leidenschaftlichsie verworfen und bekämpft werden von allenPhilosophen der alten Denkungsart. Si« müssen den Kampf gegenfie ausnehmen, denn eine Lehre, die dem Denker die Möglichkeitabspricht, die Wahrheit zu erkennen, wendet sich im letzten Sinngegen die Berechtigung zum Deerken überhaupt.ES ist etwas anderes um die Frage des Montaigne: was weihich, um den Spott des Skeptikers, den Zweifel des Erkenntnis-theoretikers und um die wuchtige trockene Mathematik eines solchenRelativitätsphysikers. Skepsis ist eine angenehme Würze des Denkens,ein geistreiches Spiel mit Möglichkeiten. Der Gedanke von derRelativität alles Seins war nicht neu, oft hat der Menschengeistschon mit ihm kokettiert— aber nun trifft es ihn wie eine Ernüch-terung nach hochfliegendem Rausch, datz aus dem Spiel Ernst undrauhe Wirklichkeit werden soll. Das Hirngespinst der Philosophentritt nun auf einmal mit mathematisch-phyfikalischen Beweisen für sichauf. Höhnisch dreht es das alte übermütig stolze Wort des Hege-liSmus in sein Gegenteil um: Wenn Taffachen und Logik nichtharmonieren— um so schlimmer für die Tatsachen. So soll esnicht mehr heitzen, sondern die unerbittliche Sprache der Zahlenverkündet das Frösteln machende Urteil: um so schlimmer für dieLogik.Man sucht in dem Strom der einstürmenden unbehaglichen Ge«danken sich auf die Insel des Zweifels zu retten. Vielleicht steckt indiesem unmöglich erscheinenden Ergebnis ein Rechenfehler? Es isteine Theorie und nichts weiter I Man durchstöbert das bereitsmächtig anschwellende Schrifttum der Relativitätslehre und findet,dah mit ihr gar niancherlei in der bestehenden Naturerkenntnisschwer vereinbar ist.Ist das Relativitätsprinzip ein Universalgesetz der Natur, dannmüßte es sich auch im Laufe der Gestirne offenbaren. Und— unheimlicherweise kennen wir solche I Der Planet Merkur hat inunserem Sonnensystem die rascheste Bewegung; an ihm war amehesten ein Einfluß, der mit dem Prinzip der Relativität im Ein-klang wäre, zu erwarten. Und gerade er zeigt wirklich Ab-weichungen, die die alte Mechanik des Himmels nicht zu erklärenvermochte.Und außerdem: es gibt bereits eine vollkommene experimentelleBestätigung des Nelativitätsprinzips. Die Versuche von Bucherer,die an die Messung der Geschwindigkeit der Elektronen anknüpfen,haben unabhängig von dem Relativitätsprinzip zu der Einsicht ge-fährt, daß die Masse der Elektronen nichts Absolutes sei, sondern vonder Geschwindigkeit abhänge. Das ist eine vollkommene Bestätigungdessen, was wir lieber nicht finden wollten. Auch bei kühlster Er-wägung alles Für und Wider muß man sicki sagen: da? Relativitäts-Prinzip ist, ivenn auch noch nicht völlig zweifellos, so doch einedurchaus ernst zu erwägende neue Erkenntnis von unausdenkbarerTragweite.Hier ist der Kampfplatz, auf dem die bedeutsamsten Schlachtender Forschung geschlagen werden müffen. Es geht wie ein Bor-ahnen einer Götterdämmerung durch die Welt der Wiffenschaften,und sie steht vor so schweren Tagen der Entscheidung wie niezuvor.Kleines feuilleton.Literarisches.Alte deutsche Volksbücher. Die Volksbücher sind,neben Volkslied und Märchen, die wirkliche Dichtung des Mittel-alters, der vollkommene Ausdruck des mythenbildenden, die Er-scheinungen poeusierenden Geistes dieser Epoche. Die EntWickelungdes deuschen Geistes ist keine gradlinige kontinuierliche gewesen. Siewurde, als sie eine feste Struktur zu bilden begann, durch dasChristentum unterbrochen. Aber das junge, wachstumkräftige Volks-tum assimilierte sich das ihm aufgezwungene fremde Weltbild, dasden germanische» Mylhos verdrängte, und schuf auS ihm, sowie ausTrümmern der alten Sagenvorstellungen, sowie aus zufließendenFragmenten der Antike und des Orienls sich eine neue Phantasie-welt von eigener Prägung. Es bildet die fremden Elementenational um und es war im Begriff, diese Welt in origineller Weisedichterisch zu gestalten, als das Herauskommen derhöfischenPoefie.die diebewußt angewandte Kunstübung einer BildungS klaffe ist, diesen Ab-lauf störte. Die Ritterpoesie fälschte den Geist der Legende und derSage und zwang der eigentümlichen Stoffwelt einen fremden äußer-lichen Stil auf. Da flüchteten sich die vom eigentlichen Geiste desMittelalters erfüllten Stoffe in das Latein klösterlicher Schreiber.Erst im 14. und 15. Jahrhundert bildete sich im Volke selber eineneue Stilkraft, die die alten Stoffe aufs neue erfaßte und ihnen«ine dem allgemeinen Geiste angemessene Form gab. Die Heiligen-legenden lebten wieder auf: die Wundermärchen von Melusine undFortunat: Abenteurergeschichten und all die unzähligen Stoffe, indenen das Volksleben dieses Abschnitts der Weltgeschichte, von demchristlichen Gedanken, wie er sich in der Hierarchie der alten Kircheund den ihr unterstellten Gemeinschaftsbildungen verkörperte, be-herrscht wurde, pulsiert. ES entstanden die Volksbücher, in denenwir heute die Geburt einer nationalen epischen Prosa erkennen.Verantw. Redakteur: Albert Wachs, Berlin.— Druck u. Verlag:'Aber wenn die Zeit vor der Reformation eine Fülle der Volksbuch-dichtungen brachte, die von einem großen Reichtum des allgemeinenLebens zeugen, nach der Reformation verändert das alte Weltbildsich von Grund auf und die Dichtung gerät in Abhängigkeit vonftemden Mustern. Wir haben von da ab Dichter, aber keine nattonaleDichtung mehr, wenn auch die Gestalten bildende Kraft der Volks«Phantasie sich noch einmal zu den Figuren eines Faust und Eulen-spiegel erhebt.Die Volksbücher kommen in Vergessenheit. Da ihre Form nichtmehr verstanden wurde, verdarben sie bald. Seit dem Sturm undDrang und seit der Romantik ist indes bei den Dichtern, denen ausder Not der Vereinzelung der Begriff der Nationalliteratur wiederaufging, das Interesse an ihnen wieder erwacht, und manche ihrerGestalten ist durch selbständige Ergreifung und Umbildung neu er-standen. Auch wurden die alten Bücher aufs neue herausgegeben.Was aber von allen übersehen oder in der verderbten Form nicht er-kannt wurde, das ist die darstellerische Eigenart und epische Kraftdieser Gebilde. Das Stilelement zu erkennen und in seiner Eni-Wickelungsbedeutung richtig einzuschätzen, war unserer Zeit vor«behalten, in der die Sehnlucht nach der großen Form des Daseinsund mit ihr da? Suchen nach dem Kunststil, der vollkommener Aus-druck ist, zehnfach stark sich geltend macht. Bahnbrechend ist hier dieArbeit von Richard Benz, der im Verlag Diederichs in Jena eineReihe der Volksbücher erneuerte und auch eine feine literaturkritischeAbhandlung über die Materie veröffentlicht hat. So dankbar einBuch ist, wie die bei Langewiesche erschienene Zusammenstellung vonVolksbüchern(Magelona, Faust, Schildbürger, Melusine usw.), sosieht man doch erst an den Benzschen Ausgaben, Ivie wichtig eineTextgestaltung ist, die Färbung und Rhythmus der Sprache zu wahrensucht. Zu den Volksbüchern gehören naturgemäß auch dieHolzschnitte, diedenn auch in dem Langewiescheschen Bande nicht fehlen. Zu dieserDichtungsgattung zählen nach Art und Stil ebenfalls die Legenden desHeiligen. Hier hat der Jnselverlag, der in seinen SV Pf.-Bändchcngleichfalls eine Reihe von Volksbüchern bringt, wundervolles geleistetdurch das zweibändige Passional, daS Severin Rüttgers heraus-gegeben hat und daS 146 Holzschnitte aus einem Lübecker Druck von1492 zieren.In all' diesen Werken leben schöpferische Pbantasiekrüfte unsere?Volkes wieder auf, die gewiß nicht tot sind; die nur durch die Rich-tung unseres Dasein? in falsche Bahnen getrieben worden. Ob wirsie nicht auf dem Wege über die alten Volksbücher zurücklenken undin neuem Geiste fruchtbar machen können? ES wäre ein Ziel, aufsinnigste zu wünschen. Doch dazu müßte unserem ganzen Dasein erstein neuer Inhalt wachsen, neue Inhalte des geistigen wie dessozialen Lebens.?. H.Völkerkunde.Was die Neger von den Vulkanen denken. Dieafrikanischen Eingeborenen haben nur auf einem verhältnismäßigkleinem Gebiet deS Erdteils Gelegenheit mit tätigen Vulkanen inBerührung zu kommen, nämlich in dem Bereich des großen oft-afrikanischen Grabens und besonders in der Gegend von Ruandanördlich vom Kivusee mit seinen mächtigen Bergkegeln. Hier stehendie Neger unter so starkem Eindruck einer vulkanischen Natur, daßihr ganzes Denken und ihre religiösen Vorstellungen dadurch be-herrscht werden. Die Vulkane machen sie zum Aufenthaltsort derGeister ihrer Vorfahren. Die guten Geister versetzen sie in denersten Vulkan auf der Ostseite der Kette, den Muhabura. Hier istder Lieblingssitz des Schutzgeistes von Ruanda, des Ljangombe,und er verbringt dort seine Zeit mit Jagen, Trinken, Rauchenund Plaudern, also den Lieblingsbeschäftigungen der Neger selbst.Auf jenem Berg steht man auch in Gefahr, der weißen Kuhdieses Geistes zu begegnen, die niemand sehen kann, ohne zu sterben.Kein Neger, geschweige denn ein Europäer, kann diesen heiligenBerg besteigen und lebend zurückkommen. So meinen ivenigstensdie Eingeborenen selbst. Die treuen Anhänger des guten Geisteshaben die Aussicht, nach ihrem Tode das dolos far nients ihresGottes auf dem Vulkan zu teilen.Auch die bösen Geister haben ihren Vulkan für sich. Das istder Rjirabongo, der zum letzten Mal 1906 einen Ausbruch hatte. Diebösen Geister sind selbstverständlich die Urheber der vulkanischen Ge-walten. Sie erregen die Erdbeben und die Lavagüffe. Wenn dieEuropäer den Eingeborenen diesen Aberglauben ausreden wollten,so schüttelten sie einfach lachend den Kopf und sagten,in Europa verstünde� man nichts davon. Die Vulkane diesesGebiets bestehen von Osten nach Westen i» acht Gipfeln, die sämtlichüber 3<)(>v Meter hoch sind und im Karisimbi sogar 4ö00 Meter erreichen. Sie bleiben damit freilich immerhin noch erheblich hinterdem weiter nördlich gelegenen Ruwenzori, geschweige denn hinterden Riesen Kenia und Kilimandscharo im Osten zurück.Mitunter kommt die Stimmung der Neger gegen die Weißen inihren Vulkanvorstellungen zum Ausdruck. Eine Eruption schriebensie der Schuld von Offizieren zu, die auf dem betreffenden Vulkan-bcrg ei» schönes Mädchen gesehen und mit sich zu nehmen gewünschthätten. Das Mädchen gehörte aber dem Vulkangeist, der infolge-dessen die frechen Eindringlinge durch Lawaströme und Flammenvertrieb. Ein anderer Ausbruch sollte dadurch veranlaßt Wörde»sein, daß Europäer Maisähren an den Gehängen des Berge? ge»schnitten und zum Scherz in den Krater gestreut hätten.Vorwärts Buchdruckerei u.VerlagSanstaltPaul Singer LeCo., Berlin Slä�