Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 154.
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Ein Mann.
Sonnabend, den 9. August.
Dann betrat man die gute Stube" im Erdgeschosse, wo Champignys ihre Gäste empfingen. Auf dem Tische lag ein schöngeblümtes Tuch, und darauf stand eine Reistorte mit safrangelber Kruste. Die Pächterin versenkte das Messer in die Torte, zerteilte sie, und jeder langte nach dem Stücke, das ihm am besten zusagte. Eine dralle Bauernmagd trat ein und begrüßte die Gäste, übers ganze Gesicht grinsend, mit einem herzhaften Wünsch' guten Tag". Sie stellte eine Kaffeekanne auf den Tisch, aus deren Schnabel bräunliche, zichorienduftende Dämpfe entstiegen.
„ Noch ein Täßchen! Noch ein Stückchen Kuchen!" wieder Holte die Hausfrau jeden Augenblick.
Nein, danke sehr, es geht nicht mehr, ich bin wirklich schon ganz vollgestopft," sagte Frau Malouin.
Macht nichts! Versuchen Sie es doch!" „ Also ein ganz kleines Täßchen, um Ihnen keinen Korb zu geben. So genug danke!"
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Dann wandte sich die Pächterin an Célina und Germaine, „ Schmeckt Euch denn die Torte nicht, daß Ihr so wenig eßt? He, Champigny , mach' doch den Fräulein ein bißchen den Hof! Ach, wenn wir nicht so alte Leute wären, sondern junge Burschen...!"
Bewahre, was denken Sie denn von uns?" protestierte Célina lachend.
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1913
Célina und Germaine erhoben sich und tauschten mit den Neuangekommenen Händedrücke. Dann ließen sich alle auf geflochtenen Strohsesseln, die zur Ergänzung aus dem Nebenzimmer geholt wurden, um den Tisch herum nieder. Izard ging hin und wider und förderte immer neue Flaschen herbei. Die jungen Männer bemühten sich, die Mädchen zum Trinken zu nötigen, und knallend wurde ein Kork nach dem anderen aus den Flaschenhälsen gezogen.
Die drei Neffen kamen vom Tanzsaale; sie hatten sich recht gut amüsiert. Sie erzählten, wie die Tochter des Kaufmannes Herbaur bei der Quadrille stürzte und im Falle ihren Tänzer mitriß, und die anderen Paare über die Liegenden gestolpert seien, bis ein ganzer, drolliger Menschenknäuel auf dem Boden zappelte. Dabei ließen sie, vielsagend lächelnd, durchblicken, daß sich noch andere Dinge zugetragen hätten, Dinge, die...
Der Steuerbeamte dagegen verachtete all diese trivialen Lustbarkeiten. In der Stadt wisse man sich Besseres als diese dummen Trinen vom Lande. Die Mädchen im Dorfe verständen nicht einmal ordentlich Walzer zu tanzen. Und er, affettierte eine vornehme Blasiertheit als ein Mann, der sich manch anderen, verfeinerten Genuß verschaffen konnte. innere Unrube beherrschte sie, das viele Nippen unterwegs Germaine hörte nur zerstreut auf die Reden. Eine große, hatte ihre Sinne leicht umnebelt; ihre Wangen brannten wie purpurner Mohn.
Champigny gab das Zeichen zum Aufbruch.
Vergeßt nicht, daß hier Jugend ist! Die will sich doch unterhalten!"
Ja, ja, so ist die Jugend! Zoë denkt auch nicht anders, Daraufhin erhob sich die ganze Gesellschaft. Die jungen fte macht's geradeso wie alle andern Mädels. Bitte! ein Männer waren in frohester Laune. Ihre Stimmen wurden Täßchen nocht nur ein einziges!" Neuerdings wurden die Teller vorgerückt und frische lauter, ihre Blide verwegener, werbend und weich. Der BeLadungen Kuchen in die Mägen geschoben. Dann kam das amte verbog seine lange Gestalt, um sich mit Germaine im Gespräch auf Kälber und Schweinezucht und auf die Aus- Flüstertone zu unterhalten; Célina, Roe und die Schwestern sichten der Ernte. Durch die geöffneten Fenster drang das Izard folgten lachend und scherzend, über die Bäuerinnen Rindergebrüll von den Ställen und der Duft des Dünger- pöttelnd, die in blauen und grünen Gewändern vorüber haufens herein. Aus der Ferne klang das Jauchen des jubelnden Dorfes. Nun wurde aufgebrochen, und die Champignys schlossen sich ihren Gästen an.
Unglückseligerweise stand auch der Müller Jaard vor seiner Tür. Auch der nötigte sie einzutreten, wie vorhin Champigny . Er war zwar allein zu Hause, doch sandte er feinen Burschen zur Familie Ronflette, wo seine Töchter zu Besuch weilten.
Izard war Witwer. Während er noch sprach, hatte er die Türe zu seinem Salon geöffnet, dessen Wände mit einer goldgesprenkelten, samtartigen Tapete verkleidet waren. Sie blieben einen Moment allein und musterten neugierig den Ramin mit dem goldgerahmten Spiegel. Um einen Tisch mit einer Marmorplatte und gedrechselten Beinen standen sechs Samtfauteuils mit gehäkelten Schutzdecken herunt. Auf den Parketten bereitete sich die wollene, weiche Bracht eines dicken, mit Rosengirlanden geschmückten Teppichs.
Dann kam der Müller wieder herein, unter jedem Arme eine Flasche Wein.
Die Frauen protestierten: sie hätten eben Kaffee und Liför getrunken, der Wein würde ihnen den Magen zu sehr beschweren.
„ Ach! Ein Gläschen zuviel darf man sich zur Kirmeszeit schon gestatten," entgegnete zard.
Und Sie werden auch Gesellschaft bekommen. Ich hab' meine Neffen holen lassen."
Und er blinzelte zu den jungen Mädchen hinüber.
Die Flaschen leerten sich. Einige Bonbonnieren machten die Runde. Champigny verkoſtete den Wein und schnalzte mit der Bunge. Der Müller sah ihn schmunzelnd an, als ob er fragen wollte:
,, He? Na? ist der nicht gut?"
Nun wurde das Geräusch von Schritten auf dem Vorplaz bernehmbar und fast alsogleich wurde die Türe aufgetan. Die Töchter des Müllers traten ein, gefolgt von ihren drei Vettern, von denen zwei ebenfalls Müller in der väterlichen Mühle waren, während der dritte als Steuerbeamter in der Stadt lebte.
Sie wurden vorgestellt.
kamen und auf ihrem Stopfe ganze„ Gemüsegärten" trugen. Dieses Wort stammte von Frma, der Aeltesten der Izards, die in einem Pensionat in Givet zur Erziehung gewesen war und sich von dort die Freude und Luft am Spötteln heimgebracht hatte.
8.
Aus allen Wirtshäusern wälzte sich nunmehr ein braufender Strom von Trunkenheit. Wüstes Lärmen, Ranken und Fausthiebe auf die Tischplatten waren auch von außen zu hören, gotteslästerliche Verwünschungen zischten zwischen den Klagegesängen auf, die schwere Zungen herableierten. In den Gärten fuhren die Kugeln wie wütend unter die Kegel, und allerorten wurden unsinnige Wetten abgeschlossen. Bauern, die sonst nichts besaßen als ihr elendes Dach überm Kopfe und halb Hungers starben, wagten. Einfäße bis zu hundert Frank.
Durch das reichliche Schmausen waren die Mägen bis zum Bersten gefüllt. Die Gesichter der Frauen verschwanden hinter riesigen Reistortenstücken; Kinder mit pflaumenmusbeschmierten Wangen lutschten an harten Ruderstangen; in beiden Händen hielten die Männer Würste aus Pferdefleisch, aus Leibeskräften an dem zähfaserigen Fleische würgend. Anderwärts stopfte man sich mit harten Eiern und scharf gewürzten Pfefferkuchen voll, die die Kehlen zu unermüd | lichem Trinken reizten.
So gelangte die Gesellschaft zur Sonne".
Beim Eintreten mußten sie gegen die in hellen Haufen herausströmenden Scharen anfämpfen. Mit den Ellenbogen bahnten die vorangehenden jungen Leute den Weg, die Mädchen, dicht ancinandergepreßt, arbeiteten fich, mit ihrem ganzen Körper stoßend, hindurch.
Durch die offenen Fenster fielen schräge Sonnenstrahlen und tauchten den Saal in ihren grellen Glast. Geblendet, mit der Hand vor den Augen, blieber sie stehen, bis sich die Pupillen an die Lichtfülle gewöhnt hatten. Dann begannen sie in den Reihen der Tanzenden nach Bekannten zu suchen und deren Namen zu nennen.
Die Musikanten saßen in Hemdärmeln, Einer der Klarinettisten blies aus vollen Backen in sein Instrument, während