sionen kommt I Man denke: ein Werk voll Leben, ein Regisseur, derseine Phantasie an diesem Werk entzündet.hat, und eine Reihetemperamentvoller Darsteller stoßen auseinander- Es beginnt einhalb fröhliches, halb erbittertes Streiten um die Vorherrschaft, undkaum jemals entwickelt sich diese Wesensdreifaltigkeit zu einemhomogenen, chemisch-fest gebundenen Körper. Den Weg aber zudiesem Ziele nennt man Regie.Wie man Regie führen kann, ohne Sah für Sah, dichterischesBild für dichterisches Bild mit den Darstellern durchzuarbeiten, istmir unverständlich. Es kommen dann Aufführungen zustande, fürderen Langeweile gern der tote, der abwesende oder auch der an-wesende Dichter verantwortlich gemacht wird. Sehr bedeutendeSchauspieler bedürfen allerdings der Hilfe des Regisseurs in ge-ringen, Grade, weil alles, was sie sagen, unmittelbares Lebenatmet. Aber wie wenige gibts davon! Und ich weiß aus demMunde der besten, wie sie sich ihr Lebenlang nach Beistand gesehnthaben.Es gibt Schauspieler, die zu Hause schon mit ihrer Rolle fertigwerden. Mir sind die anderen lieber, die der Probenzeit auf derBühne vertrauen. Wer sich von vornherein den Einflüssen ent-zieht, die vom Ort und vom Partner ausgehen, der nimmt seinerLeistung— ich möchte sagen: die soziologischen Reize. Es fehltdann an Atmosphäre, an zufällig-augenblicklichen Beziehungen, diebei der häuslichen Einzelvorbereitung noch gar nicht in Rechnunggezogen ioerden können. Die abgewandte Haltung des Gegen-spielerS erlaubt mir einen Blick, eine Bewegung, die vielleicht denSinn der ganzen Szene zusammenfassen. Und dann: wie fruchtbarwird für mich der Tonfall, das Sprechtempo des anderen. Dasgegenseitige Aushorchen lebt ja nur von minutiösen Schallschwin-aungcn. Dichter und Schauspieler geben nun dem Regisseur dasRohmaterial dieser soziologischen Reize in die Hand— dann undwann trägt er selbst auch dieses Rohmaterial herbei— und erknetet es zu den zartesten Seelensiguren. Denn Figur muß alleshaben, was von der Bühne herab auf weite Entfernungen wahr-genommen werden soll.Die Schauspieler, die daheim schon ihr Letztes gegeben haben,ziehen eine Art von Wall um sich, wenn sie auf die Bühne treten.Der Regisseur fühlt, daß er hier überflüssig ist, nicht, weil demDichter und der Inszenierung Genüge geschehen, sondern weil seinebesten Einfälle gar nicht gehört oder angenommen werden. Icherinnere mich dagegen an Ernst Hartmanns Regie im„Egmont".Es war kaum eine halbe Stunde für die Szenen des Brackenburgvorgesehen, den ich am Abend zum erstenmal spielen sollte. Ichhatte meine Rolle recht gut gelernt und glaubte auch darstellerischziemlich fest zu sein, aber Hartmann hielt mich bei jedem Satze an.gab mir Weisungen, spielte mir Stellung für Stellung vor, bis ichganz niedergedrückt war und ihn geradezu für meine Ungeschick-lichkeit um Entschuldigung bat. Da schloß mich der alte Herr inseine Arme und meinte, so viel Freude habe er lange Zeit nicht amRegieführcn gehabt wie heute— es waren wohl zwei Stunden ge-worden—, ich selber hätte ihn zu seinen Einfällen veranlaßt, weilich die sonst ungern gespielte Rolle mit sichtbarer Begeisterung er-griffe. Der Abend wurde eine meiner schönsten Erinnerungen!Ich war Wachs in der Sand des Meisters. Und jeder Re-gisseur, der plastische Phantasie hat, sucht nach diesem bildsamenKörper; nicht zu eigenem Ruhme— denn Presse und Publikumlohnen die schauspielerische Leistung nur dem Darsteller—, sondernzum Heile der Vorstellung, die ihm nur dann Freude macht, wennjede Rolle seines Geistes einen Hauch hat. Ein Regisseur, der denText ganz und gar den Schauspielern überläßt, sich nur um denRahmen kümmert, um Pagen, Gefolge und Volk, der kennt dieWonnen des Regieführens überhaupt nicht, die Schönheit erhöhtenLebens, das«icht nur aus dem eigenen Herzen, sondern gleichzeitigaus den Herzen des Dichters und der Darsteller gespeist wird. Erkommt mir vor wie einer, der nach einer Schwarzwcißvorlage einbuntes Glassenster schaffen soll, die Färbung der einzelnen Figurenaber zehn anderen Helfern überläßt, die Stücke unbesehen, unge-prüft zusammenfügt, mit einem geschmackvollen Rand schmückt unddann verkittet oder verbleit. In dieser Arbeit klingt kein Akkordvoll auf, es schreit und säuselt durcheinander; manches frappiert,vieles stört, aber es läßt sich gerade darum leicht und reichlichdarüber schreiben und schwatzen, lind das ist für Leute, die immernur fünf Minuten lang im Theater aufpassen können, das Zeicheneiner„interessanten" Aufführung, ja der Vollkommenheit.kleines fcmllctonGilt berühmter Räuber. Unter den„armen Burschen", d. h.Räubern, die in Ungarn genau dieselbe Rolle gespielt haben, wiedie Briganten in Italien, war einer der letzten und berühmtestenRozsa S a n d o r, der nach Beendigung seiner Laufbahn noch langein einer Zelle des Kaiserturms auf dem Kufstein vegetiert hat.Ein Richter, nicht ein Räuber hatte er werden sollen, dennseine Eltern, freie Bauern, hatten den vor 100 Jahren, am16. Juli 1813 geborenen Sohl' auf das Gymnasium zu Szegedingebracht, wo auch ungarisches Recht gelehrt wurde. Es gingzügellos her auf dieser Bildungsanstalt, die Schüler trugen Säbel,und Rozsa war mehr auf der Pußta bei den Hirten und Schafdieben,als in der Stadt. Mit den Professoren stand er sich bei diesesLebensweise natürlich nicht gut, und als er einen von ihnen furchtba>durchgeprügelt hatte, war es n;>t seinen Studien zu Ende. Er wuri*Soldat bei einem Husarenregiment in Mailand und avanciert»schnell zum Korporal, wurde aber wieder degradiert, weiler ein Mädchen gegen einen Offizier in Schutz genommen hatte.Ein Gemeiner von damals durfte nicht ritterlich sein und fünfzigStockschläge waren sein Lohn. Darauf desertierte er 1332 und gingnach Ungarn zurück„in die Pußta". Das nun beginnende Räuber-leben lieferte der Volksphantasie reichen Stoff und selbstverständlichspielt das Ewig- Weibliche in all diesen unkontrollierbaren Er-Zählungen eine große Rolle. Seine hauptsächlichste Gefährtinwar eine gewisse Katharina, die wegen ihrer Stärke undWildheit der„Dorfteufel" genannt worden war und sich ihm an«schloß, nachdem sie ihren Gatten halbtot geschlagen hatte.So kam das Jahr 1848 heran, und Rozsa bot der ungarischenNationalregierung an, ein Freikorps zu bilden. Man nahm es anund er tat gute Dienste. Natürlich hatte ihn die Negierung be-gnadigt, aber nach dem Fehlschlagen der Revolution erkanntedie österreichische Regierung die Begnadigung nicht an, sandteMilitär wider ihn und so wurde er aufs neue Räuber. In denTheißkomitaten wirtschaftete er nun arg, einmal beraubte er mit zweiGefährten einen Zug von 23 Wagen. In Szegedin wurden von ihmund seiner Bande Nanbanfälle der verwegensten Art ausgeführt,und trotzdem Polizei und Militär eifrig auf ihn fahndete, und sichauch Verräter fanden, kam er immer davon, wenn er auch oft inäußerster Lebensgefahr schwebte. Es kam dabei zu regelrechtenFeuergefechten. Aufgehoben wurde er am 9. Mai 1857. 1359, imFebruar, stand Sandor in Ofen vor Gericht; er hatte versucht, sichfreizulügen, indem er behauptete, er wisse allein, wo die Stefans-kröne verborgen liege. Aber die Krone war schon gefunden und manverurteilte ihn zum Strang. Der Kaiser begnadigte ihn zu lebens-länglichem Kerker.Naturwissenschaftliches.Populäre Literatur zur Abstammungslehre.Unter den kurzgefaßten, dabei auch für den Leser mit Volksschul-bildung leicht verständlich geschriebenen Darstellungen der modernenEntwicklungslehre ist K. H e f s e s„Abstammungslehre undDarwinismus"(Verlag von B. G. Teubner, Preis geb. 1,25 M.seine der empfehlenswertesten. Aus.dem riesigen wissenschaftlichenMaterial hat der Verfasser nur die überzeugendsten Tatsachen ge-wählt und sie in zwanglos aneinandergereihten Kapiteln, unterstütztdurch gute Abbildungen zur Geltung gebracht. Die vorliegende Aus-läge ist bereits die vierte dieses Werkchens. Als eine Ergänzungkann Dr. Wilsdorfs„ T i e r z ü ch t u n g"(im selben Berlageund zum gleichen Preise) betrachtet werden. Der Verfasser kenntals praktischer Tierzüchter sein Gebiet genau und schreibt einen ein-fachen Stil. Nur daS Kapitel über jene eigenartigen Vererbungs-gesetze, die man nach ihrem Entdecker als MendelismuS bezeichnet,verlangt ein gewisses Studium des Lesers, das er aber besondersdann betreiben muß, wenn er sich irgendwie praktisch mit Tier-züchtung beschäftigt oder beschäftigen will. Denn diese Gesetze sindder Angelpunkt der modernen Züchtung geworden.— Nicht bloßdem Tierziichter, sondern jedem Freunde unserer vierbeinigen Haus«tiere kann Dr. Hilzheimers„Geschichte unserer Hau S-tiere"(Theod. Thomas Verlag, Leipzig: Preis 1 M., geb. 1,60 M.)empfohlen werden. Hund, Hauskatze, Kaninchen, Pferd und Esel,Schwein, Ziege, Schaf und Rind werden uns in fließend ge-schriebenen Ausführungen geschichtlich näher gebracht, soweit dieBelege und Urkunden bis jetzt dafür vorhanden sind.Die„Tierriesen der Vorzeit" behandelt Dr. W.Schoenichen(Verlag von Velhagen u. Klasing, Bielefeld undLeipzig). Das nur 34 Seiten in Großoktavformat umfassende, steifbroschierte und ein Mammut als Frontbild präsentierende Heftschildert die schwimmenden, watschelnden und fliegenden Ungeheuerder Vorzeit, die durch 23 Abbildungen veranschaulicht werden. DieTiere werden in fortlanfender Schilderung vorgeführt, und der Ver-fasser berührt dabei die Frage nach dem Aussterben dieser Riesenund andere Punkte. Das Heft bildet die Nr. 50 in Velhagen u.Klasings Volksbüchern, von denen jedes 60 Pf. kostet, einin Anbetracht der Ausstattung mäßiger Preis.Schließlich sei hier noch des Bändchens„Natur undMensch" gedacht, in dem C. W. Neumann sechs Abschnitte ausWerken von Ernst Höckel herausgegeben, mit einer biographischenEinleitung und mit dem Porträt Höckels versehen hat. Diein sich möglichst geschlossenen Kapitel sind der„NatürlichenSchöpfungsgeschichte", der„Entwickelungsgeschichte", der„GenerellenMorphologie der Organismen" und einigen Reisewerken Höckelsentnommen. Sie geben, wie z. B. der Abschnitt über die„Gasträatheorie" teils historisch sehr wichtige Grundlagen zur Ab«stammungslehre, teils zeigen sie Höckel als fesselnden Erzähler.Dieses Reclambändchen(Verlag Ph. Rcclam jun. Leipzig; Preis40 Pf.) kann natürlich die Hauptwerke nicht ersetzen: aber oa neAnschaffung dieser nicht jedermann möglich ist, so verdient es alseine Art Höckel im Taschenformat die weiteste Verbreitung. Wirhätten aber für spätere Auflagen gewünscht, statt des letzten Ab-schnitts lieber einen weiteren aus der Natürlichen Schöpfungs-geschichte eingeschaltet zu sehen.___ L. L.Verantw. Redakteur: Albert Wachs, Berlin.— Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u. VerlagsanstaltPaul Singer ärCo., Berlin ZW.