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werden. Die neuen Nachbarn blieben auch ganz bon selbst für fich, und so war alles wieder in schönster Ordnung.

Drei Tage später flingelte es so gegen zehn Uhr vormittags. Ach meine liebe Frau Nachbarn, schönsten guten Morgen, endlich kann ich mal kommen. Was für eine Sehnsucht ich nach Ihnen gehabt habe! Gestern und vorgestern war ja noch so viel zu räumen und reinzumachen, aber heute früh, wie mein Mann weg war, habe ich uns Beide, mich und das Jungchen, in Schuß gebracht, und jetzt sind wir hier, nich Bube? Hier bei Tante Leh­Und drin war sie, und sie blieb ausdauernd siben, klebend am Stuhl, bis Frau Else am späten Nachmittag fich zum Ausgehen fertig machte. Da ging sie mit.

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fich die Forschung jener Gebiete der Natur bemächtigt, die sich auf die Vorgänge im Innern der Körper erstreden. Die Gefeße, die fich da aufstellen lassen, mögen sehr einfach und mathematisch egatt fein, einen Einblick in den Mechanismus der Erscheinungen ge währen sie uns zunächst noch nicht. So ist um ein einfaches Bet­spiel zu wählen das Verhältnis, in dem der von einem Gase eingenommene Raum zu dem auf ihm lastenden Druck steht, durch eine elementare Gleichung mit großer Genauigkeit ausgedrückt. Wie jedoch dieses Verhältnis zustande kommt, welcher verborgene Mechanismus ihm zugrunde liegt, dies ist, da wir nicht direkt in das Innere des Gases zu schauen Sermögen, mit der Aufstellung jener Formel gar nicht erledigt. Es ist ungefähr so, als ob wir eine Und so blieb es. Mehrmals die Woche erschien Frau Sorge mit im Gang befindliche Uhr vor uns hätten, die Bewegungsregeln ihrer ihrem Sprößling, manchen Abend kam auch Herr Sorge aus Beiger auf das genaueste feststellen könnten und dabei doch nicht alter gemütlicher Nachbarschaft- - und immer waren einige Haus- imstande wären, das innere Getrieb mit seinen Räderchen, Wellen geräte, wenn Frau Else sie gerade nötig brauchte, in der Sorgeschen und Schrauben in Augenschein zu nehmen. Wohnung.:

mann.

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Wir werden in ein ganz anderes Viertel ziehen, Karl, anders können wir die Sorges nicht los werden."

Und Frau Else suchte mit aller Sorgfalt eine neue Wohnung. Da hatten sie ihren eigenen Eingang für sich, und der Zwed war erreicht. Sorges tamen höchstens noch alle vierzehn Tage mal vor sprechen, und dann waren sie angenehm; zuletzt kamen sie noch

feltener.

Nach Jahr und Tag, als Karl Lehmann eines Abends recht müde nach Hause kam, fand er bei seiner Frau ganz unerwartet Frau Sorge. Freudestrahlend begrüßte sie ihn, beide Hände reichte fie ihm hin. Und denten Sie bloß, jekt find wir wieder richtige Nachbarn. Seit gestern wohnen wir hier nebenan, Nummer neunzehn.." Martin Blankenburg.

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Der Weltäther.

I.

Allewiger und unbegrenzter Aether!

Durchs Engste wie durchs Weiteste Ergoff'ner! Bon feinem Ring des Daseins Ausgeschloss'ner! Bon jedem Hauch des Lebens still Durchwehter!" Seit der grüblerische Dichter der Nibelungen ", Chr. F. Hebbel , diese, allerdings recht holperigen Verse in seinem Sonett An den Wether" niederschrieb, sind gerade 70 Jahre vergangen." Siebzig Jahre beispielloser ökonomischer und technischer Umwälzungen und nicht minder umfassender Bereicherung und Vertiefung unserer Kenntnis der Natur und ihrer Geseze. Aus dem Reiche der Poesie ist der durchs Engste wie durchs Weiteste ergoff'ne" Aether in­zwischen immer mehr und mehr in das Gebiet der wissenschaft­lichen Erforschung gerüdt. Es sind eben jene Zweige der Natur­lehre, die im Brennpunkte der sogenannten modernen Physit" stehen Optit, Elektrizitätslehre, Magnetismus, Strahlungs­erscheinungen in denen der Begriff des Aethers eine geradezu dominierende Rolle spielt. Eine Physik des Aethers" gibt es Heute nicht minder, wie eine Physik der Materie". Doch merk­würdig genug! Gleich jenen fabelhaften Gestalten, die gerade in dem Augenblid entschlüpfen, da man ihrer habhaft zu sein wähnt, spottet auch der Aether bis heute noch allen Bemühungen, ihn widerspruchsfrei in allen feinen Eigenschaften zu begreifen. Es ist ein heißes Ringen, das um den Aether mit allen erdenklichen Mitteln der mathematischen Theorie und des Experiments auf dem Felde der physikalischen Wissenschaft ausgefochten wird; einen Einblick in dessen treibende Kräfte zu gewinnen, wird auch für den Außenstehenden von Interesse und von Nuzen sein.

J

Als der erste Physiker der Neuzeit, der Italiener Galileo Galilei ( 1564-1642), seine Kugeln von dem Glockenturm zu Bisa herabfallen und über die schiefe Ebene rollen ließ, um die Fallgeseze der Körper zu erforschen, legte er das Fundament zu einer Naturerklärung, für die alle Vorgänge der Natur in Be­wegungserscheinungen, das ist in Ortsveränderungen eines ein für allemal gegebenen Stoffes bestehen. Als eine ungeheuere Fülle von Mechanismen sollte sich die Natur begreifen lassen, und je beffer und genauer wir deren Bau und Gangart fennen lernen, desto mehr sollten wir uns dem Jdeal der Naturerkenntnis nähern. Die Phantasie eines späteren Physikers fleidete dieses Ideal in die Vorstellung von einem universellen Geiste", der für einen gegebenen sehr feinen Beitabschnitt die Lage und die Bewegung aller Elemente des Universums fennt, und dann im Besize dieser Weltformel" nach den Regeln der Mechanik die ganze Zukunft und Vergangenheit bestimmt. Wie der Astronom den Tag vorher sagt, an dem nach Jahren ein Komet aus den Tiefen des Welt­raumes am Himmelsgewölbe wieder auftaucht, so löse jener Geist in feinen Gleichungen den Tag, da das griechische Kreuz von der Sophienmoschee blißen oder da England seine letzte Steinkohle ver­brennen wird."

Solange die Naturlehre die Bewegungserscheinungen der Tharren Körper erforscht mögen es die Himmelsförper oder die irdischen sein-durch Gleichungen der Mechanik lassen sie sich einfach und restlos beschreiben. So lange nähert sich auch die Naturerkenntnis jenem weltumfassenden Ideal. Viel größeren Schwierigkeiten begegnet die mechanische Naturauffaffung, wenn

Durch eine Vorstellung, deren Wurzeln in die Geschichte der Naturerklärung weit zurückreichen, suchte die Naturlehre seit Beginn der Neuzeit die geschilderte Schwierigkeit zu überwinden. Es war die Vorstellung, daß die greifbare Materie den Raum nur scheinbar entfernten Störnern besteht, deren verborgene Bewegungen allen ganz erfüllt, daß sie in Wirklichkeit aber aus von einander weit Gesezmäßigkeiten, die wir an den Eigenschaften der Körper fest stellen, zugrunde liegen. So resultiert das Verhältnis zwischen dem Raum, den ein Gas einnimmt, und dem Drucke, der auf ihm laftet, aus einem ungeheuren Knäuel von Bewegungen kleinster Gas­teilchen, die die Wände des Gefäßes unausgesetzt bombardieren. einer wissenschaftlichen Theorie gleichend, eroberte sich die Vor­Anfangs schwankend und mehr einem geistreichen Einfalle denn stellung von dem körnigen Bau der Materie oder die Atomistik im Laufe der Zeit ein Gebiet der naturwissenschaftlichen Forschung nach dem andern. Und heute, cima 23 Jahrhunderte nachdem die atomistische Naturerklärung in dem System des Griechen Demokrit zuerst mit voller Konsequenz verkündet wurde, bildet sie die aner kannte Grundlage der Chemie, der Wärmelehre, der Elektronen theorie und erhebt hier den Anspruch auf denselben Grad der Ge­mißheit, den etwa die Astronomie für ihre Feststellungen in bezug auf die Maße und Bewegungsgesetze der Himmelstörper fordert. Entbehrt auch die Atomistik, die Astronomie des, Unendlichkleinen, des Vorzuges der direkten Anschaulichkeit, den die Astronomie des Unendlichgroßen in so hohem Maße bejizt, so wissen wir doch andererseits, daß es vor allem an dem Bau unserer Sinneswerk­Beuge liegt, daß sich uns die Welt der Atome nur in ihren mittel­baren Wirkungen und nicht in diretter Anschauung enthüllt. So fruchtbar die Atomistik in tonsequenter Durchführung des Grundgedankens der mechanischen Naturanschauung auch war, so wenig vermochte sie zunächst eine andere, weitverzweigte Klasse der Naturerscheinungen zu bewältigen, bei denen die greifbare, wäg­bare Materie nachweislich keine Rolle spielt. Die typischesten Vor gänge dieser Art sind Lichterscheinungen. Seit dem Jahre 1675, da der Däne Olaus Roemer( 1644-1710) die Entdeckung machte, daß das Licht ungefähr 8 Minuten und 16 Sekunden braucht, um die etwa 150 Millionen Kilometer betragende Entfernung von der. Sonne bis zur Erde zu durchlaufen, daß also die Fortpflanzungs­geschwindigkeit des Lichtes in runder Zahl 300 000 Kilometer in einer Sekunde beträgt, seit dieser Zeit stürmte auf die mechanische Naturerklärung eine Reihe von Problemen ein, deren endgültige Lösung noch in weiter Ferne liegt. Zunächst die ungeheure Höhe der Lichtgeschwindigkeit! Wenn ein Zug mit derselben Geschwindigkeit überhaupt fahren könnte, wäre er imstande, in einer einzigen Sekunde siebeneinhalbmal die Reise um die Welt zu machen. Kein Ingenieur wird je einen solchen Bug bauen fönnen, wie überhaupt eine derartige Geschwindigkeit nicht nur schwer vorstellbar, sondern in der Körperwelt unrealisierbar ist. Dann aber die Unverwüstlich feit der Bewegung, der anscheinend feine noch so große Entfernung auch den allermindesten Abbruch tut! Aus der Astronomie wissen wir, daß es Sterne gibt, die so weit von der Erde entfernt find, daß das Licht 60 Jahre und darüber braucht, um uns von ihnen Kunde zu bringen. Was geschieht nun mit dem Lichtstrahl, der von einem solchen Figstern seinerzeit ausgesandt worden ist, um nach einigen Jahrzehnten unser irdisches Auge zu treffen? Wir sind gezwungen, ihn in dem Zwischenraum irgendwie verteilt und an einem Träger gebunden zu denken. Die Natur des Trägers und die Art, wie die Bewegung durch ihn übermittelt wird, find zwei Fragen, die sich da naturgemäß ergaben und die auch durch die wissenschaftliche Forschung der Zeit alsbald in Angriff genommen wurden.

Mustert man die Reihe der uns bekannten Körper, so ergibt sich sofort, daß keinem von ihnen die Rolle des Vermittlers der Lichtbewegung auch im entfernteften zugemutet werden darf. Stahl und Glas, zwei Körper, die die innere Bewegung am schnellsten übermitteln, tun das mit einer Geschwindigkeit von etwa 5000 Meter in der Sekunde, das ist 60 000mal langsamer als es für die Lichtbewegung in Frage kommt! So war das naturwissenschaftliche Denken gezwungen, neben der toug- und greifbaren Materie noch eine besondere Stoffart anzunehmen, und sie gab ihm, im Anschluß an die verwandten halbmystischen Vorstellungen der antiken Philo­sophie, den Namen Aether . Aether( wahrscheinlich vom griechischen Stamme ait= brennen) ist eine materielle Substanz feinster Art, feiner als alle sichtbaren Stoffe, von der man annimmt, daß sie alle die scheinbar leeren Räume erfüllt" so fängt der Artikel