Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 145.
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安
Dienstag, den 29. Juli.
Von diesem Tage an ward der Knabe zum Wilddieb. Nachdem er bis dahin zu seinem Vergnügen gemordet batte, begann er nun für Geld zu töten. Von Jahr zu Jahr vervollkommnete sich seine mörderische Kunst; bald ward er ein fürchterlicher Feind, der auf mehrere Meilen im Umkreis alle Schlupfnester und unterirdischen Baue mit dem Netzwerk seiner Listen umgarnte.
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dröhnendes Lachen von metallischem Klang gewandelt. Dies Lachen stieg häufig und machtvoll aus seiner Brust, den wüsten Lärm in den Regelbahnen, wo die Kugeln polternd rollten, übertönend.
Doch all dieser laute Lebensüberschwang schien in die tiefften Tiefen seines Wesens zu verfinfen, wenn er im Walde und auf der Lauer war, Fallen stellte oder Schlingen auslegte. Dann fonnte er starr und reglos wie ein Baumstamm stehen, bemüht, mit seinen spißen Ohren, die denen eines Satyrs glichen, das verworrene, unergründliche Rauschen, das durch die Dämmerung zog, zu enträtseln.
Mit zwanzig Jahren begann er dem heimatlichen Forst Vater Hornu, der stark gealtert war, bewohnte noch den Rücken zu fehren. Er unternahm Streifzüge durch Fel- immer seine Hütte am Waldessaum. Sein ehemals fo der und Wiesen, sprang, leichtfüßig über die stacheligen Ein- riesiges Gestell war arg verkümmert, die Knochen zeichneten friedigungshecken und Bretterzäune der Bauerngehöfte und sich scharf durch die Haut, und nur mühselig konnte er noch schwang sich über die hohen Eisengitter, die den Wildpark seine gichtbeschwerten Beine gebrauchen. Da er nicht mehr der Edelleute umhegten; die prächtige, wohlbehütete Beute, auf die Bäume klettern konnte, spaltete er die Stämme, die die er namentlich dort fand, lockte und reizte ihn ganz beson- seine Söhne fällten, mit der Art, schnitt sie zu Scheiten und ders. Von da ab war ihm gar nichts mehr heilig; er betrat schichtete diese auf. Und als ihm auch für diese Tätigkeit die das Besiktum fremder Leute und machte alles zu seinem Kräfte ausgingen, beschäftigte er sich nur mehr mit der WegEigen, was er erreichen konnte. Er war nun eine herkulische schaffung des Reisigs, das er, unsicher wankend, in einem Erscheinung, die Beine wie zum Laufen gedrechselt, die Lun- Karren beförderte. gen, wie die eines mächtigen Hengstes, und seine Faust hätte einen Ochsen totschlagen können. An Kirmestagen beluftigte er sich mit Vorliebe damit, einen zweiräderigen Wagen mit einer gewandten Bewegung seiner ehernen Hüften in die Höhe zu stemmen. Und bei den Prügeleien zersplitterte alles unter der Wucht seiner Streiche.
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Er hatte seine bestimmten Händler und tat sich auf seine Anständigkeit" in Geschäftsangelegenheiten nicht wenig zugute. Er war auch wegen seiner großzügigen Art beim Abschluß eines Handels sehr beliebt. Aus Bravour trug er bis weilen das Wildbret eigenhändig zur Stadt, zechte sogar unterwegs mit den Hegern, denen er seine Schliche andertraute, und machte sich scherzend erbötig, ihnen das Wildbret für die Tafel ihrer Herren zu liefern.
Treibjagden," pflegte er geringschäßig zu sagen, fie brauchen Treibjagden und sind ihrer zehne oder zwanzig! ch, ich treib mir meine Jagd allein! Und ich kenn alle Tiere bei ihren Vornamen. Ich brauch sie bloß zu rufen, und dann laufen sie mir zu, wie zu ihrer Mutter!"
Er verhöhnte die Förster, die Gendarmen und Jäger und versprach ihnen lachend eine Ladung Blei, falls sie ihm fe zu dicht an den Leib rückten.
Troß alledem war er scharf bewacht. Eines Tages hatten sich vier Heger zusammengetan, um ihn auszuheben. Da war er auf einen Baum geklettert, hatte ihre Bewegungen ausgespäht, ihre Pläne belauscht und ihnen plötzlich von oben zugeschrien:
"
après!"
Das bedeutete in seinem wallonischen Dialekt so viel wie Sucht mich doch!"
Einer der Söhne hatte geheiratet: eine junge Nestbruf war in die düstere Hütte gekommen, und der Großvater, den die Jahre immer mehr auswitterten, mußte nun die Kinder warten und mit den Resten feines eigenen Lebens ihr junges Dasein behüten. Der Wald rächte sich an ihm für die Verwüstungen, die er ihm zugefügt, indem er ihn ausdörrte wie einen alten, entwurzelten Stamm. Und schrittweise näherte fich der Greis dem Grabe, die Starrheit des Todes bereits in allen Gliedern.
Als Cachaprès eines Tages nach Hause kam, fand er ihn es Tages nach Saui auf seinem Blätterlager liegen, die Augen weit aufgerissen und den Körper eiskalt.
Es fiel diesen Waldmenschen schwer, sich den Vorschriften des Gesetzes zu fügen. Hätten sie ihrem Instinkt gehorcht, so hätten sie viel lieber irgendwo im dichten Tannenforst eine Grube gegraben und ihn darin eingescharrt, anstatt zum Bürgermeister zu laufen, eine Menge Formalitäten über sich ergehen zu lassen und ihn dann zum Schlusse auf den allgemeinen Friedhof zu bringen.
Die Brüder zimmerten aus rohen Latten einen Sarg. betteten den Toten auf eine Blätterstreu, dann griffen alle gemeinsam zu, Cachaprès und die Alte mit inbegriffen, und trugen ihn nach der Totenstatt.
Die Mutter, die hatte nicht geweint: nur ihr hartes, wie aus Holz geschnittes Gesicht hatte sich ganz seltsam verdehnt, wie die Faßdauben unter der Sonne. Rüstig schritt sie aus, ihre hohe Gestalt unter der Last des Toten ein wenig vornübergebeugt. Und bald war der kleine Trupp in dem morgendlich blauenden Gehölz verschwunden; die Amseln sangen alle zugleich, als grüßten sie den, der da wegzog.
Dieses Wort war ihm geblieben und nachgerade zu einer Als sie den Friedhof verließen, lud sie der Jüngste ing Art von Berühmtheit gelangt. In allen Jagdgeschichten Wirtshaus ein. Nie zuvor war ihm in den Sinn gefommen, wurde es genannt, an allen Wirtshaustischen und bei den etwas von seinem so leicht erworbenen Gelde den Seinen zu Spinnabenden in den Bauernhöfen; mit einer geheimen zuwenden. Dennoch war er nicht engherzig. Aber die armen Spize gegen die Gendarmen, wenn die Bauern feiner er- Leutchen, die selbst so wenig brauchten, hatten nie etwas von wähnten, und mit heftigen Ausfällen gegen den Wilderer, ihm verlangt, und er dachte nicht daran, ihnen je etwas zu wenn die Jäger es aussprachen. Und die Unmöglichkeit, ihn geben. An jenem Tage aber tranken sich die Brüder auf seine zu ertappen, die Unzugänglichkeit seiner Schlupfwinkel, wenn Kosten ein paar Räusche an, und auch die Frauen tranfen. er umzingelt wurde, flochten um seine Person einen ganzen In seinem Verlangen, für den Verstorbenen irgend etwas Sagenkreis und mehrten noch seine Berühmtheitst Großes zu leisten, hätte er am liebsten das ganze Dorf betrunken gemacht.
Die kleinen Landleute liebten ihn; instinktiv fühlten sie in ihm einen Gesinnungsgenossen in ihrer dumpfen Auflehnung und dem uneingestandenen Haß gegen alle Obrigfeit. Und stets fand sich ein warmes Bund Stroh für ihn, wenn er in den Bauernhöfen um Nachtlager bat, und eine mächtige Schnitte Brot und Bier und Kaffee, soviel er wollte. Er verdiente reichlich Geld, und mit Staunen sahen die Bauern manches funkelnde Silberstück in seinen Händen. Dem Wald hatte er seine alte Liebe aus den Tagen der Kindheit bewahrt; aber seit er die Wirtshäuser kennen gelernt hatte, hielt ihn die Freude am Trinken in den Kneipen fest, wo er zechte, Regel spielte und allerlei leichtsinnige Wetten abschloß. Die lärmende Heiterkeit des echten Wallonen war ihm zu eigen; sein dünnes Kinderlächeln hatte sich in ein tief
Nur die Alte hatte ihr Glas nicht angerührt. Die ganze Beit faß fie reglos und stumm, die Hände auf die Knie gestüßt, unverwandt in die gähnende Leere starrend, die der Tod des Alten in ihrem Leben zurückgelaffen hatte. Als der Abend anbrach und die Burschen stockhagelvoll auf der Erde schnarchten, pacte Cachaprès den einen und die Alte den anderen. Sie lud ihn auf ihre Schultern wie einen Sad und trug ihn, die Hände in die Hüften gestemmt, mit gebeugtem Nacken Heim. Und so kehrte sie, mit dem Sohne auf dent Rücken, in ihr Haus zurück, das sie am Morgen mit dent Gatten auf der Schulter verlassen hatte. Ein paar Tage danach starb auch sie, ohne frank gewesen zu sein, wie das Weibchen zu leben aufhört, wenn das Männchen stirbt.