Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 90.
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Sonnabend, den 10. Mai.
Die Bauern von Steig.
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1913
soll. Wenn man halt fünfundzwanzig Jahre fast wie unter der Erde gewesen ist..."
An Gut nahm sie nicht viel mehr vom Wäldihofe mif, als fie in den langen Jahren als Magd verdient hätte. Sie fagte, das Geld freue sie nun doppelt, weil sie mir später ein wenig damit werde helfen können.
Roman von Alfred Huggenberger . Bir saßen noch eine Weile beisammen. Der Zeigerhaniß berichtete von seinem neuen Dachstuhl, er führte mich nach der schönen freistehenden Scheune hinüber und machte mich auf Es verging nun faum ein Sonntag, an dem ich mich nicht fämtliche Vorzüge ihrer Bauart aufmerksam. Er wies mit der Hand nach dem mächtigen Mittelbalken hinauf, der die Garbendiele trägt. Weißt, das ist die schöne Nottanne gewesen gleich zu oberst beim Markstein. Ein wenig gewürgt hat's mich schon. Aber die jungen Tännchen haben sich jetzt schon ordentlich wieder herausgemacht. Und wir haben dem Arnold doch auch einen Gefallen tun müssen. Er schafft, ich fann mich nicht flagen. Nur daß wir halt nicht in allem den gleichen Begriff haben. Die Frida ist so in ihre drei Buben bernarrt, daß man oft über sie lachen muß. Es wär jetzt soweit alles recht. Wenn man ihm halt nur nicht hätte nach laufen müssen
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Vor dem Fortgehen bat ich den Zeigerhaniß, mich den Kasten und die Sprüche noch einmal sehen zu lassen. Er framte einen Streifen Papier und einen Bleistiftstummel aus der Kommode. Ich könne mir den Vers ja notieren, meinte er. So etwas dürfe man sich wohl merken.
Während ich die mit dicker Delfarbe unbeholfen hingemalten Worte abschrieb, dachte ich daran, wie ich in Kindertagen die für mich so rätselhafte Inschrift manchmal auf einem Stuhle stehend mit den Fingern betastet hatte. Es lag doch viel Zeit zwischen damals und jetzt. Und der auf die zwei Füllungen berteilte Spruch schien gleichsam für diese Stunde gemacht zu sein. Auf der oberen hieß es:
Das Leben ist ehn Mühlenhauz, Schütt Korn hineyn, komt Mel heraus,
und auf der unteren:
Eyn gutter Wille tut sehr Not
für ein Stündchen oder zwei bei der Base Käther hätte sebent lassen; und sie war immer froh, wenn ich fam. Immer wieder fchlug fie mir vor, ich solle das Dienen aufgeben, da ich jetzt an einem Ort daheim sei, und soll es mit Taglöhnen und mit der Waldarbeit probieren. Das leuchtete mir ein und ich fündigte dem Scherbenhofer auf den Herbst. Ich war um und um voll fröhlichen Mutes und freute mich auf die Zeit, die mir noch werden mußte.
Von meinen Kameraden hatte schon mancher den Burschenhut weggelegt. Am frühesten war Hans Kinsperger an die Reihe gekommen, der zum Aerger seiner Eltern von der hübschen Marie Pfander nicht mehr hatte loskommen können. Auch Jakob Stoder trug jeẞt mit gemessenem Stolze seinen Verlobungsring zur Schau. Er hatte sich auf irgendeine Agentur nach der Stadt verzogen, war jedoch flug genug gewesen, vorher noch die Angel nach der reichsten Bauern tochter auf der Steig auszuwerfen, nach der Regina Edert int Stillengrüt. Man munkelte zwar, die Regine habe den Erbfehler der Stilli- Leute nicht an sich, sie leiste im Gegenteil int Reden das zu viel, was die anderen schuldig blieben. Dennnoch war Jakob Stoder jeßt ein vielbeneideter Bräutigam. Wenn er am Sonntag mit Regine Arm in Arm an der lge vorbeiging, sagten die alten Bauern zueinander: „ Es ist immer so gewesen: die Schulden haben Kleb, die trägt keiner von der Steig fort. Bloß Geld fonnten sie holen, die Steckliträger, das wir zusammengeradert haben."
Am lustigsten fam mir vor, was Konrad Tischberger auf dem abgelegenen Höflein im Hintertobel erlebte. Er hatte Nach dem Kernen schmeckt das Brot. es nicht versäumt, beim Tobelbauern als Knecht einzutreten, Während ich an diesem Abend gegen Dreihäusern hinauf- als dieser kränklich und bettlägerig zu werden anfing, wennstieg, fam ich mir um Jahre älter und härter vor. Ich gleich die in Aussicht genommene Braut damals kaum der schämte mich innerlich vor dem alten Manne, der mir immer unterweisung entwachien war. Weißt, man muß hell sein," noch den Weg zeigen mußte, wie einem Kinde. Es schien mir, hatte er zu mir geiagt. Das Vereneli wächst sich gut aus, da als hätte ich bis jetzt fast die halbe Zeit verscherzt und ver- will ich doch auf alle Fälle in der Nähe sein." bummelt, ich hätte es gewiß in den all den Jahren viel weiter bringen fönnen. Dann dachte ich wieder darüber nach, wie ich den Kasten später in Ehren halten wolle.
Schon am andern Morgen während des Melkens jagte ich dem Meisterssohn, daß ich etwas mehr Lohn haben müsse; ich bringe zu wenig vor. Und ich müsse doch auf später redmen.
Der Scherbenhof- Oswald lächelte mur. Es gebe da keinen Anstand, meinte er. Der Vater habe halt immer gesagt, er fange nicht von dem an, solang der Gideon nicht selber
reklamiere.
Gang gewiß, ich hätte schon die längste Zeit ganze hundert Franken im Jahr mehr auf die Seite bringen können! Ich war nur zu bequem und zu gleichgültig gewesen. Es war gut, daß mich mein alter Meister nicht nach dem Stassen büchlein gefragt hatte...
Stille Heimstatt. Eine Kalendergeschichte. Nicht lange nachdem der Zeigerhaniß für mich den Kasten ergantet, sollte sich mir im Oberdorf unverhofft eine fleine, freundliche Heimstatt auftun, in der ich auch dieses werte Gut unterbringen konnte. Mein Götti auf dem großen Wäldi war beim Spakenausnehmen von der Leiter gefallen und tot ins Haus getragen worden, fast in der gleichen Stunde, da man dem gänzlich verblödeten Krüppel Kari zum Ende wartete. Die Base Käther war um feinen Breis zu bewegen, auch nur einen Tag länger als fie mußte, auf dem Wäldi zu bleiben. Sie nahm die erste gute Gelegenheit war, den starf verschuldeten Hof zu verkaufen und ins Dorf binabzuziehen.
Während ich ihr den Hausrat aus dem Wäldi nach ihrem bescheidenen Schlupf im Oberdorf bringen half, blieb sie manchmal mitten im Schaffen stehen und blickte, die Hände in einandergelegt, nachdenklich vor sich hin. Ich kann es fast nicht glauben, daß ich jetzt noch einmal zu den Lenten kommen
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Nun tam er sein Meister lag damals seit etwa drei Wochen unterm Boden eines Abends beim Zunachten in voller Aufregung zu mir nach dem Scherbenhofe herüber. Du, mein das ist verdammt luftig!" rief er mir schon von weitem zu. Siehst Du mir nichts an, hä?" Ich hielt verwundert mit Kleeaufladen inne. Was sollt ich Dir denn ansehen?".
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„ Ein Hochzeiter bin ich. Du Narr! Schon seit vorgestern! Und noch keinem Menschen hab' ich es sagen können! Da muß ich doch weiß Gott extra herüberlaufen! Ein Hochzeiter! Hörst Du es denn nicht?" Er flatschte in die Hände und war vor Freude und Verwunderung über sich selber ganz aus dem Häuschen. Und wenn Du erst alles weißt! Ich glaube nicht, daß auf der Welt schon ein allereinziges Mal so was vorgekommen ist!"
,, Und schnell ist das goppel gegangen," ergänzte ich halb ungläubig, während ich den zwei Ochsen noch eine Gabel boll Alee hinlegte. Vor acht Tagen sind wir doch nebeneinander in Ochsen" in Gehren gesessen, und Du hast kein Sterbenswort laut werden lassen." Ja
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bor
Er war jetzt dicht zu mir herangetreten. acht Tagen und jest! Das ist Lalt ein Unterschied, wie wenn Du heute Knecht bist auf dem Scherbenhofe und morgen wärst Du König von Schlaraffenland! Also, kurz und gut: in elf Monaten feiern wir Hochzeit."
Er setzte sich auf das Ende des Wagenbaumes, faltete die Hände über dem Hinterkopf und schaute mich an wie ein Sieger...
Warum gratulierst mir nicht? So sag' doch einmal etwas!"
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,, Häich muß mich doch erst besinnen. Das Vreneli ist ja noch nicht einmal siebzehn Jahre alt."
Er führte mit Kopf und Schultern eine wegwerfende Bewegung aus.