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zu seinen Gunsten kannte oder vermutete. Unglücklicher
Nicht so finnlich, Schwester Eudoxia !" mahnen die vorbei. huschenden Nonnen, fanft die eine und scharf tadelnd die andere.
Ein warmer, fefter, vertraulicher, ach so vertraulicher, heimat weise hatte sich dieser Hauptpunkt nicht aufgeklärt: die tra- licher Geruch von Dünger steigt ihr in die Nase; das Rönnlein gische Aussage von Luise Donnaz war fein günstiger Beweis schlürft förmlich diesen heimatlichen Frühlingsgeruch; mit geblähten gegen die niederschmetternde Hypothese geworden, sie genügt üſtern, zitternd vor Heimweh, dide Kindertränen' in den Augen, nicht, ihn von dem Verdacht zu befreien. Belastende Un- preßt sie fich ans Fenster. stände kamen hinzu: der Besuch in La Combette, den Lermantes durch den Vorwand begründete, eine Kur in Air gebrauchen zu wollen, die er dann nicht unternahm. Die langen Unterhaltungen mit seinem Gastfreund, von denen der Kammerdiener Justin berichtet hatte, das Datum des Testaments, das einige Tage nach seiner Abreise aufgesett worden war, selbst gewisse Worte des Generals, die der Notar Lorie wiederholt hatte. Herr Rutor nannte diese Tatsachen in einer festen, falten Sprache eigentümlich", und gab ihnen noch mehr Gewicht, als er erklärte, daß sie im eigentlichen Sinne feine moralischen Delikte, aber dafür sehr zahlreich wären. 661008
Als Herr Rutor über die Tat selbst sprach, bewahrte er dieselbe Vorsicht: er ließ die Nebensachen fort und sprach nur von einer geringen Anzahl Argumente, davon eins ihm genügend, um den schlimmsten Verdacht zu bestätigen" schien. Der vorzügliche Schüße Lermantes, eitel auf seine Geschiclichkeit, verfehlte den Damhirsch, ein Zier, das nicht einen Meter hoch ist," und trifft den General, einen großen Mann, ins Herz, also ,, mindestens in einer Höhe von 135 Zentimeter. Unerklärliche Ungeschicklichkeit, ein Fehlschuß, der stubig macht." Man fann anführen, daß selbst die geschicktesten Schüßen fehlschießen können. Das ist wahr. Aber um zu erklären, daß die besagte Kugel, die für den Damhirsch bestimmt war, den General traf, muß man konstatieren: Erstens: den Zufall, daß der General sich gerade in der Sefunde hinter dem Damhirsch im Gebüsch befand, als dieser die Lichtung überschritt. Zweitens: den Zufall, daß die Kugel die richtige Höhe verfehlt, und den dritten Zufall, daß eben diese Kugel mitten ins Herz trifft: eine seltsame Vereinigung von Zufällen besonders wenn man an alle anderen denkt, die sich bereits in diesem Prozeß vereinten. ( Fortfegung folgt.)
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8weimal hat man fie schon zur Aebtiffin geführt, weil sie immer da oben steht und in die Welt hinunterfieht, auf das wintelige, budelige Städtchen, auf die Schienen, die sich dehnen, südwärts, der Heimat zu, auf die Züge, die vorüberpoltern und schwerfällige Rauchwollen langsam hinaufschicken. Die Aebtiffin sprach gütige und dann harte Worte, trozdem hat sie sich wieder an das Fenster geflüchtet mit ihrer großen Sehnsucht.
Morgen darf fogar die Muttergottes auswandern! Morgen wird sie zu Tal getragen, mitten in den Anger blühender Dbft bäume hinein, in das weiße Kapellchen, das sich wie mit einem gestärkten Rödlein angetan, unten spreizt und sein grauschwarzes Dach mit dem fleinen Türmchen wie einen luftigen Kopfpuz trägt. Die Muttergottes darf den Berg hinuntersteigen; morgen wird sie berabgenommen, feierlich führt man sie durch die Kirchenpforten, die Slostertüre ist auf, das große Tor wird geöffnet, die Mauern tun sloftertüre ist auf, das große Tor wird geöffnet, die Mauern tun fich auseinander.- Es gibt einen Weg hinunter über den steilen Fels, es gibt einen Weg ins Städtlein, es gibt einen Weg- einen Weg in die Heimat!
„ Pint! Bint!" machen da unten die Maurer. Sie bereiten der Simmelstönigin den Weg, fie weißen und fallen die Wände, fie arbeiten am Tor; das Rönnlein hört fie lachen und schwäßen und Ein paar junge Kerle find darunter, Italiener , ein halbfingen. verwehter Tabalgeruch, eine verwischte Welle von Gelächter und derben Reden kommt herauf. Nun ist alles wieder still, sie sind fort. Sie sind fort und haben das Tor aufgelassen!
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Einen Augenblick steht das Nönnlein mit brennroten Wangen, die Hand, eine derbe breite Bauernhand, auf das rauhe Gewand gedrüct; mit runden, hastigen, bedrückten Kinderaugen fieht fie blizschnell um sich, nach rechts und links, den langen Gang hinauf und hinunter und schon fliegt sie über die Etiege, den zweiten Gang, die zweite Stiege, den untern Gang, die breite Treppe, das Tor, die Pforte. Großer Gott, sie sind offen! Nun nach dem Hof, das äußere Tor, und hinunter, hinunter fliegt das dunkle Nonnenkleid. Steine poltern unwirsch nach, Geröll schießt in die Tiefe, das Nönnlein hört nichts; sie hat nur das Sausen und Brausen ihres erregten Blutes im Ohr; fie rennt, daß fie ordentlich dicke, glühende Backen friegt, ihr ist, als sei die wilde Jagd hinter ihr her, sie wieder einzufangen. Immer schneller wird ihr Lauf, der Schleier weht wie eine Flagge des Aufruhrs hinter ihr drein, fängt sich an einem
Das Nönnlein vom Klofter Ladins . Rosenstrauch und wird weggezerrt, daß er in Fetzen geht. Die kleine
Bon Anna Croissant Rüst.
Hoch über dem Eisad, auf schroffem Fels, steht das weiße Kloster und schaut mit vielen blinkenden Fenstern und mit drei wuchtigen Türmen über das Tal hin. Fast gemahnt es an eine Festung, die hellen Klostermauern an eine Kaserne, selbst die Kirche trägt triegerisch ihr behelmtes Haupt.
Am Himmel drängen und jagen fich Frühjahrswollen, graue und sveiße, runde, dicke, die wie Watte aussehen, und langgestreckte, zerriffene, die gierig wie wilde Wölfe in die anderen hineinfahren; dazwischen werden große Stücke grellblauen Himmels faleidoskopartig hin und her geschoben.
Der Fluß geht mit gelber, träger und doch eiliger Flut, an den Weinbergsmauern ist schon das Rebholz gehäuft, grün leuchten die Matten und wie Riesenstraßen da und dort, unten und oben, einzeln und zu langen Reihen aufmarschiert, oder wie zu einem Feldlager über den riesigen Anger hin verteilt, die Obstbäume.
Nonne sieht nicht Weg noch Steg und dennoch fliegt sie in ihrem Taumel sicher vorwärts, über Nebenpfade, die sie nie betreten, über quert Wiesen, um den Weg abzukürzen, findet schmale schwindelnde Steige an der Felswand hin.
Abhänge, Felder, Bäume, Gärten, Häuser, Scheunen, Heden, alles raft an ihr vorbei. Menschen bleiben stehen, rufen, schreien, lachen hinterbrein. Hinunter, immerzu hinunter. Sie schießt in die engen Gaffen, wie ein Schemen drückt sie fich in der Sonne an der Mauer hin, flein, dunkel, verängstigt. Kaum findet sie noch Atem, in vollem Lauf über den Platz zu rennen; da ist schon die Brücke, der Fluß, den sie so oft von oben gesehen, die weiße staubige Straße, die im Bogen nach der Bahn zieht, die Schienen, Herrgott, die Schienen! Ihr ist's, als müsse sie in die Knie finken, gerade da vor dem Bahnhofe, im Staub der Straße, nnd müsse ihn füssen, diesen Staub, und dann fortstürzen über die Schienen weg, geradenwegs in den Zug hinein, der Heimat zu!
Da gibt's ihr einen Rud, daß fie mitten im Staub der Landstraße Darüber reihen sich, mit einem dicken Schneepelz angetan, die wie erstarrt stehen bleibt. Tut sich nicht die Erde vor ihr auf? Es würgt hohen Berge am Himmel. Zu ihnen steigen die Wälder hinauf, die fie in der Kehle, und nur ein beiseres, fast bellendes, kurzes einen lichtgrünen Schimmer von jungen Birken und jungen Lärchen Schluchzen fommt heraus, In ihren Ohren ist ein Klingen und tragen, wie ein leises, frohes Lachen; zu ihnen steigen die Matten, Läuten, ein Boltern und Dröhnen, als brause der Zug schon heran; die Felder, die Weinberge steil empor, als ob alles nach oben sich sie steht vor der Freiheit; einen finsteren, feuchten, endlos langen ringe. Die Matten zum Berg, der Berg zum Felsen, der Felsen Gang hat fie durchleucht, nun liegt weit und licht das ganze Land Soll sie wieder umtehren müssen, wieder diesen engen, zum Wald, der Wald zu dem Schrofen, der Schrofen zum Schnee bor ihr. dunklen Gang zurüdtappen, immer weiter, immer weiter? Wie und zum Himmel. fie muß zurüd, sie mechanisch streckt sie die leeren Hände aus werden sie zurückschleppen, fie hat kein Geld!
Wenn die Sonne scheint, schießt sie förmlich grell durch die Wollen, als wolle sie mit einemmal alles aus der Erde zaubern. Und die Menschlein krabbeln und hasten in den Wegen und Steigen, Das ganze, fleine, rundliche Rönnlein zittert vom Kopf bis zut in den Weinbergen und Feldern, zwischen den grellgrünen Wiesen den Füßen; einen Augenblick macht sie eine Bewegung, als wolle und braunvioletten Feldern, in die der Pflug tiefe Schrunden reißt. fie den Weg wirklich nach oben nehmen; dann hebt fie mit einem Bon oben sieht es aus, als seien fie von einer Gigantenhand wahl Rud das heilige Gewand, wie ein Pfeil ist sie in der Restauration los ausgestreut und hafteten mun durcheinander, wie ein aufge- neben dem Bahnhof verschwunden, hat auch gleich mit echtem törtes Ameisenneft, verwirrt und in zitternder Gier sich wieder zu- Bauernspürfinn die Küche gefunden und steht dort, hochrot, von Schweiß überströmt, mit zur Bitte gefalteten Händen vor der Wirtin fammenzufinden.
Zug um Zug brauft und rumort durch das Tal, aufwärts dem Brenner zu, abwärts nach dem Süden. Und die Amsel singt den ganzen Tag, den ganzen Tag.
Ein Rönnlein steht Tag für Tag in dem großen Gang des weißen Klosters; am Fenster steht sie und drückt die Nase platt und schaut auf die eilenden Wolfen und auf die eilenden Züge; auf die Trabbelnden Menschen schaut jie, die da unten so emsig schaffen, die hin und her reunen fönnen, wie sie wollen, lachen und schreien, wie fie wollen; auch die Amsel hört sie, die so laut und beharrlich Angt.
Die Wirtin ist feine wirtin wundermild", keine jener rund lichen, gutmütigen, hehäbigen Tiroler Wirtinnen, deren Herz man erweichen fann, lang ist sie und hager, die Knöpfe ihres dunkelgrauen Kleides verschließen einen strengen und fargen Busen. Sie trägt ein Netz auf dem Kopfe und ein schwarzes Samtband davor, die wenigen Haare figen wie numeriert, jede Falte ihrer Schürze sieht nach Eigenfinn und Widerstand aus. Das Nönnlein erkennt mit Schrecken an den Runen, in die fie ihr Gesicht legt, daß sie genau weiß, was sie dem Ruf ihres Hauses, daß ein„ chriftliches", und überhaupt, was sie der heiligen katholischen Kirche schuldig ist. Nicht daß sie etwa schimpft