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Einen Augenblic lang fühlte er sich beruhigt. Sie afmete, waren". Wilder und leidenschaftlicher wird freilich die Stimmung. so start sie nur konnte. Ihre Brust hob sich, und er bemerkte als zum Blämischen das Wallonische tritt, als er seine ersten volts. fogar, daß sie mit ihren Hals- und Kinnbadmuskeln lebhafte An- tümlichen Erzählungen, seine Geschichten in der ungefügig- derben trengungen machte. Mein Gott, Vater Turpin wußte sehr wohl, Manier des Pieter Breughel, seine ersten Romane schreibt, in denen daß er nicht viel verstand. Aber er wußte doch ganz genau, daß er wirklich mit Holzschuhen in der heimischen Erde unserer Bauern die Krankheiten große Kugeln find, die sich in irgendeinem Teile watet." Noch als Angestellter bei der Verwaltung schreibt er des Körpers festseßen. Bei Mutter Turpin steckte sie sicherlich während der Dienststunden hinter einem Wall von Atten Werte von im Halfe. Er rief ihr zu: chaotischer Gier, durchströmt von den Gluten wilder Erotik, die nie das Licht der Deffentlichkeit erblickt. Diese Sturm und Drangzeit findet ihren Höhepunkt in den beiden Romanen, die ihm den ersten jungen Ruhm eintrugen, die das Lob Flauberts und Taines fanden: in Le Male"( Der Mann) und Le Mort"( Der Tote). Der kraftvolle Naturalismus Lemonniers zeigt sich hier in feiner vollen Blüte.
" Da, da fißt sie! Versuch's, Du kannst fie runterschlucken." Als sie nicht mehr atmete, beugte er sich zunächst über sie und sagte:
" Na, nun ist's ja so weit!"
Ja, sie war so weit! Doch was Water Turpin sah, war so außergewöhnlich, daß er sie nicht allein anzublicen wagte. Er holte die Nachbarsfrau, Mutter Lepeutre, obgleich er sich sehr schlecht mit ihr stand und sie seit Jahren nicht angeredet hatte wegen irgendeiner Hühnergeschichte, die sie miteinander gehabt.
„ Kommt doch mall Ich weiß nicht, was meine Alte hat." Was Mutter Turpin hatte? Tot war sie. Mutter Repeutre jah das auf den ersten Blick.
Also so war er, der Tod! Ach wenn er das gewußt hätte, wäre er schon eher zu Mutter Repeutre gelaufen! Man schickte noch zu anderen Nachbarn. Bater Turpin fah jezt nicht aufs Geld. Er wollte sogar, daß man den Arzt holte.
Der Begründer der belgischen Literatur.
es
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Wohl hat er
,, Le Male", die Geschichte der männlichen Bestie, des Wild diebes, der im engsten Verein mit der großen Natur zum Raubtier wird, hat eben so enge Beziehungen zu Zolas„, Bête humaine" wie der Bergwertsroman ,, Happe- chair"( der eiserne Moloch) zu Zolas Germinal". Aber über den stofflichen Aehnlichkeiten darf man das Andersartige und Gegensätzliche nicht übersehen. Schon in dem 1870 aus den Eindrücken einer Bilgerfahrt nach Sedan entstandenen Werke„ Les charniers"( Das Beinhaus) trat eine viel flarere und nüchternere Beobachtung, eine stärfere Charakterisierungskunft zutage, als sie Zolas stoffähnlichem„ Dèbâcle " eigen ist. Was dem Barijer fehlte, das hat in der Kunst des Belgiers tausendfältige Frucht ge tragen: die Bodenständigkeit, die inbrünstige Liebe zur heimischen Scholle. Lemonnier ist nicht müde geworden, immer wieder die Herrlichkeiten seines Vaterlandes in Vergangenheit und Gegenwart, in Geschichte und Kunst zu schildern, set Alls vor mehr als vierzig Jahren Camille Lemonnier seine wissenschaftlicher Darstellung, in den wundervoll fruchtbare und großartige schriftstellerische Tätigkeit begann, da gab geichriebenen Büchern ,, La Belgique "( Beigien) und„ La vie Belge" es noch keine belgische Literatur; Belgien war in seinem Schrifttum( Das belgische Leben"), sei es in seinen Romanen. eine Vorstadt von Paris . Nun, da der Meister sein reiches Leben fich gelegentlich in seinen vielen, vielen Büchern in lebertreibungen geendet, läßt er eine blühende nationale Dichtung zurück, die von und Maßlosigkeiten verloren, so in dem viel besprochenen Roman seinem Werk die wichtigsten Anregungen empfangen. Das feurige" Der Mensch in der Liebe", der ihm einen Prozeß wegen Unfittlichkeit Bekennen der Jung- Belgier zum eigenen Wesen und zur eigenen Bertiefung und Befeelung der üppigen Stoffmassen ein, die er vorzuzog. Doch im ganzen tritt in den späteren Werfen Lemonniers eine Scholle, es war das Leitmotiv in der Lebensarbeit Lemonniers. her nur mit den Sinnen geschaut hatte. Die erstaunliche FruchtbarMan hat ihn den belgischen Zola" genannt und dabei nicht beachtet, feit seiner Phantasie, die ihn an die 70 Werte schaffen ließ und die etwa wie ganz original und selbständig seine Kunst war, troh ihrer Ber - durch folgende Stationen bezeichnet wird: 1899 das 50. Buch, 1906 wandtschaft und ihrer gelegentlichen Nachahmung des französischen das 60. Buch usw., führte zu feiner Erschlaffung feines Talents, Naturalismus. Die aus der Verbindung blämischer und wallonischer sondern es war der beste Beweis für seine gewaltige Begabung, daß Art entstandene belgische Nationalität, diese an Gegensägen so reiche und doch so lebensvolle Mischung germanisch- romanischer Art, hat er immer stärker und freier, reiner und reifer wurde. in dieses Dichters Schöpfungen einen unvergänglichen Spiegel ihrer sich von der Schilderung der Gegenwart in eine ferne Urzeit, in eine Diese Um- und Einkehr erblicke ich zunächst in den Werken, die Liebe und ihres Hafſes erhalten; in dem Kampf der beiden Stassen, primitive Welt flüchteten. Das sind Bücher wie„ Adam et Eve" in dem abwechselnden Hervortreten beider Volksströmungen und in ihrer endlichen wundervollen Verschmelzung vollzieht sich Le- und das letzte köstlichste mit dem für Lemonnier so bezeichnenden monniers über eine fabelhafte Fülle von Werken unübersehbar aus- Prosadichtungen werden wir da entweder in die graueste Vorzeit Titel„ Am frischen Herzen des Waldes". In mystisch- phantastischen gedehnte Entwidlung. In seinen schönen, noch kurz vor seinem Ende veröffentlichten Utopien und Robinsonaden sind ein hohes Lied auf die ewige Neinoder in die primitivsten Anfänge der Kultur geführt, und all diese Lebenserinnerungen legt der Dichter Rechenschaft ab über die Mächte heit und Schönheit der unsprünglichen Natur, sind der Sehnsucht der Abstammung, die in ihm lebendig wurden. Meine Säfte, meine Triebe haben von dem gallisch romanischen Herzen meiner Ahnen entsprossen, sich rein zu baden von den wilden Trieben der Kultur, ihre Mahnung gesogen: auch ein Tropfen italienischen Blutes war zu den Urquellen des Lebens hinabzusteigen. Mit reinerem Aug' und durch meine Ahnen 8anina in meine Adern gelangt. Ich bin inflarerem Blick kehrt der Dichter von diesen Visionen einer parawechselnden Abschnitten bald der Vläme, bald der Wallone meiner diesischen Welt in die Wirklichkeit zurück, und so haben die Dich Ahnenschaft gewesen." Vlämisch ist die innige Gemütstiefe, die umgen, die er im zwanzigsten Jahrhundert geschaffen, zum Teil eine visionäre Naturversenkung, die Freude am Kleinleben, die gleich in weiche, feine und zarte Stimmung, einen seelischen Duft, den er den ersten Arbeiten des jungen Schriftstellers sich zeigt; wallonisch früher seinen Werken nicht zu geben wußte. Le bon amour", die das revolutionäre Pathos, die wilde, manchmal bis ins Maßlose gute Liebe, die den Titel eines seiner Romane bildet, fiegt: die gehende überschäumende Sinnlichkeit. In den zwei Künstlern, denen fann wohl sagen, daß es das germanische Element in Lemonniers über der sinnlichen Leidenschaft stehende, geistige Sympathie. Man dieser feine Kunstkenner nahe verwandt war, in Constantin Meunier , dem ernsten Schilderer des tragischen Heldentums des Arbeiters, und Individualität ist, das hier triumphiert. Diese große Begabung, in Félicien Rops , dem Schilderer des dämonischen Weibes, sind die Bilder sich wie eine Naturkraft in dem Stil seiner Dichtungen ausderen üppigfchwellende Farbenpracht, deren fruchtbarer Reichtum der gleichen Gegensäge germanischer und romanischer Welt und lebt, bietet uns zugleich das Schauspiel einer freien Entfaltung und Menschengestaltung verförpert. Ueber diesen beiden aber ist es noch höheren Entwidelung. Daß eine Gesamtausgabe der Romane Leein dritter Meister der bildenden Kunst, dessen Wesensart in Wort und Schrift Lemonnier hat wieder aufleben lassen, Rubens, der monniers in deutscher Ueberjeyung begonnen wurde( in Axel Junkers große Genius der niederländischen Kultur, dem Lemonnier gleicht in Berlag), läßt hoffen, daß auch bei uns fich ein Publikum für seine der gesunden urweltlichen Sinnenfreude, in der bacchantischen Luft echte und bereits historisch gewordene Kunst finden wird. Er war des Genießens und in der mächtigen Rhetorik. Nur einer reiner Epifer, seine Dramen sind mit Ausnahme einer verunglückten hatte vorher in Belgien diesen besten Mächten der Vergangenheit hat er als Kunstkritiker geleistet und das Schaffen der großen NiederMaeterlinciade nur Bearbeitungen seiner Prosawerke. Treffliches Ausdruck verliehen, Charles de Coster , der Sänger des heute auch länder wie der großen modernen Naturalisten in Worten nachbei uns so viel geleſenen Eulenspiegel", aber sein Lied war verhallt, sein Name ist erst durch die Späteren bekannt gemacht gedichtet. Dr. Paul Landau . worden. Lemonnier erst brach der belgischen Literatur die Bahn; er war der Führer der Jungen, und es ist bezeichnend, daß, wie sein größter Genosse Verbaeren erzählt, der Zusammenschluß der Bewegung auf einem Bantett geschah, das man vor einem Vierteljahrhundert Lemonnier zu Ehren veranstaltete, weil ihn feindliche Einflüsse um einen wohlverdienten Preis gebracht hatten.
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Kleines feuilleton.
Hygienisches.
Das vorherrschende Grün in der Natur erfreut, Erinnerungen der Kinderzeit, echt germanische Vertiefung in die wie die Natur" schreibt, nicht nur das Herz immer wieder von Märchenfeligkeit des erwachenden Menschentums haben den später so neuem, sondern ist auch von ungemein wohltuender Einwirkung auf rücksichtslosen Naturaliſten zum Boeten werden lassen. Für seine die Sehkraft des Auges. Wenn man ermüdet von langer Schreib, beiden blonden Mädchen schrieb ec entzückende Kindergeschichten, Näh- oder anderer Arbeit, die fast ununterbrochenes Schauen auf bunte Märchen von guten Heiligen, Menschen und Tieren, von einen Punkt erfordert, die Augen auch nur furze Zeit ablenkt und föjtlichen Leckereien, wie sie in der Engelsküche des Märchens in die Weite, vornehmlich aber über faftiges Grün gleiten läßt, für artige Kleine gebacken werden. Echteste Schönheit lebt dann erholt sich der überanstrengte Sehnerv schnell wieder. Das in diesen„ goldumsponnenen Legenden, darin die echt vlämischen Brennen der Augen läßt nach, der Druck, der sich meist bei leber Symbole meiner Begierden und Sünden in Form von ehrfamien anstrengung auf der Stirn einstellt, verschwindet, und die Sehkraft, Männlein aus Kuchenteig und Marzipan für alle Zeiten verewigt die sich mehr oder weniger vermindert hatte, nimmt wieder zu.