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alten Zeiten hier gestanden, oder meine Phantasie hat es auf gebaut, damit ich drin lebe. Wer kann sagen, daß das sei, was er fieht und hört?.
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" Du hast das Kastell in Deinem Roman beschrieben?" " Ich habe in diesem Hause gewohnt, lange bevor ich für dieses Leben geboren wurde drum bin ich hier zu Hause gewesen, ohne den Ort zu kennen in meinem jezigen Leben. Behnmal hintereinander hab ich von diesem Hause geträumt, nein, ich habe allnächtlich in diesen Mauern gelebt und gelitten. Nennst Du das Zufall? Nennst Du das Bufall, wenn aus geheimnisvollen Tiefen, die uns auf ewig verschlossen sind, Stimmungen aufsteigen, die Dir Erinnerungen bringen von einem Leben, das Dir bis heute fremd war, fremd wie der Stein, an den zufällig Dein Fuß stößt auf Staubiger Straße? Was ich geschrieben, habe ich Wort für Wort aus meiner Erinnerung geschöpft, aus der Erinnerung jener Träume, die mich wochenlang überfielen, heimtüdisch und blutgierig wie der feige Schatal bei Nacht, und die mich nimmer aus den Fängen ließen bis heute. Des Menschen Pflicht ist es, den geheimsten Regungen seiner Seele nachzuprüfen, und wär es auch nur, um eine neue Wegtafel zu sehen, die auf falschen Weg weist. Jahrelang habe ich gegrübelt, bis ich die Lösung fand, bis ich den Mut aufbrachte, meiner Bestimmung zu folgen, in die mich das Schicksal gedrängt..
Es war so still in dem großen Zimmer, daß ich das ängstliche Tiden meiner Taschenuhr hörte. Mein Blick hatte sich an das Halbdunkel der Umgebung gewöhnt und unterschied nun mit ziemlicher Deutlichkeit die Umrisse der Gegenstände im Zimmer. Ich sah, daß meinem Freunde der Kopf auf die Brust gesunken war, als schliefe er, doch ein rascher Blid zeigte mir große glanzlose Augen, in denen der Mond widerfchien. Ein namenloser Ausdrud tiefsten Schmerzes war auf seinem todfahlen Antlig eingegraben. Ich gab meiner Stimme einen leichten, sorglosen Klang und suchte das Grauen abzuschütteln, das mich zittern ließ.
" Du hast also," begann ich, den Stoff Deines Romans geträumt? Das fommt oft vor. Mancher Künstler hat die besten Eingebungen bei Nacht; Du hast schwache, leicht erregbare Nerven, ich glaube, so erklärt sich alles auf natürlichem Wege."
Und was sagst Du dazu, daß ich Wochen später, als mein Buch schon lange geschrieben war, zufällig in meiner Zeitschrift einen Artikel gefunden, der nebst anderen alten Bauten der hiesigen Küste dieses Kastell ebenso genau beschrieb, wie mein Werk?"
" Du wirst den Artikel früher einmal gelesen haben; man vergißt leicht solche Dinge; der Traum erst ließ die Erinnerung wieder wach werden. Das ist die Lösung!"
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" Der Artikel war geschrieben nach dem Tage, an dem ich mein Buch vollendete! Du fannst mir glauben, daß ich keinen Augenblid zögerte, mir darüber Gewißheit zu verschaffen. Die Chronit dieses Hauses stimmt, bon fleinen Abweichungen abgesehen, vollkommen mit dem Gange meiner Erzählung überein. Ich weiß feine andere Lösung als die, daß ich irgendwann auf Erden war, ja, lache nur! Daß dann der gewaltsame Ruck des damaligen Todes alles Erlittene und Erlebte in Vergessenheit warf und mir erst lange nachher, im diesmaligen neuen Leben, die Erinnerung wieder auffeimte
„ Das ist Wahnsinn!" wollte ich aufschreien, doch meines Freundes Stimme gewann an Kraft und sprach in eisiger Ruhe weiter, als gäbe es keine Lösung der schrecklichen Zufälligkeiten, die ich nicht anders zu nennen wagte. Ich fuhr mit dem nächsten Zug, der ging, hierher und fand alles so, wie ich es geträumt hatte. Ich wußte, daß ich nun gezwungen wäre, mein Leben hier zu verbringen, jenes Leben fortzuführen, das ich seinerzeit nicht zu Ende gelebt hatte."
Und Deine Frau? An die dachtest Du nicht?" Meine Frau," jagte er mit lauerndem Ton, die war die zweite Hälfte, die sich mit allem zum Ringe fügte, damit es kein Entrinnen gäbe." Er war aufgestanden und maß mit langen Schritten das Zimmer, bald gespenstig wachsend, wenn er in die Helle der offenstehenden Balkontür tam, bald wieder zusammenschrumpfend, in den Boden versinkend, wenn er in dem Dunkel des langgestredten Zimmers verschwand und nur seine trodene Stimme, in der tiefe Erregung zitterte, aus der Finsternis nach mir griff. Das Kastell stand leer. Ich kaufte es der Gemeinde ab, trokdem es mein Eigentum war. Sie gaben es gern und billig, seit der Zeit wohne ich hier." Franz vom Ede war halten geblieben, er nahm hastig einen Gegenstand von der Wand und trat auf den lichtumflossenen Söller hinaus. Ich folgte ihm in einer unerklärlichen Angst, die mir die Knie wanken ließ. Warum er zählte er mir dies alles, warum breitete er die Schrecken seines Wahnlebens vor mir aus, jetzt in einsamer Nacht? Mein Blick flog den Strand entlang. Aus den Villen blitte noch hier und da ein Licht. Das gab mir Ruhe und Sicherheit.
Nacht. Ein Windstoß riß die Wipfel der Binien hin und her, daß sie raschelnd schwankten. Das harte Mondlicht grub weiter in un= fern Gesichtern. „ Dieses Haus war der Schauplab schrecklicher Szenen, es ist hier ein Mord geschehen. Der Ermordete hieß Angolo. Du weißt nicht, was dieses Wort auf deutsch bedeutet?" „ Nein."
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" Angolo heißt Ecke, und des Mannes Vorname war Ses baftiano."
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Du heißt Franz!"
Mein zweiter Name ist Sebastian, er hing mir an durch die Jahrhunderte wie ein altes Kleid, das nicht fallen will." " Du hast überreizte Nerven."
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" Der Mann, der Sebastiano Angolo hieß, zu deutsch Sebastian Ede, dem das Kastell gehörte, und der mir ähnlich sah wie ein Ei dem andern, starb am 14. Juni; das ist der Tag, an dem ich geboren wurde. Der Mann starb, weil ihm der Liebhaber seiner Frau durch Gift das Leben nahm. Bu spät ahnte er den Bu ſammenhang, er konnte sich nicht mehr rächen er mußte hinüber. Damals! Er konnte sein Wert nicht vollenden und lebt nun das neue Leben nur seiner Rache willen!" Ich sah funkelnde, glühende Kaßenaugen, hörte Zähneknirschen und pfeifenden Atem, der schrille Worte schrie:" Der Mann bin ich, und Du hast mir die Frau geraubt. Mich nahm sie nur, weil Du nicht sprachst. Sie hat es selbst gestanden! Dort liegt der Dolch! Nimm ihn und töte mich wieder, wenn Du es kannst!" Ich hörte einen Hahn knaden, sah blizendes Eisen und eine jäh zerflatternde Wolfe, der der Hall eines Schusses nachlärmte, durch die Sternennacht. Man wollte mir ans Leben, das goß Kraft und lebensstarke Roheit in meine Adern! Ich umklammerte ihn und hielt ihn fest, bis die Leute famen.
Willenlos ließ er sich fortführen. Ruhig, wie schlafend, saß er neben uns, als wir ihn, noch in der Nacht, zur Anstalt brachten. Mit findischem Lächeln fingen seine schwankenden Finger das huschende Mondlicht, das durch die herabgelassenen Vorhänge des rumpelnden Wagens schlich. Ein armer Rarr. Er starb bald darauf- am 14. Juni.
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Leipziger Baufach- Husftellung.
Das Baufach im Wirtschaftskörper.
In der Betonhalle der Internationalen Baufach- Ausstellung au Leipzig ist eine wissenschaftliche Abteilung untergebracht, die eigentlich in allerhand Umfapfelungen einen der wesentlichen Zwede demonstrieren sollte, für die eine solche Spezialausstellung da ist. Nämlich: was bedeutet das Baufach im wirtschaftlichen Organis mus? Es ist die Frage nach dem Wieviel, die in dieser Ausstellung mit beantwortet werden sollte.
Dieses Thema aber ist eigentlich nur in einer einzigen Gruppe, der für Statistik, gestreift und in einer Form, die nur durch eingehendes, zeitraubendes Studium erfaßt werden kann; auf 250 Blättern, 90 au 120 Zentimeter groß sind das Baugewerbe, seine Entwickelung, seine Betriebe, die Unternehmungsformen, die Arbeiter, die Arbeitszeit, die Löhne usw. behandelt. Man fann die statistischen Daten bequemer in den Statistiken über die Berufsund Gewerbezählung nachlesen und so wäre es wohl überflüssig, darüber besonders zu berichten.
Aber wir erhalten ein viel lebendigeres Bild von der Stellung des Baufaches im Wirtschaftskörper, wenn wir die ganze Ausstellung unter diesem Winkel betrachten. Das Baugewerbe, d. h. die Zusammenfassung aller im Baugewerbe vorwiegend beschäftigten Berufe und Personen muß die Entwickelung des Bauwesens n seiner Struktur widerspiegeln. Hier affumuliert sich alles. Wo früher zehn für die Zeit ihrer Erbauung schon respettable Bürgerhäuser standen, da erhebt sich jetzt ein Haus. Haus und Baublock wollen immer mehr ein Begriff werden. In demselben Sinne affumuliert sich natürlich auch das Bautapital und die Bauunternehmung. Im wesentlichen bauen wir noch handwerksmäßig, aber die kaufmännische Organisation des Baugewerbes ist fapitalistisch, die Erzeugung und Bewegung der Baumaterialien ist industriell geworden; der handwerksmäßige Maurer, Zimmerer, Betonarbeiter steht dazwischen.
Was für das eigentliche Baugewerbe gilt, das trifft auch bei den Materialproduzenten zu. Früher war es nur der Steinbruch, die Ziegelei, die Sägemühle heute sind es die Industrie der Steine und Erden, die keramische Industrie im besonderen, die Metallindustrie, die Holzindustrie, die mit dem Baufach zusammen hängen, und auf die jede Stockung des Baumarktes empfindlich zurückwirkt. Diese Hilfsindustrien arbeiten zu einem großen Teil ausschließlich für das Baufach. Immer vielfältiger wird die Zahl der Baustoffe nach Material, nach Form und Art und System. Immer größer wird das Angebot, und immer weniger muß sich der Mann vom Bau der Beschränkung fügen, die früher zwingend war, und die den alten Bauwverken vor allem ihren bodenständigen Charakter aufdrückt, nämlich, heimisches Baumaterial zu verivenden. Es waren berühmte, durch alle Geschichte fortlebende Ausnahmen, wenn am Aachener Dom die Säulen aus dem Palast des Wie brennende, suchende Augen der Sehnsucht stierten die Theoderich zu Ravenna verwendet wurden, oder wenn die Kölner Blinkfeuer des fernen Hafens durch das gleitende Dunkel der' den Sandstein zu ihrem Dome aus dem Siebengebirge , die Straß
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Sieh dieses Bild an und sag', wen es darstellt?" Auf den ersten Blid erkannte ich im ungewissen Flimmerlicht die Züge meines Freundes, die trotzig aus einer Halskrause starrten!" Das ist der Erbauer des Kastells, ein florentinischer Edelmann. Das Bild hing in diesem Zimmer, es ist Jahrhunderte alt." Weit und groß öffnete Franz vom Ede seine Augen, daß das Weiße nach vorn trat. Ein leidender, hippokratischer Zug stand um seinen zuckenden Mund. Der Mann und ich jind eine Person!" stieß er hervor. Da hast Du die Lösung!"