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menschliche Kunst der Zukunft wird, in dem ewig frisch und kräftig grünenden Boden der Natur fest wurzeln, von da aus zu den un­geahntesten Höhen sich erheben."

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stust, fehlt es bisher en zwingenden Beweisen, daß Richard Wagner  sich an den Barrikadenkampfen persönlich beteiligt hat. Wir wissen aber, daß ein Brief Wagners an seinen Freund August Röckel   das Beweisstück wurde, das diesen im Zuchthaus begrub. Nödel war nach Ja, Wagners Kampf gegen alles Bestehende erhitzt sich ins Auflösung der fächsischen Kammer, auf den Rat Bakunins  , nach Prag   Nihilistische  . Noch im Jahre 1850 hält er, wie aus einem unlängst gegangen, weil er wegen seiner politischen Tätigkeit verhaftet zu werden veröffentlichten Briefe hervorgeht, die soziale Weltrevolution fürchtete. Am 8. Mai aber schrieb ihm Wagner   aus Dresden  , für unausweichlich und bevorstehend; und in vollem Ernst redet er möge schleunigst zurückkehren, da ihm augenblicklich keine er von der reinigenden Katastrophe, wenn das ungeheuere Paris   in Gefahr drohe, vielmehr zu befürchten stehe, daß die Aufregung Schutt gebrannt ist, wenn der Brand von Stadt zu Stadt hinzieht, in Dresden   zu einem vorzeitigen Konflikt führen könne. Diese legten wir selbst endlich in wilder Begeisterung diese unausmistbaren Augias­Worte," schreibt August Röckel   in seinem 1865 erschienenen Buche ställe anzünden, um gesunde Luft zu gewinnen?" Sachsens Erhebung und das Zuchthaus zu Wald­heim, lediglich die Besorgnis vor einer vereinzelten und darum Standrecht zu entgehen. Er tauchte plötzlich in Weimar   bei Freund Wagner   gelang es, den Häschern, dem Zuchthause oder dem leicht niedergeworfenen Erhebung ausdrüdend, mußten in Ermange- Liszt auf, der ihn mit einem falschen Baß in die Schweiz   half. lung aller und jeder Unterlage den dienstbeflissenen Gerichten die Liszt führt in Weimar   auch bald zuerst den Lohengrin  " auf, der Stelle eines Beweisstückes für das Vorhandensein einer weit- fchon 1846 in Dresden   vollendet war. verzweigten Verschwörung zur Vertreibung aller Fürsten und Re- Richard Wagner   das nächste Jahrzehnt. Seine mufitreformatorische In der Schweiz   bleibt publifanisierung Deutschlands   ersetzen." Eine solche Verschwörung Wirksamkeit beginnt, die Nibelungen" reifen. In der Ver­bewies der Brief Richard Wagners   freilich nicht und konnte zweiflungswut" der wachsenden wirtschaftlichen Bedrängnis fom fie auch nicht beweisen, da sie nicht existierte. Wohl aber poniert er" Rheingold  ", den tönenden Fluch des Goldes. Als er beweist der Brief die revolutionäre Teilnahme und die un- nach einer gescheiterten Londoner   Konzertreise in seiner Misere zu mittelbare revolutionäre Agitation Richard Wagners  , die überdies versinken droht, rettet ihn das reiche Ehepaar Wesendonk  . Der Mann durch seine revolutionäreu Gedichte und Zeitungsartikel unwiderleglich gewährt ihm für Lebenszeit das immer erwähnte Haus im Grünen. bekräftigt wird. Wagner   war damals fein Jüngling mehr; mit Mit Mathilde Wesendont aber verbindet ihn jene tiefernste und 36 Jahren war er sich seines Wollens bewußt. Hebt man zu seiner reinste Leidenschaft seines Lebens, die ihn zwar aus dem Schweizer  Entlastung gewisse Aeußerungen gegen politische Bestrebungen her- asyl vertreibt, ihn aber in Venedig   seine Unsterblichkeit finden vor, so ist das ein Gaufelspiel, denn Wagner   wandte sich damals läßt: Tristan und Isolde  ". Frau Minna Wagner   hatte die Beziehungen ihres Gatten dent

gegen die bloße formalpolitische Propaganda, weil er bereits zur

fozialistischen Betrachtung politischer Fragen vorgedrungen war. Manne Mathildens grob denunziert und dadurch das bewegte und Wagner   soll gar und das führt man als Beweis für seine polis bejeelte Stilleben dieser Zeit zerstört. Wieder wandert tische Harmlosigkeit an für die Revolution und zugleich für die 1859 Wagner rubelos, von Gläubigern gehezt, von willigen feit Monarchie eingetreten sein; aber diese Behauptung fälscht den über- Freunden geschirmt. Er findet in Biebrich   Zuflucht, schließlich in schäumend revolutionären Artikel, den Wagner   damals gerade gegen Wien  ; hier aber ereilt ihn das Verhängnis. Alle Freundeshilfe er­den bürgerlichen Lieblingsgedanken einer Monarchie auf breitester schöpft sich vergebens, Wagner   rinnt das Gold unaufhaltsam durch demokratischer Grundlage trieb, indem er die völlige Beseitigung die lebensbegehrlichen Hände. der Monarchie forderte und den König aufforderte, selbst die Krone Schuldhaft, er flieht von Wien  , erscheint in Jm Frühjahr 1864 droht ihm niederzulegen, wofür ihm dann die erbliche Präsidentschaft der denkt daran, fich irgendwo in der Rauhen Alb zu vergraben. Stuttgart   und Republik  ( ohne alle monarchischen oder konstitutionellen Rechte) huld. Aber hinter dem Flüchtigen reist der Sendbote Ludwigs II von reich, aber ein wenig frech für einen föniglichen Kapellmeister, an- Bayern  , der faum zur Regierung gelangt, seine junge Macht zu geboten wurde. Freilich hat Wagner   in seinen Lebenserinnerungen, nichts anderem nügen will, als Wagners Dasein und Werk zu die er Ende der sechziger Jahre seiner Gefährtin Cosima diftierte, sichern. all diese zahlreichen und unzweideutigen Bekenntnisse revolutionärer, fozialistischer, republikanischer und atheistischer Gesinnung verwirrt und verdunkelt, indem er die vor ihm liegenden Aufsäge jener Zeit, in Wortlaut und Sinn übertünchte.

Schon im Mai 1848 hatte Wagner   den Wiener Revolutionären einen zwar holprigen aber gefinnungsstarken Gruß aus Sachsen   ge dichtet. Sozialistisch ist das aus derselben Zeit stammende Gedicht Die Not:

Sie haben Kapital und Renten und lieben sehr den Staat, darin sie leben von Prozenten

und ernten ohne Saat;

fie treiben Künst' und Wissenschaften,

bergnügen fich am Tugendhaften, und leben bis zum Tod,

ohn dich zu kennen, Not!...

Doch Notzucht treiben sie am Leibe der lebenden Natur,

Notzucht am Mann, Notzucht am Weibe,

an Berg und Tal und Flur,

Notzucht an Gott, von dem sie lehren, der Armen Leid könnt' er nicht wehren, denn wie's nun sei, wär's gut,

d'rum ziehm' uns sanfter Mut.

Und die Schlußstrophe:

Denn über allen Träumerstätten blüht auf des Lebens Glück:

es blieb die Menschheit, frei von Ketten, und die Natur zurück.

Natur und Mensch

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ein Element! Vernichtet ist, was je sie trennt! Der Freiheit Morgenrot- entzündet hat's die Not!

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König entfaltet sich jener überschwengliche Liebesfult, deffen hizigste Wagner wird nach München   gebracht, zwischen ihm und dem Urkunden im Münchener   Hausarchiv ftreng bewahrt werden. Wagner  ist aus allen Nöten. Er erhält der Spott nennt ihn den Konzert­ein üppiges Haus, Geschenke aller Art, Förderung aller seiner flügeladjutanten Ludwigs für Lebenszeit 4000, dann 8000 Gulden, Kunstpläne. Schon sieht er auf den Isarhöhen das Festspiel­haus erwachsen. Aber über den mächtigen Günstling, der den König auch politisch zu beherrschen droht, und der sich den Lockungen der Klerifalen verweigert, standaliert immer lauter das empörte München  . Auch Lassalle   erscheint in diesen Zeiten auf feinem letzten verstörten Todesgange, um durch Wagners Vermitt lung beim König Hilfe in seinem Liebeshandel zu erreichen. Das Münchner   Glück rollt jäh abwärts. Daß Wagner   die Frau des Freundes Hans v. Bülow, die Tochter Liszts, Cosima  , sich geselt, erregt die Sittlichen", und was wirksamer, reizt die Eifersucht des Königs, den man obendrein mit dem Ausbruch einer Revolution ein­schüchtert. Der König läßt Wagner   fallen, der am 10. Dezember 1865 München   verläßt. Mit Frau Cofima richtet er sich in Triebschen  bei Luzern   ein Asyl frohen Schaffens; hier wird die Heiterkeit der Meistersinger gestaltet. Nach dem Tode seiner Frau( 1866) und der Scheidung Cosimas von Bülow findet er in der Ehe mit der hoch­begabten und verständnisvollen Frau endlich den Lebensfrieden.

Das letzte Jahrzehnt seines Daseins gehört Bayreuth  . Seine Reformphantasien gewinnen im Festspielhaus eine Art von Verwirk­lichung, und im Parsifal  " will Wagner   das letzte heilige Wort seiner fünstlerischen Greisenandacht der Welt künden. Bayreuth   wird gum Wallfahrtsort, und als Wagner   am 13. Februar 1883 zu Venedig  im Palazzo Vendramin   am Canale Grande   stirbt, scheint der fleine Stapellmeister aus Leipzig  , der steckbrieflich verfolgte Hochverräter, der ausgepfiffene und verhöhnte Zukunftsmusiker, der liederliche Schuldenmacher ein Weltheiligtum, vor dem alles in Ehrfurcht er­fchauert. Kurt Eisner  .

Die unendliche Kraft

der Vereinigung.

Ein Auffah Richard Wagners   von 1849*). Im Jahre 1848 hat der Kampf des Menschen gegen die be

In den Schriften und Briefen der ersten Flüchtlingsjahre steigert sich noch diese revolutionäre Gesinnung. Die programmatische Schrift Die Kunst und die Revolution" ist eine sozialistische Utopie, die in der Revolutionierung der Kunst die Revolutionierung des Lebens vollziehen will. Die Tragödien werden die Feste der Menschheit sein: in ihnen wird, losgelöst von jeder Konvention und Etikette, der freie, starke und schöne Mensch die Wonnen und Schmerzen stehende Gesellschaft begonnen. Nicht beirren darf es uns, daß feiner Liebe feiern, würdig und erhaben das große Liebesopfer seines Todes vollziehen. Nichts von Christentum: Mit unserer Kunst hat es bisher solch eine... wahnsinnige Bewandtnis gehabt;

*) Wagner   veröffentlichte diesen Aufsatz im April 1849- also

in Wahrheit konnte das christliche Kunstideal sich nur als fiye Jdee, kurz vor dem Ausbruch des Maiaufstandes in Dresden  - anonymt ats Gebilde eines Fieberparorismus fundgeben, weil es... außers in den Dresdener Volksblättern". Unsere Weberschrift hebt den halb der menschlichen Natur Ziel und Zweck hernehmen und daher Kerngedanken des Aufsatzes heraus. Wagner   wählte den Titel: feine Berneinung, sein Ende in der Natur finden mußte. Die Der Mensch und die bestehende Gesellschaft",