klatsche­reien, von denen ich ihm zwar nicht die Hälfte glaubte, die mir aber heimlich doch viel zu schaffen machten. Das eine Mal wollte er bemerkt haben, wie der Noldi eine halbe Stunde lang seelenallein bei der Frieda in der Waschküche gestanden and wie es eine Weile ganz mäuschenstill drinnen gewesen

daß ich ihm ebenso zufällig gestern abend ein Brieflein hatte überbringen müssen. Nun bemerkte Frieda zufällig, daß sie zu wenig Bindstroh bei sich hatte, und schickte mich fast eine halbe Stunde weit heim, um einige Bündchen zu holen. Zur Vorsicht zählte ich vor dem Weggehen mit den Augen die auf­gehefteten Rebenzeilen und konnte bei der Rückkehr zu meiner Genugtuung feststellen, daß sie in der Zwischenzeit nur um drei Reben weitergekommen war.

Am gleichen Abend kam der Noldi noch in irgendeiner Angelegenheit zum Zeigerhaniß hinauf und trant ganz harmlos Most in der Stube. Da ihn Frieda jedesmal hinaus zu begleiten pflegte, versteckte ich mich rechtzeitig hinter Steinlis Scheuerbirnbaum, um die beiden einmal richtig belauschen und dann alles an den Tag bringen zu können. Ich mußte mehr als eine Stunde warten. Als sie endlich herausfamen, hatte mich der toldi sogleich bemerkt. Er sagte mit königlicher Gelassenheit: Geh nur hinein, Gideon, die Scheuerbirnen fallen noch nicht, und Du frierst ja barfuß dort im nassen Gras." Frieda glaubte noch hinzufügen zu müssen, daß sie und der Noldi gar kein bißchen Angst hätten allein, es sei ihnen noch nie etwas passiert.

Am anderen Morgen sprach mir der Zeigerhaniß beim Aleeholen in besorgter Weise zu, ich solle dann allenfalls das wegen dem Arnold und der Frieda, wenn ich etwas gemerkt habe, für mich behalten. Es gehe jetzt vorläufig, bis es ganz sicher sei, noch niemanden etwas an.

Am Sonntag darauf begegnete mir der Noldi auf dem Wege zur Kinderlehre. Er gab mir auf der Straße neben