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Der Steiger Huysmanns sagte nach dem Abendessen ganz Tangsam und sehr fern sein monotones: Liebe Madelaine!" Aber thr Mund lag berschlossener denn je zwischen den scharfen Winkeln. Und sie fühlte mit einem verbissenen Groll, daß es Nacht wurde und ein flebriger Dunst den fremden Geruch von den Geräten und aus der Kammer wegfraß.

Und mitten in der Nacht, genau zu derselben Stunde, da Madelaine mit blauberkrümmten Fingern über die behaarte Bruft ihres Mannes fuhr und einen anderen ferneren Mund suchte, ward der Steiger Leon Stappen vom Wetter erschlagen und mit ihm elf andere Männer aus demselben Dorf.

III.

Auf fünf Leiterwagen fuhr man die Särge, worin das Zer­fekte von zwölf Männern lag, durch das Dorf. Hinter dem ersten Wagen, der nur einen schwarzen Sarg über das schlechte Pflaster schleifte, gingen die Meßdiener und der Pfarrer. Und die Gruben­direktoren und der Steiger Jean Huysmanns und seine Frau. Sie trug einen Kranz aus getrocknetem Moos  , und ein paar rote Papierrosen staten darin.

Die Mufitanten bliesen ein trauriges Lied. Das stolperte über die Misthaufen und gerplatte an den Fensterscheiben wie ein dummer Landregen. Aber es war niemand in den schwarzen, torf­gepichten Häusern.

Nur vor dem vierundzwanzigsten hantierte das Söhnchen mit einem Holzpferd. Und es tanzte damit wie nach einer sanften Mufit.

Das war aber nicht der traurige Blechregen Hinter den Särgen. Der Vlame pfiff sich selbst sein Liedchen. Und es war wie ein Reiterliedchen, und das Söhnchen tanzte mit dem Holz­pferd hinterbrein.

IV.

Der Steiger Jean Huysmanns fuhr jeden Morgen um auf seinem Dreirad zur Grube.

des Alterns.

fünf

Und Madelaine stand wieder am Fenster. Sie hatte eine fnittrige Latschürze vor. Und die feinen Härchen vom Scheitel standen in der Sonne und waren ganz weiß wie der morsche Reif Und es tamen noch viele Kostgänger ins Haus. Und die dann wieder gingen, hatten weiße Gefichter, wie von einer Seuche ber­heert. Sie trugen das weiße Verheerte in die Klöster und ber­brannten es im Weihrauch des Zölibate. Sie ließen teine Spur und feinen Schatten zurüd.

Da begab es sich, daß man den zwölf Bergleuten, die das schwarze Wetter erschlagen hatte, ein Dentmal sette.

Der Steiger Jean Huysmanns verbot aber seiner Frau, aur Feier zu gehen. Denn sie war schwanger im neunten Monat. Madelaine zog dennoch das schwarze Brautkleid an, das sie auch zum Begräbnis getragen hatte und ging auf den Kirchhof. Sie warf ein paar fanfte Feldblumen auf das Waffengrab und ging fiebenmal um das Denkmal herum, so daß der Pfarrer fie anfah wie eine Frre. Und so wie eine Frre tortelte sie ins Dorf zurück. Ein fremder Schatten hüllte sie ein wie in eine Wolfe. Und sie spürte ihre Stunde wie das Brausen eines Bahnzuges. Sie sah darin zwei große Lichter, die waren blau. Und ein Dampf wirbelte durch ihr

Blut und machte es sieden.

Sie warf sich unausgekleidet auf das Bett, das fühl und hungrig in der Kammer gähnte. Und sie lag darin wie in einem Sarg.

Ein Fröstelschauer zerschlug ihre Glieder. Die Lippen wurden blau und stumpf.

Die alte Bettlade stöhnte wie im Fieber. Aus den wurmzer­stochenen Fugen rieselte Blut. Madelaine zerfloß wie ein Schatten. Als Jean Huysmanns des Abends kam und die ausgelaugte Luft seinen Atem wegfraß, holte er die Schwiegermutter. Er führte sie in die Kammer, aber das Kind war schon da.e

Da hob es die alte Frau empor und prüfte es und wog es in den Händen wie eine billige Ware.

Und zu dem Steiger sagte sie halb im Lachen: Ja, ja. Gestern habe ich der Jeanette auch so ein Kinderl geholt. Das hat genau so blonde Haare und so blaue heimtückische Augen. Aber meiner andern Tochter Mann ist ein Vlame. Aus St. Amand. Du weißt jal"

Jean Huysmanns niďte nur ganz fern. Gelähmt durch ein ahnendes Gefühl, das, von dieser Alten angebohrt, weitersägte in den verfetteten Nerven, rang er wie ein Bewußtlofer nach Worten, die Bewußtlose auf den zerwaltten Stiffen bamit zu beschmutzen und wegzuwerfen wie ein zerbrochenes Gefäß.

Aber die hörte ein Reiterliedchen pfeifen. Und es waren des Blamen Leon Stappen Lippen, die also pfiffen.

wenigen Jahren schauen wir uns draußen um. Die Zeit ist eine andere geworden, und wir mit ihr sind andere geworden. Auch die Art und Weise des Wanderns und des Reisens hat sich be deutungsvoll gewandelt. Nicht mehr bloß als vergnüglich wandernde und behaglich rastende Touristen lugen wir hinaus in die sonnige Welt. Bielmehr wenden wir unser Interesse den naturwissenschaft lichen und geographischen Erscheinungen zu und pflegen mehr und mehr die Beobachtung. Nur durch planmäßige Beobachtungen schaffen wir uns ein Verständnis der Naturerscheinungen und legen dadurch zugleich den Grund zu einem wahrhaft edlen Natur­genuß. Wenn wir aber fähig sind, eine Landschaft verständnis innig zu erschauen, dann bereiten wir zugleich der Erfüllung einer anderen Forderung den Boden: jede Wanderung und jede Reise zu einer Studienreise zu veredeln.

So fegensreich nun jene Bücher wirken, die der Naturbeob achtung im allgemeinen gewidmet sind und in die Geologie, die Botanik oder die Zoologie einführen, so nötig ist es, für die ein zelnen Landschaften naturwissenschaftlich- geographische Wander­bücher zur Hand zu haben. Denn nur an der Hand von Beis spielen, die zu Wanderungen in einer bestimmten Gegend anleiten, tönnen wir des Erfolges unserer Beobachtungen sicher sein. Solche Wanderbücher würden dann einen heilsamen Gegenschlag aus. führen gegen die bisher übliche Methode des Reisens, nämlich gegen die einseitig auf Geschichte und Kunst gerichtete, wie sie in den gebräuchlichen Reisehandbüchern doch noch überwiegend zum Ausdruck kommt.

Mit den Wanderbüchern für die Umgebung Berlins   ist es kaum anders bestellt. Sie können uns in naturwissenschaftlicher Hinsicht nichts bieten. Aber wir haben neuerdings für die weitere Umgegend Berlins   und für die Mark Brandenburg drei wissenschaftliche Reisehand­bücher erhalten, die den Benutzer an Ort und Stelle führen und dort durch erläuternden Text, Karten, Abbildungen usw. die er­forderlichen Belehrungen für naturwissenschaftlich- geographische Beobachtungen bieten.

An erster Stelle nennen wir das schöne Buch von Dr. in die Umgebung von Berlin  ( Leipzig  , Verlag von W. Gothan: Botanisch geologische Spaziergänge B. G. Teubner, 1,80 M.). Gothan macht in diesem Wanderbuch den trefflich gelungenen Versuch, die geologischen und botanischen Verhältnisse einer kleinen Bandschaft in ausführlichster Weise ge­meinverständlich darzustellen. In einzelnen Wanderungen, die planmäßig ausgewählt und nach Jahreszeiten angeordnet sind, führt uns Gothan durch die Umgebung von Berlin   und leitet Schritt für Schritt zur Beobachtung an. Auf diese Weise ist es ihm möglich, ohne Voraussetzung umfaffender Fachkenntnisse ein anschauliches Bild von der Flora der Berliner   Umgebung zu geben. Zugleich aber entwidelt er die wichtigsten Begriffe der Botanik überhaupt und liefert somit eine Einführung in die Hauptfragen der Botanit. Zweierlei also erreicht Gothan durch Berhältnisse der Umgebung Berlins   und er gibt uns eine Gin­seine Darstellung: er schafft ein Verständnis für die botanischen führung in die botanische Wissenschaft überhaupt. So erläutert also Gothan die an den betreffenden Lokalitäten vertretenen vereine, und deren Lebensbedingungen, indem er gleichzeitig Lebensgemeinschaften der Pflanzen, die sogenannten Pflanzen­typische Angehörige jener Pflanzenformationen Zenntlich macht. Da lernen wir den Laubwald und den Kiefernwald, die Heide und das Moor, den Bruchwald und die Ruderal( Schutt) flora genau kennen und werden auf wirklich biologische Tatsachen hingewiesen. So gewöhnen wir uns denn zugleich, nicht lediglich als Pflanzen­fammler" die Natur zu betrachten. Da sich aber ohne Behandlung nicht auskommen läßt, zieht Gothan auch die geologischen Verhält der Bodenbeschaffenheit bei der Schilderung der Pflanzenvereine niffe heran, soweit sie für die Geländebildung und die Bodenarten in Frage kommen. Die Tierwelt hat der Verfasser leider nicht mit

behandelt.

von K. Hude in Betracht: Geologische Ausflüge in Als Ergänzung zu dem Wert von Gothan fommt das Werk der Mark Brandenburg"( Leipzig  , Verlag von Quelle meisten Wanderern von allen naturwissenschaftlichen Beobach ut. Meher, 2,60 m., geb. 8,20 M.). Wenn man bedenkt, daß den tungen gerade die geologischen am wenigsten liegen, jo muß man geologische Wanderbücher besonders freudig begrüßen.Hude  wendet dieselbe Methode wie Gothan an. An der Hand von genau festgelegten Routen" schildert er die Gegenden der Mark Branden burg, die vom geologischen Standpunkt aus von besonderem Inter­esse sind. Dabei gibt er den in der Geologie weniger Bor­geschrittenen eine genaue Anleitung, um an der betreffenden Stelle den Geologen von Wichtigkeit ist. Im ganzen gibt Hude   siebzehn das aufzufinden, richtig zu erkennen und zu verstehen, was für Erfurfionen. Auch Huckes Buch ist recht brauchbar. Nur mit der Anordnung der Exkursionen mag der Naturfreund nicht einver standen sein. Sude hat nämlich die Routen nach geologischen Formationen zurechtgelegt und behandelt nacheinander Silur, Zech

Naturwiffenfchaftliche Wander- tein, Trias, Kreide, Tertiär, Diluvium, Alluvium. Das wäre

bücher.

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Jn Scharen ziehen wir Großstädter des Sonntags hinaus in die nähere und weitere Umgebung von Berlin  , um den Zauber ber Landschaft auf uns einwirken zu lassen. Aber anders als noch vor

besser unterblieben; denn auf jeder Exfurfion wird man mehrere Formationen auf einmal zu Geficht bekommen, und die For­mationstunde ist für den Naturfreund das am wenigsten Wichtige von der ganzen Geologie.

Ebenfalls rein geologisch ist das Werk von Dr. H. Menge!, der manchen unserer Leser durch seine geologischen Vorträge in