daß ein Direktor Rockel gegenüber offen ausspracht daß seine Auf.gäbe gar nicht die Besserung, fondern die Zucht sei: Das WortZucht aber ist nur moralisch einwandfrei, wenn es im Sinne von„Erziehung" gebraucht wird; die Erziehung aber wiederum läßtsich nicht denken, wenn«an nicht em:n Zweck der Besserung imAuge hat. Fällt also die Besserung als Zweck weg, so bleibt von derZuckt nur die unsittliche Peinigung übrig, und die unsittliche Peini-gung war es dann auch, die im„Schloß Waldheim" herrschte.Wie jedes barbarische System konnte auch das im„SchloßWaldheim" nicht ohne barbarische Strafen auskommen. Die Listeder Strafen begann mit der der„Kostentziehung" s~ Hungerkur)und setzte sich dann also fort: einfacher Arrest, strenger Arrest,Dunkelarrest, hartes Lager, Krummschließen, Klotztragen, Latten-arrest, Rutenstreiche, Stockhiebe, Kantschuhiebe. Die Rutenhiebewurden namentlich oft den Frauen zugesprochen. Da jedochstets ein Aufseher die Exekution vollzog, war verordnet, daß diezu Bestrafenden leichte Beinkleider tragen sollten, was jedoch, wiedie Aufseher selbst sagten, nicht oft beachtet wurde,„denn was solltenRutenhwbe durch eine Hose ausrichten?" Es gab Zeiten, erzähltRockel, wo der sogenannte Schimmel, auf den die zu Hieben Ver-urteilten geschnallt wurden, den ganzen Tag über nicht leer standund die mit den Exekutionen beauftragten Aufseher, wozu man�stetSdie kräftigsten nahm, des Abends klagten, daß sie sich wie gelähmtfühlten.Man würde aber irren, wenn man diese Folterstrafen, beidenen die Sträflinge oft genug starben, für das Wesentlich« haltenwollte. So primitiv war die Peinigung in Waldheim keineswegseingerichtet; mmi hatte neben den Stockhieben ein durchgeführtesSystem auch der seelischen Peinigungen. Im Arbeitssaal undüberhaupt in der Anstalt herrschte ein strenges Schweigegebot. Nichteinmal einen Aufseher durften die Sträflinge anreden, bevor siesich durch ein Zeicken die Erlaubnis eingeholt hatten. Jede? Lachenwar verboten und selbst ein Lächeln konnte Stockhieb« nach sichziehen. Das Schweigeverbot war völlig finnlos, da die Sträflingesich im Schlafsaal unterhalten konnten, aber es war ein vortreff-liches Mittel der Peinigung und so wurde es beibehalten. Selbstdie Arbeit war lediglich dazu da, die unglücklichen Menschen zupeinigen, und so braucht man sich nicht zu wundern, daß sie imLaufe der Jahre völlig„entmenscht" wurden. Nicht einmal zumHaß und zur Rachsucht langte es. Dumpf und willenlos, an Leibund Seele gebrochen, lebten sie ihre Tage dahin und waren selbst-verständlich völlig unfähig, sich durch Arbeit zu erhalten, wenn siedas Zuchthaus verließen. Also kamen sie wieder, und also konntedas System von Waldheim wieder an ihnen erprobt werden.Der Aberwitz ist so grell, daß man fast meinen möchte, er könnenicht von Menschen, londern nur von Idioten ersonnen sein. DaßRöckel diesen Aberwitz eines auch heute noch nicht überwundenenSystems in eine so schreckliche Klarheit setzt, ist eine Tat, die rechtviele unserer Leser auf sich wirken lassen sollten.Erich Schlaikjer.kleines feuiUeton.Technische?.Neue Entdeckungen auf dem Gebiete derdrahtlosen Telegraphie. Padre Guido Alfani, der be«kannte Leiter des Observatoriums in Florenz, gibt sich gegenwärtigim Dom seine? Wohnortes sehr interessanten wissenschaftlichenBeobachtungen hin. Guglielmo Marconi brachte ihn jüngst gelegentlicheines Besuches, den er ihm in seinem Observatorium abstattete, aufden Gedanken, durch Versuche festzustellen, ob die Hertzschen Wellen.und zwar auch die, die von entlegenen Sonderstationen kommen, durchMauern dringen und eine in einem vollständig geschlossenen Räumebefindliche radiotelegraphische Anlage beeinflusien könnten. Dajedoch für den Empfang der von fernen Stationen kommendenHertzschen Wellen in großer Höhe durch die Lust gespannte isolierteDrähte notwendig find, findet man nur schwer einen geschlossenen Raum,der den Hohenanfordeningen entspricht. Der Dom von Florenz abermit seiner hohen Kuppelwölbung erfüllte alle erforderlichen Be-dingungen, und Padre Alfani durste mit Erlaubnis der Domgemeindeund der kirchlichen Behörden vor einigen Tagen mit seinen Ber-suchen beginnen. Von der inneren Kuppelhöhe ließ er drei Drähteherab, die drei oder vier Meter vom Boden entfernt an einerSäule befestigt wurden: hier wurden sie, zu einem einzigen Drahtverbunden, mit dem Empfangsapparat in Verbindung gebracht.Kein einziger Teil der radiotelegrapbischen Anlage lag frei,'undPadre Alfani trug noch dafür SorM-, daß alle Fenster der Kirchegeschlossen blieben. Die Versuche begannen in der Rächt vom 2. aufden 8. Juni. Gegen II1/» llhr konnten alle meteorologischen BerichteauS Paris gut empfangen werden. Es wurden dann auch Depeschen ausMadrid und Toulon empfangen, und Padre Alfani konnte konstatieren,daß die Empfangsstärke nur um«st, weniges geringer als bei der Anlagein freier Luft. Als die Versuch« bei Tag wiederholt wurden, konntenMitteilungen nur aus näher gsiegenen Stationen empfangen werden,nicht aber aus Paris; das ist aber eine Folge des hinlänglich b?-kannten Einflusses des Sonnemichtcö und auch der nicht ausreichendenIntensität der Senderstaiion des Eiffelturmes.Vcrantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln.— Druck u. Verlag:Aus dem Tierreiche.Eine weitgereiste Möwe. Die Vogelwarte zu Rosfittenauf der Kurischen Nehrung(Ostpreußen), deren Versuche mit beringtenMöwen, Störchen, Krähen und anderen Vögeln in hohem Gradeinteressieren, kann eine neue sehr bemerkenswerte Beobachtung mit-teilen. Diesmal handelt es fick, wie die.Natur' mitteilt, um eineLackmöwe, einen jener Vögel die sich auf dem moorigen Bruche beiRosfitteu in großen Scharen herumtummeln, und deren Wanderstraßendie Meeresküste und Flußläufe cnllang man in Europa durch diebisberigen Vogelmarkierungen schon recht gut kennen gelernt hatte.Jetzt hat sich einmal solch ein Tier bis nach der Insel Barbados imfernen Westen deS Atlantischen Ozeans verflogen, und der Ring mitNummer 6838 gelangte glücklich, wenn auch wie gewöhnlich, untere.waS abenteuerlichen Umständen, in die Hände ihrer Enisender. DerVogel, der am 13. Juli 1S11, noch nicht flügge geworden, mit demFußringe versehen wurde, ist von einem jungen Burschen ineinem Sumpfe an der südlichen Küste der Insel geschossen worden,und die Aufschrift hatte in der Form„Vogelwarte Rossitten Germanh'zunächst als Adresse eines Briefe? gedient, der dann weitere Er«kundigungen nach dem Verbleiben des Ringes zur Folge hatte..DieMöwe ist von einem Naturkundigen nicht gesehen worden,' hieß esin einem weiteren Briefe,„aber die zwei oder drei Jäger, J)ie siegesehen haben, sind sicher, daß sie nicht zu der Sorte gehört, dieman gewöhnlich hier sieht.' Der Süden von Barbados soll nachdem Urteil erfahrener Zoologen, die die Insel bereist haben, Sümpfeenthalten, die für diese Möwenart nicht geeignet erscheinen. Gleich-wobl ist eS sehr erstaunlich, daß eine Rossittcr Bruchmöwe sich bisnahe vor die Mündung des Orinoko verfliegt, und es ist dies geradein Anbetracht des sonst viel geringeren Verbreitungsgebietes dieserArt ein neues Zeichen dafür, in wie hohem Grade die Vögel Be«Herrscher deS Raumes find.Meteorologisches.Wie entsteht ein Gewitter? AlS Benjamin Franklinzum erstenmal den Blitz eingefangen und untersucht hatte, erschiendas Rätsel des Gewitters gelöst. Je weiter aber die Wissenschaftfortschreitet, desto mehr vertieft sich ihre Fragestellung, und heute istman mit der allgemeinen Antwort über die Entstehung der Gewitterund ihrer elektrischen Entladungen nicht mehr zufrieden. Im JournaldeS Franklin-JnstitutS hat jetzt Professor HumphreyZ eine langeReihe neuer Beobachtungsergcbmsse zusammengestelll, die den Be-mühungen deS Dr. Simpson vom indischen Wetterdienst zu dankensind. Dieser Forscher hat in Simla am Südrand de? HimalajaTaufende von Auszeichnungen veranlaßt, die selbsttätig den Regen-fall und den elektrischen Zustand der Luft in Abständen von 2 Mi-nuten angeben. Die Resultate find so bedeutsam, daßman von einer neuen Einficht in die Natur der Gewittersprechen kann. Die durch den Regen niedergebrachte Elektrizität istzeitweise positiv, zeitweise negativ. Die gesamte Menge von positiverElektrizität aber, die durch den Regen mitgebracht wird, ist mehr alsdreimal größer als die der negativen Elektrizität, und ebenso derpofitiv geladene Regen viel häufiger. I« stärker der Regenfall, destogrößer ist der Anreil der positiven Elektrizität.Seit den grundlegenden Beobachtungen Dr. Simpsons in Nord-indien sind wettere in Deutschland und Frankreich angestellt worden.die in allen Fällen dieselben Ergebnisse erzielt haben. Dr. Simpson hat seineBemühungen aber noch fortgesetzt und eine große Reihe von Ex-pcrimeitten angestellt, um die Verhältnisse eines Gewitters unter denverschiedensten Einzelbedingungen im Laboeatorium nachzuahmen.Die Vorgänge des Gefrierens, des TauenS und der Luftreibunggaben keinen Aufschluß über die Entstehung der Elektrizität. Endlichwurde der Schlüssel gefunden, und zwar in dem Aufbrechen vonTropfen destillierten Wassers durch einen Luftstrom. Es erwies sich,daß dabei sowohl positive als negative Jonen(die kleinsten Einheitender Elektrizität) entstehen, und zwar dreimal mehr negative als positive.Da das Auftreten von Gewittern gewöhnlich, wenn nicht stets mit derEnrwickelung von großen Haufenwolken verbunden ist, so ist anz»-nehmen, daß ein kräftiges Aufsteigen der Luft eine notwendigeVoraussetzung ihrer Bildung ist. Wenn nun die Lust mit einerGeschwindigkeit von etwa acht Metern in der Sekunde aussteigt, sokann gegen diesen Strom kein noch so großer Waficrtropsen abwärts-fallen. Die kleinen Tropfen werden mit nach oben gerissen, diegrößeren zerstäubt, um dann gleichfalls aufwärts gehoben zuwerden. Durch die Zersplitterung der größeren Regentropfenmuß eine Elektrisierung der Atmosphäre erfolgen, undwenn die Tropfen sich wieder vereinigen, so kann sichauch ihre Zersprengung wiederholen. Schließlich werden dieTropfen eine Stelle erreichen, wo der aussteigende Luft-ström ihnen keinen genügenden Widerstand entgegensetzt.und dann alS pofitiv geladener Regen niederfallen. Die kleinennegativ geladenen Wasierstäubchen mögen endlich auch in größerenTropfen negativer Ladung zur Erde gelangen, werden aber meist inder Höhe bleiben, wo sie langsam verdunsten. Daher kommt cS,daß die Hauptmcnge des Gewitterregens pofitiv geladen ist.Vorwärts Buchdarckcrei u.VerlagSamralrPau! Singer«rTo., Berlin SV.