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flache Felder unerfättlich nordwärts, nordwärts. Es gab teine Weichen mehr.

Ich sah mich um in meinem Abteil: ich war allein. Bathrlich da war ja nur ein einziger bequemer Stuhl, au einem Bett verstellbar, mit einem Schreibeklapptisch. Wie praktisch alles und wie ſtumm.

Welche Maffe? Da war fein Zeichen. Es gab nur eine Klaffe in dem Zuge.

Ich stand auf, ging die schmalen Gänge entlang, vorbei an den Einzelfabinen überall geschlossene Vorhänge- Schweigeabteile. Die Reisenden hatten das Reden verlernt. Sie lafen, fie schrieben, fie fahen zum Fenster hinaus, fie schliefen aber sie rebeten nicht mehr.

Weiter ging ich auf dem leise vibrierenden Boden. Da war ganz born ein Automatenreftaurant eingeschaltet. Zwei Männer sah ich darin. Sie saßen in verschiedenen Ecken vor fleinen Tischchen und tranken stumm ihr Bier.

Noch weiter ging ich. Die Lokomotive war nicht verschloffen. Jch trat ein: Zeiger, Uhren, Drähte hinter dicken Glasgehäusen - und fein Mensch. Dort tidte ein Bendel. Hier glühte ein Lämpchen. Da drüben schwirrte ein kleiner Kreisel- ich war im Gehirn des Zuges und erkannte: aus dem Gehirn des Zuges war der Mensch verschwunden. Züge waren Wesen geworden wie wir selber.

Ich sah durch ein ovales Fenster auf die Strede. Der Zug raste auf seiner Schiene einher. Er bohrte sich durch das Land mit einer fürchterlichen Geschwindigkeit. Wälder tamen und versanten. Durch große Bahnhöfe huschten wir wie Schatten. Menschen längs des Bahndamms wurden flißende Strichlein. Der Zug fraß die Strede in sich hinein. Da... ein schwacher Knall: ein fleiner, armer Vogelleib flebte an der obalen Scheibe, der Luftstrudel vor der feilförmig gebauten Maschine hatte ihn aus seinem Reich herabgeholt. ch ging zurück. Mich fröstelte. Ich fant in meinen Stuhl und dachte nach.

Als ich wieder aufsah, war es zwei Uhr. Der Zug ging lang­famer. Ich sah hinaus: die steinernen Arme von Berlin bogen eben die Fingerspigen gegen unfern Zug. Da erkannte ich es:

Riefen waren übers Land gekommen. Eiserne, Fallen hatten fie aufs Land gefeßt. Die saugten die Menschen an in Strömen, schleuderten sie über Land, in Hülsen eingelapselt, spien sie aus, faugten sie wieder an, schleuderten sie wieder zurück, dahin, dorthin .. die Riesen Technik spielten Fangball mit den Menschen. sid grad

d)

Schullehrer und Geistliche, müffen sich auf ihre Befähigung hin praktisch prüfent laffen ehe fie amtieren dürfen. Die Theater­direktoren fönnen fünstlerische Analphabeten sein, wenn sie wollen. Danach wird wenig gefragt. Ich meine, banach wäre in erster Linie zu fragen. Der Weg ist einfach.

Die Verbände der großen Interessengruppen: der Verband der Autoren, der Bühnenverein und die Schauspielergenossenschaft wären in jedem Falle zu befragen, und feinem eine Kongeffion au erteilen, gegen den, von irgendeiner diefer Körperschaften, Einspruch erhoben wird.

Vor allem müßte die Behörde, wenn sie sich überhaupt um fünstlerische Dinge fümmert, diejenigen Faktoren begünstigen, die dazu beitragen, den Betrieb künstlerisch und wirtschaft. lich zu stärken, nicht fie furzsichtig zu unterbinden suchen. Ich meine eben die Boltsbühnen.

Diese großen Organisationen des Publikums, die der Polizei die Benfurforgen abnehmen und den Direktoren den Verkehr mit Wucherern ersparen möchten, stellen jetzt schon den Theatern für die Nachmittagsvorstellungen jährlich rund dreiviertel Million in bar zur Verfügung! Und sie stehen erst am Anfang ihrer Entwickelung. Denn in einer Zweimillionenstadt wie Berlin ist der Mitgliederbestand von 70 000 nicht viel und wird noch erheb lich überschritten werden können.

Bald werden die Boltsbühnen so weit sein, den Theatern auch Abendvorstellungen abzunehmen. Zunächst an den schlechter be­suchten Tagen, und dann ganz und gar! Selbstverständlich gegen Einräumung des maßgebenden Einflusses auf das Repertoir und gegen billige Preise, die wohl dem Publikum ebenso bequem direkt und ohne Vermittelung von Teppichhändlern zuzusichern wären! Die friedliche Eroberung der anderen Theater nach Fertig­stellung des eigenen wäre also die nächste Etappe in der Entwide­lung der Voltsbühnen. Die Vorteile für das gesamte Theaterleben wären unver­kennbar.

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Durch den künstlerischen Ausschuß würden die Vereine die einzigrichtige 8ensur ausüben, die nur künstlerische und keine anderen Rücksichten fennt.

Die polizeiliche Zensur wäre dadurch überflüssig. Der Theater­kassierer brauchte sich nicht um das Repertoir zu fümmern, das Bublifum betäme Kunst und keine Schmarren- die Schauspieler bekämen ihre Gagen und gute Aufgaben desgleichen die Geld­Teute ihre Zinsen und wer weiß vielleicht auch die Amortisation. Die Entwidelung wird hoffentlich so kommen. Ganz von selbst und ohne gewaltsame Umwälzung.

Volksbühnen und Theatermifere. form prattisch demonstriert hat, wird der eine und der andere not­

Im Vereinsblait der Berliner Neuen Freien Volksbühne lesen wir folgende vortrefflichen Ausführungen über ein Thema, an dem die Arbeiterschaft mit nicht geringem Interesse Anteil nimmt. Wir geben den Aufsatz mit Genehmigung des Verfassers ungekürzt: Vor kurzer Zeit wußten die Blätter zu erzählen, daß einer von unseren vielen verkrachten Theaterdirektoren stedbrieflich ver­folgt wird. Dazu bemerkte jemand: sobald einer überhaupt noch ein Theater hier gründen will, müßte er von vornherein steckbrief­lich verfolgt werden!"

So weit sind die Zustände ja noch nicht gediehen. Aber wenn es so weiter geht wie bis jetzt, werden sie es bald sein. Die Um­stände führen es eben mit sich, daß auch die lautersten Absichten und das beste Wollen auf der schiefen Ebene enden.

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Troßdem will niemand einsehen, daß das Theater am System frantt. Daß etwas daran faul ist, glaubt jeder und ruft den Doktor herbei das Mädchen für alles die staatliche Feuer­wehr die Polizei! Und die Polizei tommt ungerufen! Sie ist von einer wahrhaft rührenden Fürsorge, fie tut alles um die Sache zu erschweren, verlangt Raution, noch mehr Raution, leber­nahme des Ensembles verkrachter Direktoren, Nachweis des Be­triebskapitals und noch mehr Kaution.

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Niemand sieht, daß die einzig wirksame Kaution, die Voltz­bühne, schon da ist! Auch wird es nicht gebührend vermerkt, daß sie gerade in einem Jahre der schwersten wirtschaftlichen Depression fraftvoll genug war, durch den Bau des Volkskunsthauses den ent­scheidenden Schritt der Gesundung des gesamten Theaterbetriebes zu nehmen.

Die von der Aufsichtsbehörde verlangte Kaution ist in der Hinsicht absolut wirkungslos.

Sie stellt nur einen Teil der Gagen sicher, schwächt aber den Betrieb wirtschaftlich und begünstigt in nicht ganz gerechter Weise einen Teil der Gläubiger auf Kosten der anderen. Die Autoren der angenommenen Stücke werden z. B. nicht aus der Kaution entschädigt, obwohl sie es sicherlich ebenso nötig hätten und ebenso berechtigt wären.

Die Nautionspolitik ist also nicht ganz gerecht. Aber auch nicht praktisch.

Von den Herren, die als Reiter einer Kulturanstalt von der großen erzicherischen Bedeutung des Theaters funktionteren wollen, wird meistens nur der Nachweis der finanziellen Leistungs­fähigkeit verlangt! Als ob der Nachweis einer Summe Geldes, bei leichtsinniger Geschäftsführung, jemals die Sicherheit des Betriebes verbürgen fönnte! Der Fall Lothar ist in der Beziehung lehrreich.

Sobald das Neue Boltstheater da ist, und die neue Betriebs­leidende Direktor wohl aufhorchen. Er wird sehen: da ist an einer großen Aufgabe mitzuarbeiten, die fich auch lohnt, er wird engeren Anschluß suchen und finden. Und so allmählich wird sich dem Neuen Boltstheater eine ganze Reihe anderer Bühnen zuge­sellen, die der Millionenbevölkerung Berlins den Bedarf an fünft-, lerischen Genuß bieten können und sich dabei geschäftlich gut stehen.

Daneben werden dann die paar Lurus- Theater vom Range des Deutschen und des Lessing- Theaters gut bestehen, befreit von einer ebenso nußlosen wie überflüssigen Konkurrenz.

In der Wolfsbühnenbewegung liegt der Anfang der Gesundung. Das schien mir, besonders mit Hinsicht auf die heutigen jammer­vollen Theaterzustände Berlins , nötig, recht nachdrücklich zu be­tonen, sowie sie unter allen Umständen zu unterstützen wäre.

Von der Polizei durch Verzicht auf eine findische Bevormun dung in einer Sache, die nur die Kunst, nur die Aufklärung will und weiter nichts.

Bon den Direktoren durch eine vornehme Auffassung ihrer Pflichten auch dem billigen" Bublifum gegenüber, also durch eben­so gute Darbietungen, wie sonst.

Und von der Presse durch eine gerechte Würdigung der Leistun gen der Volfsbühnen und durch wirksame Unterstübung ihrer Be­strebungen. Adolf Paul .

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Kleines feuilleton.

Der Auch- Wanderer. Er ist der Mann, dem nichts unmöglich ist. In unserer modernen Zeit ist überall, wo ein Wille ist, auch ein Weg. Das ist der Wahlspruch des Auch- Wanderers." Er muß alles einmal mitgemacht" haben und findet, daß der Mensch des zwanzigsten Jahrhunderts überall mitsprechen können soll. Ja! Ueberall mitsprechen können", das ist sein Höchstes. So erwirbt er fich die Mitgliedschaft eines Wanderervereins durch Zahlung des Jahresbeitrages, um den Rummel der Wandererbewegung" auch mal fennen zu lernen. Fürs Geld geht alles!

Bon dieser Zeit an trägt er meistens Sportkostüm, erfüllt an den Sonntagen die Wälder mit seinem Gebrüll, malt die Initialen seines werten Namens an gut sichtbare Felsen, womöglich mit weißer Delfarbe und trägt wie einen wertvollen Schatz in fich die ftill­schweigende Ueberzeugung, daß die Natur, obwohl sie ja im all­gemeinen ganz schön" ist, ihre wahre Bedeutung erst durch seinen Aufenthalt in derselben, nämlich der pp. Natur erhält. Wenn er aus Kottbus ist und eine Tour in den Schwarzwald macht, so spricht er