aussichtigen und zu regeln. Im gemäßigten Klima und eigentlich in allen Zonen der Erde ist die Körpertemperatur des Menschen höher als die der umgebenden Lust. Bedenk- ltch werden erst die Ausnahmefälle, in denen die Hitze über diese Temperatur von rund 87 Grad hinaussteigt. Bis dahin nämlich kann der Mensch dauernd Wärme von seinem Körper an die Luft ausstrahlen, und das ist notwendig, weil er fortgesetzt Wärme erzeugt, d. h. gewissermaßen seinen Körper heizt. Genügt die Wärmestrahlung nicht, um die stetig ergänzte Körperwärme ab« zuleiten, so führt der Schweißausbruch ein neues Mittel ein, indem durch die Verdunstung des ausgeschiedenen Wassers eine große Menge Wärme verbraucht wird. Dazu ist es freilich weiterhin nötig, daß die Lust nicht zu feucht ist, weil sie sonst die Verdunstung verlangsamt oder verhindert. Deshalb leidet man unter feuchter Hitze am meisten und die Temperatur in russischen Bädern darf nicht an« nähernd so hoch gesteigert werden wie in römischen. Wenn einmal die Hitze über die Körpertemperatur hinaussteigt, so muß der menschliche Organismus besondere Truppen mobil machen, um sich bor ernstlichem Schaden zu bewahren. Der Eintritt dieses Zustandes ist nicht so sehr von der geographischen Breite abhängig, sondern er kann auch in der gemäßigten Zone zu gewissen Jahreszeiten regelmäßig erfolgen, wenn die Beschaffenheit des Bodens, die Entlegenbeit des Landes von kühlenden Meereswinden und der Mangel an kräftiger Vegetation die Wirkung der Sonnenstrahlen erhöhen. In unseren Gegenden wird der Fall stets nur selten und vorübergehend vorkommen. Es gibt aber jedenfalls dichtbewohnte Länder, wo er nicht selten ist. Me kommt es nun, daß der Mensch bei solcher Temperatur überhaupt am Leben bleiben kann, da doch die Wärmeerzeugung in seinem Innern rastlos fortgeht? Man sollte meinen, daß er in ein allmählich immer mehr steigendes Fieber verfallen und diesem endlich erliegen müßte, wenn die Hitze der Lust nicht nachläßt. Im Gegenteil aber fühlen sich die meisten Menschen in heißer Luft, wenn sie nur trocken und rein genug ist, ganz wohl, loie am besten der Aufenthalt in einem römischen Bade zeigt, wo eine Temperatur von 7v Graden und mehr nicht lästig, sondern, steilich ohne jede Bekleidung, geradezu wohltuend empsimden wird. Man kann sogar bei 43 Grad, wie die Erfahrung bewiesen hat, noch eine recht tüchtige körperliche Arbeit leisten. Der Körper ist dann ausschließlich auf die Abkühlung angewiesen, die ihm die Verdunstung des Schweißes verschafft, und dadurch muß alle über« schüssige Hitze beseitigt werden. Das erklärt zur Genüge die Tatsache, daß Gewichtsverluste von 1 l'/s Kilogramm nach einem römischen Bad von einsiündiger Dauer etwas Gewöhnliches sind. Dr. Hunt hat im«Journal für Hygiene" Versuche beschrieben, die darauf abzielten, bestimmte Anhaltspunkte fiir die Selbstheizung de« Körpers und für die Wirkung der Verdunstung zu gewinnen. Di« Heizung wird für einen körperlich arbeitenden erwachsenen Mann auf 3500 Wärmeeinheiten veranschlagt. Um diese Wärme vollständig durch Verdunstungen auszuscheiden, müßte man ü Liter oder etwa ebensoviel Kilogramm Wasser ausschwitzen. Das Trinken ist also bei großer Hitze ein« wirkliche Pflicht, da von dem aufgenommenen Wasser auch diel auf anderem Wege abgeht oder verschwendet wird, zum Beispiel durch die ausgeatmete Luft. In einem Teil Indiens , wo die Temperatur für mehrere Mittagsstunden sogar in den unter Bäumen angelegten Zelten wenigstens 43 Grad erreicht, nehmen die dort lebenden Europäer, die sich zu Hunderten in dem Klima ganz wohl fühlen, obgleich sie sich vielfach der Sonne aussetzen müssen, nicht unter 1314 Liter Flüssigkeit täglich zu sich. Dr. Hunt, der seine Beobachtungen selbst in jener Gegend gemacht hat, versichert, nicht einen einzigen wirklichen Hitzschlag oder Sonnenstich an einem sonst gesunden Menschen erlebt zu haben. Den wichtigsten Anteil an der Abwehr der Hitzewirkung haben die Nerven, die über die Zirkulation der Säfte in der Haut und über die Schweißdrüsen regieren. Sozialhygiene. Berufsmißbildungen der Knochen. Die bekannteste Verbildung der Knochen infolge Einwirkung des Berufs ist die so« genannte Schusterbrust. Man versteht darunter eine kleine Ein- senkung des Brustbeines, der der kleine Schuster unterworfen ist, der, auf niedrigem Schemel sitzend, über der Arbeit mit stark gekrümmtem Rücken gebeugt, bei der Herstellung namentlich der Sohlen und Leisten diese mit Kraft gegen das Brustbein stemmt. Eine Verkrümmung der Wirbelsäule findet man bei den Gondolieren, bei Steinmetzen, welche das Baumaterial gewöhnlich auf die linke Schulter auf Leitern den Maurern zuführen. Dr. Peltesohn« Berlin sah Wirbelsäule« Verkrümmungen auffallend häufig bei jungen Schneiderinnen, ferner bei Kaufleuten; erster« sind in angestrengter Arbeit im Schneider- atelier oder als Heimarbeiterinnen in gebückter Stellung tätig. Buckelbildung findet man bei Bergleuten, die in gebückter Stellung unter Tage arbeiten. Bei Arbeitern und Arbeiterinnen, die lange Zeit einen und denselben Handgriff usw. an einer Maschine auszuführen haben, finden sich Schwächezustände und Lähmungen der Hände. Eine berufliche Mißbildung der Hände findet sich bei Wäscherinnen und Plätterinnen, die denn Plätten die ge- beugten Hände mit großer Gewalt auf den Griff des Bügeleisens drücken. Zu den Berufsmißbildungen der Beine stellen die Arbeiter ei» ganz besonders große« Kontingent, ES hat seinen Grund in langdauernden Arbeiten im Stehen bei ungenügender Sitzgelegen- heit und Neigung zu rheumatischen Affektionen durch Tätig- keit im Freien, in Zugluft und Feuchtigkeit. Das X-Bein ist die charakteristische Berufsdeformität der Bäcker und Schlosser. Die Zahl der Plattfußiranken ist Legion. Alle jene Berufe, die viel Stehen und Gehen bedingen, führen zur Abflachung des Fußgewölbes und zwar in jedem Lebensalter. Wichtiger als die Behandlung ist hier die Verhütung. Man muß auf weitere Ver« schärfung der gesetzlichen Schutzbestimmungen für jugendliche Arbeiter dringen, besonders die Forderung nach weiterer Ver- ringerung der höchstzulässigen Arbeitszeit iminer und immer wieder erheben. Architektur. Künstlerische Bahnhöfe. In einem Zeitpunkte, da in Leipzig einer der schönsten und größten Bahnhöfe der Welt ein Werk der Architekten Lossow und Kühne der Bollendung ent« gegengeht, ist es bielleicht am Platze, ein Wort über Bahnhofs« anlagen überhaupt, vom ästhetischen Standpunkte aus, zu fagem Wer einen Blick in die riesigen, selbst noch unfertigen Eisen- hallen des Leipziger Bahnhofes geworfen hat, die mit ihren kühnen Wölbungen, mit ihren weiten Durchblicken und mit ihren leuchtenden Helligkeiten bewundernswert sind, der weiß, daß der Bau einer modernen Bahnhofshalle eine Aufgabe ist, die einen zeitgemäß empfindenden Künstler locken kann. Nicht oft findet er ja eine gleiche Gelegenheit, ein Symbol unserer ins Helle und Weite strebenden Zeit zu schaffen, und zugleich eine Aufgabe, die es ihm im gleichen Maße erlaubte, auf alles Nebenwerk zu verzichten und aus dem Notwendigen das Schöne zu entwickeln. Ja, ein modern gesinnter Architekt wird das bei einem Bahnhofe nicht nur für erlaubt, sondern für unbedingt notwendig halten. Da muß es nun aufs unangenehmste berühren, daß hier und da eine Sttö- mung aufzukommen scheint, die, nachdem der Grundsatz der Sachlichkeit und der Ehrlichkeit eine Zeitlang fast schon selbstverständlich geschienen, zu den alten, äußerlichen, maskeradenhaften Auf- und Ausputz- verfahren zurückkehren möchte, besonders, nachdem ihnen der reaktionäre Bureaukrat Breitenbach dazu das Signal gegeben hat. Und leider find es da gerade auch einige neuere Bahn« Höfe, die man als traurige Beispiele heranziehen muß. Daß sie dem Weichbilde Groß-Berlins angehören, ist dabei ebenso erklärlich wie doppelt schmerzlich. Denn Berlin ist es vor Jahren gewesen, das unter den ersten den Anstoß zu einer modernen Gestaltung des Bahnhofes gab, nicht sowohl mit der Stadtbahn, obwohl auch diese wertvolle Arbeiten enthält, sondern noch mehr mit der Hoch- und Untergrundbahn. Es wurden damals für diese Bahnhöfe die verschiedensten Architekten herangezogen, und es fehlte unter ihnen auch nicht an verunglückten Lösungen sSchlesischeS Tor, Hallesches Tor, Nollendorfplatz), so find doch andere von bedeutendem Wert, besonders Möhrings Bülowsttaße und Grenanders Eingänge am Zoologischen Garten. Knie usw. Nun aber haben wir im Jahre 1S13 einen regelrechten, mit Stroh gedeckten Bahnhof Dahlem-Dorf" und einen als Ritterburg verkleideten Bahnhof Podbielski-Allee erhalten. Weil zufällig die Station.Dahlem- Dorf" heißt, hat es der.Architekt" für richtig befunden, ihn als Bauernhaus zu kostümieren. Man möchte wünschen, daß sich der gesunde Berliner Witz dieses Objektes so ergiebig bemächtigte, daß die Direktion zu einer durchgreifenden Aenderung dieses und des nicht minder kunst- und geistverlassenen PodbielSki« Bahnhofe « schreiten muß. Aus dem Tierleben. Merkwürdige Beobachtungen an Skorpionen. Der Skorpion gilt in der Naturgeschichte für ein Tier von besonderer Geftäßigkeit, nicht nur gefährlich für die Insekten, die seine gewöhn- liche Beute bilden, sondern auch für den Menschen, der sich iu den beißen Gegenden vor feinem giftigen Biß sehr in acht nehmen muß. Daß aber die gierige Freßlust dieses kleinen Ungeheuers sogar vor dem eigenen Geschlecht und den eigenen Kindern nicht halt macht, ist die neue Beobachtung eines Zoologen aus Biskra , Chiarelli, die in der .Illustration" mitgeteilt wird. Chiarelli, der ein großer Sammler und ausgezeichneter Kenner der Jnsektenwelt der Sahara ist. hat gefangene Skorpionen lange beobachtet und dabei Seltsames erlebt. Bekannt- lich trägt das Weibchen des Skorpion seine Kleinen auf dem Rücken. bis sie lo kräftig geworden sind, um sich selbst ihre Nahrung und ihr Fortkommen zu suchen. Der Gelehrte, der ein Skorpionweibchen mit seiner Nachkommenschaft gefangen hielt, wollte eS eine» TageS aus der Kiste herauslassen, in der er es bewahrte. Aber kaum hatte er daS Tier berührt, so sah er, wie die Kleinen, ohne Zweifel erschreckt, den Rücken der Mutter verließen und sich vor ihr zerstreuten. Anstatt nun ihre Kinder sorg- sam zu sammeln, packte vielmehr die Skorpionmutier daS erste beste und verschlang es; sie hätte wohl die kleinen Tierchen, eins nach dem andern, alle verspeist, wenn der Beobachter die unnatür- liche Mutter nicht daran gehindert hätte. Chiarelli setzte dann zwei Skorpionen von verschiedener Größe in ein Gefäß, ohne ihnen Nahrung zu geben; zwei Tage später stellte er fest, daß der größere den andern verspeiste. Man sah von ihm nur noch haS Hinterteil, der übrige Körper war von dem geftäßigen Kameraderr verschlungen und verspeist worden. Verantw. Redakteur: Atbeet Wr.chs, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei«.Verlagsanstalt Paul SingeracEo.,B«xlinSV,