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das nie, wie sie am Tische saß, aufrecht, und doch vom Leben[ Während Wilhelm Foerster  , der damals noch bei Hofe in An­gleichsam getötet und niedergeworfen.

Nun sah sie sich mit einem lieben Lächeln nach mir um. ,, Geh, gelt", sagte sie einfach und ich gehorchte augenblicklich. Nachher, während ich in Stall und Scheune schaffend ab­und zuging, stritten sich Traurigkeit und Zorn um die Herr­schaft in meinem Herzen. Obschon ich mir dabei selber lächer­lich vorkam, holte ich das Zweifrankenstück, das mir der Mettauer- Noldi einmal geschenkt hatte, aus seinem Verwahr­sam und ließ es, indem ich vor der Stalltüre einen Laden hob, in den Jauchekasten hinabfallen.

Der Beigerhaniß fam erst heim, als wir beim Nacht­essen saßen; Frau Esther und ich waren allein in der Stube. Er trug den steifen Hut ein wenig im Genic, war aber noch ziemlich aufrecht. Ob im Stall alles in Ordnung fei, fragte er. Er ließ es sich nicht nehmen, noch selber mit der Laterne in der Hand nachzusehen.

Nachher nahm er seinen Plaz am Tische ein und saß eine Weile schweigend, immer noch den Hut auf dem Kopfe.

" Der Grundhöfler in Gehren   ist scheints gestorben", fagte er nach einer Weile ganz nebenbei. Es steht in der Beitung bort. Er ist achtundfünfzig gewesen."

Endlich, nach langer Bause kam er auf das andere zu

reden:

Also von mir aus geschieht dann nichts. Ich mag nicht zu einem hinlaufen und sagen, er soll mir so eine Sorte Geld ins Haus schicken. Und anhalten und bitte bätte machen mag ich erst recht nicht. Er weiß ja, wo wir daheim sind. Er hat es bis jeßt auch gewußt."

Plötzlich verlor er für einen Augenblick die Haltung. Er hob die geballte Faust und sagte mit Ingrimm: Lieber möchte ich so einem die Zähne in den Rachen hinabstoßen! Und nachher an der Brunnenröhre vor seinem Fenster die Hände waschen!"

,, So bist Du also gar nicht in Obernehrbach gewesen?" fragte Frau Esther nach einer ungemütlichen Pause.

Er schüttelte gelassen verneinend den Kopf. Darauf schenkte er sich Milch und Kaffee ein und löffelte gewohn­heitsmäßig.

Beim Kreil habe ich dann allenfalls angeklopft," be­richtete er zwischen hinein. Ich hab ihm mein Gütlein ange­tragen. Am nächsten Montag will er die Schabung machen." Frau Esther sah ihn steif an, die Lippen aufeinanderge­preßt, während er mit erzwungenem Gleichmut weiterfuhr: Ans Schämen kann ich mich nicht gewöhnen, an einem Ort, wo mich alles kennt. Und auch wegen dem an­deren, die Unehelichen sind nicht Mode auf der Steig." ( Fortfegung folgt.)

25 Jabre Bildungsarbeit.

In diesen Tagen feiert in Berlin   ein Institut fein 25jähriges Bestehen, das in erster Linie den Berlinern zugute kommt, aber auch weit außerhalb der Grenzen der Reichshauptstadt gewirkt und Schule gemacht hat. Wer kennt im Reiche nicht die Urania? hat sie doch eine Fülle gleichartiger Bestrebungen in allen Städten des Landes hervorgerufen, hat sie doch zur Gründung eines ähnlichen Instituts in Wien   Anlaß gegeben. Und auch sonst ist eine Menge Anregung von diesem Institut in das Land hinausgegangen, die dem Aufschwung der Naturwissenschaften unzweifelhaft gedient hat. Eine Denkschrift orientiert über die Geschichte des Instituts, freilich nicht erschöpfend.

sehen stand, und Werner Siemens  , der Altmeister der Elektrotechnik, die offiziellen Kreise für die Uraniaidee gewannen, propagierte Meyer in Wort und Schrift seinen Gedanken, und den bereinten Anstrengungen dieser Männer und anderer Freunde der Naturwissenschaft gelang es, vom preußischen Staate den Grund und Boden für ein Gebäude kostenfrei zu erhalten; so entstand das alte Institut im Kgl. Landesausstellungspark in der Invaliden­straße.

Mitte 1889 trat die Urania ins Leben und entfaltete in ihrer Eigenart eine außerordentlich rege und segensreiche Tätigkeit. Bum ersten Male wurde dem Publikum eine Sternwarte mit einem großen Fernrohr, damals dem größten in Preußen, geöffnet, so daß jeder Besucher mit eigenen Augen die Wunder der Sternenwelt schauen konnte und sich nicht mit den rätselhaften Bildern zu be= gnügen brauchte, die er in astronomischen Werken fand. Die Sternwarte war der eigentliche Grundstod der Urania  . Da sie aber zu sehr den Launen des Wetters unterworfen war, mußte die Urania  , die auf Einnahmen aus Eintrittsgeldern angewiesen ist, noch anderes bieten. Und sie bot mehr. Der Physiker der Berliner  Kgl. Sternwarte  , Dr. Goldstein, ersann ein System, das die Physik und die Chemie dem Publikum besonders nahe führen mußte. Er stellte eine Reihe Apparate, die grundlegende Erschei­nungen demonstrierten, so auf, daß jeder Besucher in einfachster Weise, z. B. durch Druck auf einen Knopf oder durch Einstellung eines Hebels, so lange und so oft daran experimentieren fonnte, wie es zum Verständnis nötig war. An der Hand präzis gefaßter und doch gemeinverständlicher gedrudter Erläuterungen und flarer Gebrauchsanweisungen konnte jeder sich von den Dingen über­zeugen, die er kennen lernen wollte. Auch diese Methode Hat Schule gemacht und wird jezt überall bei Ausstellungen befolgt, wenn auch nicht immer gleich gut. So gewannen die sonst toten Ausstellungs­buch" wie Prof. Donath treffend sagte und gaben dem Be­säle inneres Leben, denn sie bildeten ein lebendiges Physiklehr­fucher reiche Anregung und Stoff zum Nachdenken mit nach Hause. So viel das aber auch war, reichte es doch nicht aus, um das Publikum, das damals naturwissenschaftlich noch nicht so interessiert war wie heute, zu fesseln. Und wieder war es etwas ganz Neues, was die Urania bot, nämlich das naturwissenschaft­liche Theater, eine der ureigensten Schöpfungen Meyers, der zum Direktor des ganzen Institute gewählt war. Hier wurden alle physikalischen Mittel und alle Mittel der Bühnentechnik in den Dienst gestellt, um dem Publikum an der Hand eines formschönen Vortrages mit Hilfe von Wandelbildern usw. eine Darstellung von Naturvorgängen zu geben, wie sie sonst unmöglich war. Solange Meyer Direktor der Urania war, verfaßte er alle naturwissenschaft­lichen Theaterstücke selbst, und seine ersten Werke dieser Art: Bon der Erde bis zum Monde", die bühnenmäßige Darstellung einer Reise durch den Weltraum," Die Geschichte der Urwelt"," Das Ant­liz der Erde  " usw. erregten ungeheures Aufsehen in der ganzen Welt und gewannen dem Institut wohl die meisten Freunde. So wirkte die Urania, bis die große Entdeckung Röntgens durch Vorträge darüber dem Institut reichere Einnahmen brachte und der Plan, es mehr in das Stadtinnere zu verlegen, zur Ausführung fommen fonnte. 1896 siedelte es nach der Taubenstraße über, nur noch die Sternwarte und einige Kleinigkeiten in den alten Räumen belassend.

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Wenige Jahre nach dieser Uebersiedelung kam der latente Zwist des Direttors Meyer mit einigen einflußreichen Geldgebern zum offenen Ausbruch, der mit der Enthebung Meyers von seinem Amte endete. Dieses bedauerliche Vorkommnis, an dem Meyer durchaus nicht ohne Schuld war, wirkte aber auch auf das Institut ein. Es verlor die eigentliche Seele und wirkt nun in den alten Formen weiter, nichts Neues schaffend, nur zögernd die neuen Er­rungenschaften in seinen Dienst stellend. Erst sehr spät bequemte sich z. B. die Urania   dazu, die Kinematographie in den Dienst ihrer Darbietungen zu stellen. Kientopp auf Kientopp erstand und rund herum feierte der Film Orgien. Aber die Urania hielt sich fürnehm zurück. Erst die bitterböse Konkurrenz zwang fie in die Zeitge schichte hinein. Unter Meyers Leitung wäre das unmöglich ge­wesen. Aber jetzt ist der wissenschaftliche Leiter ein weltfremder Gelehrter, dem man in seinem und der Urania Interesse schleu­nigst eine Professur für Astronomie geben sollte.

Den Glanzpunkt des Instituts bilden heute die Vorträge des Physikers Prof. Dr. Donath. Der Referent hat mit Ausnahme von Slabys Vortrgen nie naturwissenschaftliche oder technische Vor­träge gehört, die mit gleicher wissenschaftlicher Eindringlichkeit und experimenteller Eleganz den Stoff darzustellen wiffen.

Wir haben aus der Ansprache des hochverdienten Professors Wilhelm Foerster   gehört, daß die Urania  - Idee auf einen Mann zurückgeht, dessen Autorität es bewirkte, daß sie eine schnelle Ver­wirklichung fand, nämlich auf Alexander von Humboldt  . Nach seinen großen Reisen entstanden die Vorträge in der Sing­akademie, aus denen später sein großes universelles Werk Kosmos" hervorging. Humboldt   erwirkte auch die Gründung einer neuen Sternwarte, die an zwei Wochentagen dem Bublifum geöffnet war. Die eigentliche Urania- Gründung aber wurde durch einen Mann Auch in der wissenschaftlichen Welt hat sich die Urania einen betrieben, dessen Andenken in der Urania reichlich stark in den Namen durch die Arbeiten erworben, die in seinen Räumen ge= Hintergrund getreten war und erft jest wieder anläßlich des Ju- leistet wurden. Dr. Witt, der damalige Leiter der Sternwarte biläums einige Erwähnung fand: durch den rühmlichst bekannten der Urania hatte unter Aufwand eigener Geldmittel jahrelang und beliebten populärwissenschaftlichen Schriftsteller Dr. M. Wil- in der uneigennützigsten, opferfreudigsten Weise die Pla helm Meyer. Er war es, der schon durch den musischen Namen netenphotographie betrieben. Er hatte das Glück, 1898 den kleinen Urania den Bestrebungen zur Begründung eines volkstümlichen Planeten Gros zu entdecken, denjenigen Himmelskörper, der nächst naturwissenschaftlichen Instituts einen Charakter gab, der allein dem Monde der Erde am nächsten kommen kann und dessen Bahn Aussichten bot, sich durchzusehen. Und Meyer allein war der Mann, zum größten Teil zwischen der Mars- und der Erdbahn liegt. dem weitumfassende naturwissenschaftliche Bildung und künstle- Durch diese Entdeckung ließ sich die astronomische Grundeinheit risches Ausdrucksvermögen zugleich in dem Grade eigneten, daß er( AE), die Entfernung Sonne- Erde, mit einer Genauigkeit be­das Publikum, das meist erst noch für die neuen Errungenschaften stimmen, wie sie die alte Methode der seltenen Venusdurchgänge zu gewinnen war, durch seinen uneindämmbaren Enthusiasmus nicht erlaubt. und den Schwung seiner Sprache mit sich zu reißen vermochte.

Das alte Institut ging vor einer Reihe von Jahren in den