fie noch nicht auf die Beute zu. Bald lassen sie sichhierhin bald dorthin ablenken, wie auch der witterndeJagdhund in Zickzacklinien der Spur des Wildes nachläuft. Endlichfallen sie über den Seestern her, der unter ihren Angriffen seinenschönen Strahlenleib konvulsivisch zusammenkrampft— doch selbst dieschmerzlichsten lvildesten Krümmungen des Ueberfallencn lasten diehungrigen Räuber nicht von ihrem Opfer abstehen.Eine andere Raubschnecke ist der.Schrecken des Regenwurms",Testaoella nennt fie der Zoologe. Dies merkwürdige Wesen ähneltunserer Wegschnccke, nur trägt sie uicht zu ihrem Schutz einen kleinenMantelschild, sondern der ganze schmiegsame Körper ist in eine hartelederartige Haut gekleidet. Denn sie ist zugleich eine Miniererin wieder Regcnwurjn selbst, den sie in dem Labyrinth seiner unter-irdischen Gänge überfällt. Mir auffälliger Kraft weiß sie sich in denBoden hineinzugraben und dort lauert sie mit Maulwurf undMäusen dem ahnungslos vorbeikriechendeu blinden Erdfresser auf,der allerdings viel schneller als seine Feindin ist. Hätte sie nur wiedie übrigen Landschnecken eine gezahnte Zunge, würde sie meist desrasch sich davonkriimmenden Opfers wohl kaum Herr werden. Abersie besitzt statt dessen, ähnlich wie Fischreusen, eineil Rüffel, den sieplötzlich weit vorschnellen kann. Eine Art dieser fleischfressendenSchnecke beobachtete Johnston auch im südlichen Frankreich.Zu dem Anormalsten aus dem Gebiet der Schnecken aber gehörtwohl die Augenbildung der Onchidien-schnecken auf deren Rücken.Nicht zwei Augen tragen sie hier— das Wunder der Natur blickthier aus einer ganzen Unzahl von Augen nach dem drohenden Feind IDer ganze lcderartige Rücken ist mit diesen spähenden Augen be°deckt, die fie ganz gewiß nicht zur Betrachtung des Meeressandes ge-brauchen, auf dem sie hinkriechen. Vielmehr spähen sie damit nachüber sie hinschwimmenden oder hinfliegenden Fischen aus. Aber waswürden ihnen die Augen allein nützen, wenn sie nicht ein Vorzug-liches Schutzmittel hätten, um sich des Angreifers zu erwehren.Außer mit den Augen ist nämlich ihr Rücken mit kleinen Drüsen de-sät, die mit einer beizenden Flüssigkeit gefüllt find. Zu deir ge-fürchtetsten Feinden der gern ain Strande hinkricchenden Onchidien-schnecken gehört eine Art Hüpffische(LsriopbÜiaimus)._ Diese erheben sich leicht einige Zoll in die Luft und werfen, wie Semperausführt, oft schon von weitem ihren Schatten auf den Rücken derSchnecke. Diese hat ihre zahlreichen Augen(bei einem Exemplarzählte man S8 Stück 1) nach allen Richtungen gerichtet. Nunerblickt sie plötzlich den Fisch oder seinen Scholien; ebenso raschzieht sich der ganze Körper zusammen und drückt nun von allenSeiten mit großer Kraft auf die in der Haut steckenden Drüsen.� Diekleinen Sekretkügelchen werden mit Gewalt aits den Drüsen-öffnungen hervorgeschleudert. Zu Hunderten und Tausenden spritzensie in die Luft hinein, dem verfolgenden Fisch entgegen, für den dieSchnecken ein wahrer Leckerbissen sind, da sie sich ihm gänzlich nacktdarbieten. Aber getroffen von dem Sprndregen der kleinen, ihmschädlichen Geschossen wendet er sich erschreckt und verwirrt ab unddie wehrhafte Schnecke ist vor der Vertilgung gerettet. Ganzauffällig ist aber, daß die Onchidien an Orten, wo fienicht von nachstellenden Fischen zu leiden haben, auchkeitte Rückenaugen zeigen. Eine ganz« Reihe von Augentragen auch die sogenannten Käferschnecken auf dem Rücken,so daß die Onchidien nicht als die einzigen Wundertiere dieser Artdastehen. Die Käferschnecken haben, von oben gesehen, eine groß-Aehnlichkeit mit dem Bau unserer Käfer, da der Rücken gänzlich voneinem Mantel horniger, sich rund vm den Körper schmiegender, manch-mal gar mit vielen Dornansätzen besäter Panzerplatten umgebenist. Man erkennt die Augen außen als runde gewölbte Flecke, diedas Licht stark brechen. Wie beträchtlich unter Umständen die Anzahlfein kann, zeigt die Feststellung Moseleys. der auf dein Rückeneine? großen Ercmplars 11500 zählte I Die Tiere sitzen gerndicht unter der Oberfläche des Wassers auf Felsen und Klippen, sodaß sie während der Ebbe gänzlich trocken liegen. Naht ihnen nuneine hungrige Möwe, ein vorbeistreichender Storch oder sonstigerHungergast, rollen sie sich im Schalenpanzer wie Affeln zusammen.lassen sich ins Waffer falle« oder rollen auf den Strand, wo sie mitihren Deckfarben nunmehr nur noch wie ein runder Kiesel er-scheinen und auch für das schärfste Bogelauge nicht mehr zu er-kennen sind. Naht man ihnen aber vorsichtig mit der Hand, sosaugen sie sich hin und wieder so fest an den Stein, daß man fieeher in Stücke reißen, als von der Unterlage abziehen könnte.kleines Feuilleton.Sprachkundliches.Kann etwas schön schmecken? Es gibt Gegenden indeutschen Landen, in denen man schön nur vom Aussehen gebraucht.in anderen aber stößt sich niemand daran, wenn man es auch vomSchmecken sagt. Die Frage, ob man sage könne, daß etwas schönschmecke, kann nicht entscheidend beantwortet werden. Die Ausdrücke,die von den Wahrnehmungen der fünf Sinne reden, haben alleBedeutungSübergäitge durchgemocht..Süß", ursprünglich nur.dasGefallende" bedeutend, wird vornehmlich von Geschmackswahrnehmungen gesagt, aber doch spricht man auch von einem süßenGerüche" oder von süßen Tönen..Hell", mit„Hall" und.hallen"zusammenhangend, wird bis ins spätere Mittelalter hineinnur von GehörSempfindungen gebraucht, wie noch heute zumBerantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln.Beispiel.ein Heller Klang", und doch sprechen wir auch von hellenFarben, bezeichnen also damit auch etwas, was wir mit dem Ge-sichte wahrnehmen..Scharf", womit nach der Grundbedeutung etwasEinschneidendes benannt wird, dient zunächst nur zur Angabe vonEmpfindungen des Gefühls, daneben aber doch auch für solchedes Gehörs, Geruchs und Geschmacks, loie„ein scharfer Ton",„ein scharfer Geruch",.ein scharfer Geschmack". Und mitdemselben Bedeutungsübergange(vom Gefühl zum Ge-schmack) sprechen wir von.eine»« beißenden Geschmacke".Nicht anders verhält es sich bei dem Worte.schön", das,von„schauen" herkommend, ursprünglich nur daS.Geschaute",.Gesehene" bezeichnet, dann mit einer Verengerung der Bedeutung dasdem Auge Wohlgefällige, das aber weiterhin auch für Wahrnehmungenanderer«inneswerkzeuge verwendet wird:.die Blume riecht schön",.die Musik klingt schön",„die Wurst schmeckt schön". Und daß ge-rade auch diese letzte Uebertragung nichts Ungewöhnliches an sich hat,wird der Leser vielleicht bei sich selber beobachten können, wenn ersich des gewiß auch von ihm bei besonders hervorragenden Gaumen-genüssen schon verwendeten Ausdrucks erinnert:„Schmeckst duprächtig!" Denn.prächtig" ist von.Pracht" abgeleitet, und diesesWort heißt ursprünglich und in der älteren deutschen Sprache nichtsweiter als„Lärm",„Geschrei", dient also zum Ausdrucke einerGcbörswahrnehmung, während die heutige Sprache damit nur einenGesichtseindruck wiedergibt:„Pracht der Ausstattung". Und dochwird das Eigenschaftswort„prächtig" unbedenklich auch für Geschmacks-empfindungen verwendet.— Der beanstandete Gebrauch des Wortes„schön" ist also nichts Sprachwidriges, und wenn er hier und da soempfunden wird, so kommt das nur daher, daß er nicht überall indeutschen Landen gleichmäßig verbreitet ist.Völkerkunde.Zigeunerzeremonien. Von einem Zigeuner wird unsgeschrieben: Die Liuts(Zigeuner) waren von jeher, besonders fürvölkerkundliche Forschung ein interessantes Volk. Infolge ihres ab-sonderlichen Nomadenlebens haben fie selbst in unserer allesnivellierenden Zeit ihren exklusiven Charakter bewahrt und find auchjetzt noch einer der wenigen Volksstämme in Europa, der für dieVolkskunde noch unmittelbares Anschauungsmaterial liefert.Wenn freilich die Vertreter der Zivilisation im sogenannten.Humanitätsjahrhundert" nichts Besseres zu tun wissen, als gegendies vielgeschmähte Volk, das in Wahrheit weitaus besser ist als seinRuf, mit neuen inhumanen Maßregeln vorzugehen, sich sogar nichtscheuen, die.Zigeunerfrage' durch ein„Ausnahmegesetz" zu lösen,so wird man bald nicht nur von den zigeunerischen Gebräuchen undder Zigeunersprache als von etwas Vergangenem sprechen können,sondern von dieser ganzen Raffe selbst.Allgemein verbreitet ist unter den Zigeunern eine eigentümlicheZeremonie DorvIsslrerpaKi(Gottesurteil) genannt. Vielleicht beruhtdiese Zeremonie auf einem uralten Volksglauben ihrer ursprünglichenindischen Heimat. Wenn auch die Erinuerung an diese alle Zeit undder indischen Vorfahren nur dunkel ist, so hat sie sich doch inmancherlei Gewohnheiten erhalten. Manches steckt dem Uotnu-notschel(Zigeunervolk) noch aus ihrer Vergangenheit im Kopfe, dasinfolge ihres Aufenthalts in christlichen Ländern nur eine christlicheFärbung angenommeit hat. Denn bezüglich dieser Gottesurteile glaubendie Zigeuner, daß ein Angeklagter durch unmittelbares Eingreifender Gottheit überführt werden könne.(Aehnlich den durch Zwei-kämpf ausgetragenen Gottesgerichten im Mittelalter oder dem späterdafür von der Kirche eingefiihrten Kreuzgericht.) Man unterscheidetsieben Arten solcher zigeunerischer Gottesurteile mit verschiedenenProben. Nur die Beschuldigten müssen sich dieser Proben unter-ziehen. Durch Bestehen der Probe wird dann die Unschuld erwiesen.Wer sie nicht besteht, muß zur Sühne an den Kläger ein Geldopferentrichten.Die zwei schwersten Gottesgerichte sind wohl das Dsotridongar-pagi(Zungenurteil), weil da der Angeschuldigte ein glühendes Eisenlecken muß. und das Lastsrrnpagi(Eisenurteil), bei dem er einglühendes Stück Eisen zu halten hat. Findet keine Verletzungdurch Verbrennen statt, so gilt es als ein Zeichen der Un-schuld. Beim Gnropagsi(Dornurteil) wird dem Angeschuldigtenein Dorn— in dessen Ermangelung vertritt auch eine Nadel dieStelle— in den linken Goldfinger gestochen. Fließt dabei keinBlut heraus, so wird er auch für schuldlos erklärt. DaS Dondipagsi(Salzurteil) besteht darin, daß die Augenlider mit Salzwasser de-strichen werden. Laufen dabei dem mutmaßlichen Täter die Augenüber, so ist er schuldig. Auch daS DuUpaxi(Fetturteil) gleicht einerVerbrennungsprobe, wobei der Beklagte in heißes Schmalz oder inein anderes siedendes Fett ebenfalls den linken Goldfinger, undzwar je nach der Schwere des Falle? drei bis neunmal, hinein-tauchen muß. Zeigen sich keine Blasen, so bewachtet man ihn fürunschuldig. Stspagi(Sprungurteil) und Jahrengerpagi(Eierurteil)sind die zwei letzten und auch unschuldigsten Proben.Der Verdächtige muß mit Eiern, getvöhnlich mit neuit, nach einentBaum werfen und ihn wenigstens einmal treffen, um fiir unschuldigzu gelten oder von einem erhöhten Platze herabspringen, ohne zuBoden zu fallen.Diese sonderbaren Xrisuia(Gerichte) finden nur bei Gelegen-heit von Begräbnissen statt, wobei die betreffende Zeremonie vor-genommen wird, während die Kleider de? Verstorbenen verbranntwerden.--- Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckere» u.Verlag»a»jraItPaulSingec�Co.,BcrlinZ>V.