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die Diener so wenig wie möglich im Zimmer anwesend waren] fing er an, um allmählich in ein rascheres Tempo überzugehen. und die Unterhaltung nicht gestört wurde. Sie sagte Pépinet, In den höchsten Tönen frähend, hob sie mit gespreizten Fingern daß es seiner Vorliebe für England wegen Ortailsuppe gebe, und fügte hinzu:

" Fahren Sie übrigens zur Krönung nach England?" Er wußte es noch nicht. Man begann von Politik zu plaudern, doch plötzlich fragte Breil Frau de Luseney: Waren Sie heute nicht in Versailles ?" " Ich komme eben daher."

Erzählen Sie uns doch von Ihren Eindrücken. Wir verfolgen die Verhandlung nur in der Zeitung und ſehen

nicht sehr klar."

Breil sagte immer wir" und verstand darunter meine Frau und ich"; vergaß er sich zufälligerweise und sprach in der Einzahl, errötete Frau Breil bis zu den Haarwurzeln und warf ihm finstere Blicke zu. Frau de Luseney kam wieder auf ihre Idee vom vorigen Tage zurück und rief: " Dedipus, mein Lieber, ein wirklicher Dedipus, nicht wahr, Lavenne?"

"

Weniger Blutschande," sagte dieser.

ihre Röcke, daß man die schmutzigen Waden über den großen Schuhen sah. Mit Kichern warf sie diese großen verdreckten Schuhe in die Luft. Jmmer schneller, immer beklemmender wurde der Tanz, und ehe sie sich's versahen, torkelte sie nach links und rechts und stieß die Buben an. Was konnte sie da für scheele Seitenblide machen, wie konnte sie die Augen rollen und den Stock bedrohlich schwingen! Nun wichen die Mutigen aber wirklich bis an die Häusermauern zurück, und auch aus der Entfernung flang es nur zag:" Gille- Galle, so danz doch fort!" Die hatten gut aus Tapferer dem tollen Uebermut der Streunerin ausgesetzt war. der sichern Ecke heraus zu kreischen", während das Häuflein

Denn plötzlich konnte es ihr einfallen, mit lautem Gewieher einen der Jungen aus der Reihe zu veißen und ihn mit bocsartigen Sprüngen im Kreise umherzuwirbeln. Dabei entstand aber nicht etwa ein lautes Hallo, die Buben schauten nur ängstlich dem ver­rückten Herumhopfen zu.

In den Häusern regte sich nichts; man gab sich nicht gern den Anschein, als jähe man das abscheuliche und dämonische Gebaren des Bettelweibes, das sich vor Lachen schüttelte und endlich den fleinen zitternden Partner freigab und in die Reihe zurüdstieß. Das Entsetzen der Kinder sowie der Abscheu der Großen waren tuung, die ganze Sippe, die sie von lang her kannte, von Zeit zu Zeit zu entsetzen.

Weil das nicht mehr in unseren Sitten liegt," vervoll- der Gille- Galle eine hämische Freude. Es war ihr eine Genug­ständigte Herr Languard.

,, Aber nicht König Oedipus ," sagte Pépinet. Der In­genieur Dedipus, der Spekulant Oedipus , der Elektrotech­niker Oedipus , alles was man will."

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Breil.

Ein gemeiner Schwindler, nicht wahr?" fragte Frau

Aber er hat schließlich mehr getan, als Charaden 31 raten," erwiderte Badile . Er schuf Unternehmungen, deren Aktien stiegen, stiegen

,, Wie die kleinen Laubfrösche auf den Leitern in den Aquarien," warf Pépinet ein.

,, Was wird aus all dem werden?" fragte Breil. Hm," antwortete Pépinet und schnitt sein Seezungen filet an, wenn man ihn freispricht, werden die kleinen Laub­frösche wieder steigen, steigen, steigen."

Na," meinte Herr Languard, seine Freisprechung ist doch sehr fraglich. Brévine hat etwas Schweres übernommen. Sein Mandant scheint mir ein ganz gemeiner Schurke zu ſein." ,, Man merkt, daß Sie nicht da waren," protestierte Ba­venne. Lermantes macht keinen schlechten Eindruck. Er ver­teidigt sich mit viel Einfachheit. Seine Lage ist wirklich schrecklich, und ich weiß nicht, wie es enden wird. Ich wäre gar nicht erstaunt, wenn er unschuldig wäre."

Also ein Opfer." fragte Breil mißtrauisch. ,, Das kann sein."

,, Wessen Opfer?"

Des Schicksals... was ist das Schicksal?... Wer glaubt noch an das Schicksal? Wer hat das Schicksal gesehen?" Das Schicksal ist die Gerechtigkeit, die sich die Augen zuhält," sagte Badil. ( Fortsetzung folgt.)

Gille- Galle.

O, das war ein Ertrapläsier, Professors Emiehl, Doktors Euschen und Apothekers Hoinerisch fürchten zu machen. Für was ver­spotteten sie auch die Gille- Galle, wenn sie demütig vor den Häusern ihrer Eltern stand? Es war auch Rache dafür, daß man ihr ein Stück Brot hinwarf wie einem Hund, daß man ihr mit spiben Fingern ein paar Pfennige reichte, wenn man nicht gar heraus schrie:" Es is nig do heit, pad Dich fort, Gille- Galle!" Das war besonders dort, wo es fleine Kinder gab, die mörderisch schrien, sobald sie nur ihr schmußiges Gesicht fahen. Wie wurden die Mütter ärgerlich! Achtlos warfen sie ein paar Münzen hin oder schlugen gar die Tür krachend vor ihr zu. Die Gille- Galle hatte fast alle diese erbosten Mütter schon im Stedkissen gekannt, hatte sie mit dem Ranzen in die Schule traben und mit dem Gesangbuch als Konfirmanden aus der Kirche treten sehen. S0 manche waren ihr auch auf heimlichen Gängen über den Weg ge­laufen, wenn sie durchs Wäldchen ins nächste Dorf humpelte, oder sie hatte die Pärchen an heißen Tagen, wenn niemand weit und breit auf der staubigen Landstraße war, im färglichen Schatten eines Baumes ertappt. Jaja, so allerlei konnte die alte Gille­Galle erzählen, und ihr Augenzwinkern und ihr listiges Lächeln und auf Kinder verstand sie sich; Liebesleute, die nicht auf allen trugen ihr so manchen Ertraschweigegroschen ein. Auf Liebesleute Straßen Hand in Hand gingen, umfaßte sie mit besonderer Rührung, das waren ihre besten Kunden, wenn sie mit ausgestreckter Hand darauf zuging.

Die ganze Chronik der Stadt wußte sie, und es gab so manches Fenster, an dem sie lange stehen und erzählen mußte. Sie tat das mit der nötigen Zurüdhaltung, sagte nicht zu viel und nicht zu wenig; das waren Berufskniffe, die sie nicht hatte lernen brauchen. Oft hörte sie hinter sich rufen: Pst! Bst! Gille- Galle!" Doch sie trabte vorbei und ließ die Rufenden sogar nachlaufen; man mußte sich sein Publikum ziehen! Da gab es Mütter, die fonnten es nicht ausstehen, wenn man nichts Gutes von ihren Kindern sagte. Hatte ihr einer von den Rangen auf die Fersen getreten oder ihr wüste Schimpfworte nachgerufen, war ein Mädche hinter die Schule gegangen und dafür auf der Promenade" auf­und abgestiegen, die Gille- Galle merkte sich das. Kletterte einer auf ein steiles Dach, die Gille- Galle nickte ihm Anerkennung zu; Von Anna Croissant- Ru st. stahl er Trauben, Aepfel oder Nüsse, ward ihm ein ermunterndes Nicken zuteil. Ließ sich eines der kleinen Fräuleins von einem " Gille- Galle! Gille- Galle!" zeterten die Kinder, die vom Schul- fleinen Studentlein verstohlen kleine Zettel in die Hand drücken haus her in hellen Haufen in die enge Gaffe hineinrannten. Gille- oder faz gar mit ihm in der Konditorei und schmauste Mohreköpp Galle!" und immer wieder Gille- Galle!" bis sich die Alte, der oder Schillerlocke, rauchte einer der jungen Herrchen an heimlichen sie nachliefen, umdrehte und den Stock drohend über ihrem grauen Orten eine Heimliche Zigarre und brachte sein heimliches Opfer Bottelkopf schwang. Dazu fletschte sie die Zähne hinter den blau- dar, die Gille- Galle meldete sich grinsend als Zeugin. Lag nicht roten Lippen und tat ganz plöblich, ganz unerwartet einen Sprung sofort ein Obolus in ihrer Hand, zoppte sie mit Entrüstung zurüd, von der Seite her gegen die Schar, daß ihr Bettelranzen hüpfte ebenso, wenn ihr zu wenig zwischen die Finger geschoben wurde. und die verfransten, schmußigen Röcke flogen. Dieser wilde Sprung. Mit einem Schlag begann sie moralisch, lehrhaft oder bedrohlich das gurgelnde Lachen, das aus der Mehle des Bettelweibes fam, zu werden. Steil und gerade hob sie den Zeigefinger, der did und am ersten einem Glucksen und Krähen vergleichbar, waren für fnotig war und selten gewaschen: Schämen Ehr Eich nit? So die Kinder stets das Zeichen zur Flucht. Keines hielt stand. Mit Eier gute Eltere zu hinnergehe? Was steht in der Bibel? Dit Lachen zwar, doch sich fast überstürzend vor Schrecken, stoben sie sollscht Batter unn Mutter ehre, as es Dir gut gehe und Du nach allen Seiten auseinander, und nur die Mutigsten blieben lang bebescht auf Erden." Und fort trabte sie. Wenn sie ihr nicht noch. Denn jetzt kam der Rodogodeltanz", wie ihn die Buben sofort nachsetzten und mit einigen Münzen sänftiglich auf den hießen, der Glanzpunkt der gruseligen Leistungen der Gille- Galle. Weg der Versöhnung brachten, humpelte das alte Lafter sporn­Er wurde eingeleitet durch eine Reihe von unglaublichen Frazen, streichs zur Mutter, in schwerern Fällen auch zum Vater. Lehteres die sie den Buben schnitt, die weiter und weiter zurückwichen, wenn tat sie ungern, denn es gab nur wenig Väter, die ihr ein geneigtes sie mit ihrem erdfarbenen, verzerrten Gesicht immer näher fam Ohr liehen und was sonst noch dazu gehörte, wogegen die Mütter und zuletzt frähend, mit einem grotesken Sprung, vor ihnen stand. zugänglicher waren, wenn sie auch ebenso ärgerlich und grob werden Dann blieb sie still und wartete. An den Straßenecken und hinter fonnten wie die Väter. Und das Minche und Binche und Sannche, den Türen drängten sich die Davongelaufenen und schauten belustigt das Jdache und Gretche und Babettche mochten sich die Aeuglein auf die Mutigen, die sich zitternd um die Alte scharten. Gille- rot heulen und ihre Unschuld beteuern, der Hoinerisch, der Emiehl, Galle , danz emol!" scholl's aus der Deckung, danz de Rockogodel- der August und der Richard das Blaue vom Himmel herunterlügen, dang!" fie entgingen allesamt der irdischen Gerechtigkeit nicht. Und waren

Und, wie wenn sie betrunken wäre, mit listigem Grinsen hin- es nicht Haue, so waren es andere, ebenso schlimme Dinge, die sie und hertaumelnd, begann die Gille- Galle ihren Tanz. Feierlich infolge des Pezens" der Gille- Galle erwarteten. Entziehung des

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