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Und dann kam das letzte.
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höhnische Freude, wenn er von Verbrechern hörte, die sich ihrer Be- der Erkenntnis entspringt, daß das Denten eine Funktion des strafung entzogen hatten. im Schädel verborgenen Gehirns ist, sondern der Beobachtung, daß alle Gemütsbewegungen oder, um im Sinne der Völker jener Entwidelungsstufe zu reden, alle Seelenäußerungen des Menschen in seinem Gesicht, vornehmlich seinen Auges zum Ausdruck kommen, nach dem Tode aber das Auge ausdruckstos ins Weite starrt. Befenders sind es deshalb auch die unter Polynesiens sonnigem blauen Himmel lebenden Völker, von denen mehr noch als von anderen das Wort gilt, daß sie bald himmelhoch jauchzen, bald zum Tode betrübt sind, bei denen wir die Vorstellung finden: in oder hinter den Augen des Menschen hause seine Seele, und wenn der Mensch lache, dann lache seine Seele, wenn er weine, zerfließe sie in Gram. Bei den Hawaiern werden selbst die Tränendrüsen, aus denen die Seele weint", poetisch Luauhane, das heißt Seelenhöhle, genannt.
An einem schönen Sommernachmittag, genau ein Jahr nach dem oben erzählten Begebnis, stand die Kompagnie zum Ausrüden bereit auf dem Kajernenhof. Auf das Kommando des Hauptmanns flogen die Gewehre über die Schulter bis auf das des Sergean= ten. Er stand Gewehr bei Fuß im ersten Gliede und starrte mit einem unheimlich gespannten Ausdruck den Hauptmann an. Dieser, der den Sergeanten zuerst gar nicht beachtet hatte, fühlte seinen Blick wie von einer hypnotischen Macht auf das starre Gesicht des Sergeanten gelenft.
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Einen Augenblic sentten sich die Augen der beiden Männer tief ineinander, dann ehe der Hauptmann ein Wort hätte jagen sprang der Sergeant plöblich aus dem Gliede und führte mit umgedrehtem Gewehr einen Schlag gegen seinen Vorgesetzten, den der Ueberraschte unr mit Mühe mit dem Degenkorb abwenden fonnte.
The der Sergeant zum zweiten Male ausholen konnte, war er von vielen Armen gepackt und entwaffnet.
Er ließ sich willig zur Wache führen. Sein Gesicht zeigte einen weichen, fait zufriedenen Eindruck, der nach der Starrheit vorher um so unheimlicher wirkte.
Zu einer friegsgerichtlichen Verhandlung ist es nicht gekommen. Schon nach kurzer Zeit stellte es sich heraus, daß der Sergeant in unheilbare Geisteskrankheit verfallen sei, und es erfolgte feine Neberführung in eine Jrrenanstalt.. Dort ist er bis an sein Lebensende geblieben.
Er war ein harmloser Kranker. Stundenlang konnte er mit verträumtem Lächeln vor sich hinstarren und immer wieder die Worte vor sich hinflüstern:
„ Er hat recht! Es geht! Man kanns!"
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Das ist die merkwürdige Geschichte des Sergeanten Brunner. Vielleicht werden die Leser der Meinung der Irrenärzte beipflichten, die dahin geht, daß die Geisteskrankheit schon jahrelang infolge einer Injektion in dem Sergeanten schlummerte und nun an diesem schwülen Sommertag, wo er, wie später festgestellt wurde, schon stundenlang auf der heißen Kompagnietammer gearbeitet hatte, zum plötzlichen Ausbruch fam.
Ich weiß es besser. Ich kenne den Tag, die Stunde, ja jogar die Minute, wo dem gesunden Geiste des Sergeanten heimtückisch das tödlich wirkende Gift eingeimpft wurde.
Auf noch höherer Stufe, z. B. bei den altamerikanischen Kulturvölkern, finden wir als Siz der Seele auch das Herz" genannt: eine weit spätere Ansicht, die erst dann auftritt, nachdem man er fannt hat, daß das Herz die Zentrale des Blutkreislaufs ist und Störungen der Herztätigkeit, sei es durch Verwundung des Herzens oder durch andere Einflüsse, den Tod, die Seelenflucht, zur Folge haben.
Sehr deutlich leuchten in diese Gedankenwelt der Naturvölker ihre Ausdrücke für Seele, Leben, Bewegung hinein. Vielfach haben die niedrigstehenden Völker für Lebenskraft, Bewegung, Seele, Geist, Schatten, Atem dasselbe Wort. So wird z. B. mit dem Worte Pangari bei den australischen Narrinheri zugleich die Lebenstätigkeit und der Schatten, den ein Menschenkörper wirft, bezeichnet. Bei den Kurnai heißt die Seele Yambo, Schatten. Die Wiradjuri nennen den Geist eines abgeschiedenen Hordengenossen Jir, Lebenskraft; die Bigambul bezeichnen ihn als Matu, Schatten; die Dieheri als Mura, Leben usw. Doch hat auch bei einigen australischen Stämmen die Benennung für Geist" direkt die Bedeutung„ Kraft" der Toten, und bei den Quins wird der Geist fogar Zulugal genannt, das heißt„ Grabangehöriger".
Die Seele oder der Geist ist also, wie diese Ausdrücke zeigen, nur ein flüchtiger Schemen, ein förperloses Ding, das nicht aus fester, greif- und und sichtbarer Materie besteht und deshalb auch nicht nur in der Brust, sondern selbst im Blut und im engen Schädel Platz hat. Aber einen Geist, ein Wesen ohne Körper, das doch Körperformen hat, das keine Sinnesorgane besitzt und doch sehen, riechen, hören, fühlen, denken kans, vermag sich selbst eine über die bloße Reproduktion roher finnlicher Anschauungsbilder hinausgelangte Phantasie nicht vorzustellen. Auch unsere modernen Geisterscher und Geistergläubigen haben sich deshalb gezwungen
Die Entstehung der Geifter- und gesehen, ihre Geister mit einem Leibe auszustatten, jei es auch
Wo sist nun aber im lebenden Menschenförper die Seele? Nach der Auffassung der am tiefsten stehenden heutigen Naturvelfer meistens im warmen Blut oder in der atmenden Brust. Aus der auf rein äußerlicher Beobachtung beruhenden sinnlichen Anschauung des Wilden ist diese Ansicht leicht zu verstehen. Wenn er auf der Jagd ein Tier tötet oder im Kampfe seinen Gegner schwer verwundet, so fließt aus den Wunden das warme rote Blut; wird nicht der Abfluß verhindert, dann wird der Körper steif und starr, das warme herausfließende Blut dick und kalt. Folglich hielt jich vorher das Leben, die Seele, im Blute auf. Mit dem Blute hat zugleich die Seele den Körper verlassen, und mit der Abnahme der Wärme entwich wieder die Seele aus dem Blute. Nur die entjeelte Materie blieb zurüd. Dieser Glaube entspricht durch aus der täglichen Erfahrung des Wilden, und bei Jäger- und niedrigstehenden Hirtenvölkern, das heißt Hirtenstämmen, die das Vieh noch hauptsächlich zum Schlachten, weniger zur Gewinnung von Milchprodukten züchten, ist diese Ansicht überall verbreitet, denn täglich macht dort der Eingeborene beim Jagen und Schlachten immer wieder dieselbe Beobachtung.
Anders bei rohen Insel- und Küstenvölfern, in deren Gebiet es an jagdbaren Tieren fehlt und wo daher die tierische Kost fast ausschließlich in Fischen, Muscheln, Reptilien besteht, also in nicht warmblutigen Tieren. Auch dort finden wir zwar hin und wieder die Vorstellung, daß die Seele im Blute sitt, meist aber hat sie nach der Ansicht solcher Völker ihren Siz in der Brust, die sich deutlich erkennbar bei jedem Atemzuge bewegt, auch im Schlafe; sobald aber der Tod eintritt, bewegungslos wird folglich ist mit dem letten Hauch des Eterbenden auch seine Seele, sein Leben, entflohen.
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Höher schon steht die Auffassung, die wir bei verschiedenen Stämmen Neuguineas , der Salomoinseln, Reukaledoniens und der polynesischen Inselwelt vorfinden, daß die Seele( der Geist) des Menschen im Schädel, besonders in oder hinter den Augen, wohnt. Eine Ansicht, die nicht, wie vielleicht mancher annehmen möchte,
*) Bei der Angabe des Preises von Cunows Ursprung der Religion und des Gottesglaubens" ist gestern ein Irrtum unterlaufen. Das Buch fostet geheftet 1,20 m., in Leinen gebunden 1,50 M
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mit einem soein anderer Name für dasselbe Nichts genannten Aftralleib. Und fragt man fie, wie sie denn erkannt hätten, daß der ihnen erschienene Geist der Geist einer ihrer gestorbenen Verwandten oder einer ihnen bekannten Persönlichkeit gewesen sei, dann hört man, daß der Geist deutlich dieselben Züge, dieselben freundlichen oder stechenden Augen, das helle oder dunkle Haar, denselben Bart wie der Berstorbene gehabt habe.
Gehen wir aber bis ins Mittelalter zurück und betrachten uns die Heiligen- und Teufelslegenden, dann vernehmen wir, daß die Geister der Heiligen weinen, bluten und heulen wie irdische Menschen, daß die bösen Geister( Teufelsgeister) nach Pech und Schwefel stinken, Hörner, Bods- und Pferdefüße haben, mit den Menschen fämpfen und ringen und nicht selten von diesen verwundet und verprügelt werden.
Noch weniger aber als die mittelalterlichen Heiligen- und Teufelsgläubigen vermögen sich die einfachen Naturmenschen einen förperlosen Geist vorzustellen, und so finden wir denn, daß in ihren Geistersagen immer wieder die Seele( Geift) einfach mit dem Toten( oder der Leiche) identifiziert wird. Die Geister sehen, wenn sie auch für gewöhnlich unsichtbar find, doch genau so aus wie der Verstorbene. Sie haben dieselben Eigenschaften, fämpfen und ringen miteinander, bringen sich gegenseitig Wunden bei, haben Gerüche an sich, leiden an Hunger- und Durstgefühlen und finden besonderes Vergnügen am Essen, Trinken und Tanzen.
Das gilt nicht nur von den Australnegern, sondern auch von den auf einer weit höheren kulturellen Entwicklungsstufe stehenden Gingeborenen Neuguineas , des Bismard- und Salomoarchipels, der Banksinseln, Neuhebriden, Karolinen usw.
Vielfach wird der Geist sogar so weit mit dem Körper identis fiziert, den er einst bewohnte, daß man selbst solche Prozeduren, die noch nach dem Tode mit dem Leichnam vorgenommen werden, als mit dem Geist vorgenommen betrachtet. Um beispielsweise zu verhindern, daß der Geist eines rachsüchtigen Mannes bei feinen noch lebenden Verwandten umgeht" und sie mit seiner Rachsucht belästigt, werden in einzelnen australischen Stämmen die Gliedmaßen der Leiche aneinander gebunden, die Hände fest an den Leib geschnürt, dem Toten das Rückgrat gebrochen oder ihm gar der Kopf vom Rumpf abgetrennt.
Die Widersprüche, die in diesen verschiedenen Auffassungen stecken, fommen zunächst, wie ein Vergleich der Geistervorstellungen der Australneger lehrt, dem naiven Gemüt des Naturmenschen gar nicht zum Bewußtsein. Die Frage, wie ein Geist, der eine bollausgebildete menschliche Gestalt besitzt, im Blut oder in der Bruſt eines Menschen Platz zu finden vermag, existiert für ihn ebensowenig, wie die Frage, wie ein derart gestalteter Geist mit