We man im Dunkeln nicht sehen konnte. Die Dornen zerrissenunsere Kleider, die Fliße und die Hände, welche wir vor die Augenhielten, um sie zu schützen. DaS Blut träufelte vonden Gliedern, aber eS gab keinen Halt, stets und rastlos gingeS nach Norden. Zeit ist Geld, heißt eS: für unswar Zeit Leben. Wir überschritten tiefe Betten der Gießbäche,manchmal stolperte das Tier und mit ihm der Reiter, aber es gab»eine Zeit, über Schmerzen und Quetschungen zu klagen." Nach derersten Nacht waren die Augen der Flüchtlinge angeschwollen, siewaren zum Umfallen müde, eine der Schwestern wurde vor Schwächeohnmächtig, aber weiter und weiter ging die eilige Flucht, Tag undNacht hindurch, über öde Wüsten während bei TagS, bei Nacht amStrom entlang.Am dritten Tage sahen die Flüchtlinge Verber bor sich; gegenAbend füllten sie gegenüber der Stadt ihre Schläuche und ritteneilig weiter; in den dreieinhalb Tagen hatten sie nur vier Stundenschlafen können. Zwieback und Wasser war die einzigeNahrung. Der Ritt hatte die Flüchtlinge starr und wund gemacht,ihre Wunden brannten, aber weiter und weiter mußte die Fluchtgehen, denn die Entweichung mußte in Omdurman längst bekanntgeworden sein, und in jedem Reiter, mieden die Flüchtlinge stießen,witterten sie einen Untertan des MahdiS, der sie anhalten und nachdem Befehle AbdullahiS„lebendig oder tot nach der Residenzbringen sollte."Die Kamele waren völlig abgetrieben und nur noch Skeletteund die Flüchtlinge selbst waren nichts als Haut und Knochen.„Unser Proviant war aufgezehrt," so beschreibt Ohrwalder den Zu-stand der Flüchtlinge am fünften Tage des Rittes. Die Kameleund wir waren äußerst ermüdet. Mich schmerzte die Rechte,da ich stets die Peitsche führen mußte, um da» armeKamel anzutreiben. Die Nähe unseres Zieles gab uns Mut, diefurchtbaren Strapazen zu ertrage». Der größte Feind tvar derSchlaf. Es ist unbeschreiblich, welche Gewalt uns dieser Tyrannantat Wir suchten un» laut zu unterhalten und durch plötzlichesRütteln zu erschrecken, die Haut zu kneifen bis aufs Blut, und Haareauszuraufen, um den Schlaf zu verjagen. Wie Blei drückten dieAugenlider nieder und eS bedurfte der größten Kraft, sie wieder zuöffnen."Am 8. Dezember endlich näherte man sich dem BrunnenMurad, zwischen KoroSko und Abu-Hamed:„Schon erblicktenwir die Zyklopenbauten ähnlichen Befestigungen auf den dieBrunnen umgebenden Bergen und die vom Morgenwind ge«peitschte rote Fahne mit Halbmond und Stern.„Achmed", schrieich,„grüße die Fahne der Freiheit I" Der mutige Netter nahm seinGewehr und mehrere Salven verkündeten der ägyptischen Garnisonunsere Ankunft. Kräftig widerhallten die Salven in den nacktenBergen. Jetzt waren wir den grausamen Händen des ChalifaAbdullahi entronnen und wir hatten unsere Geister unter seinerFarua hervorgeholt: der Chalifa pflegt nämlich zu sagen, er habedie Geister seiner Feinde unter dem Schaffell starua), worauf erbetet; womit er sagen will, daß er seine Feinde in seiner Handhabe. Jetzt waren wir wieder freie Menschen."Volkskunde.Ein schauerlicher Aberglaube. So ziemlich über dieganze Erde verbreitet ist der Glaube, daß Krankheiten von dendavon Befallenen entweder auf andere Menschen oder auch aufTiere, ja sogar auf Pflanzen vermittelst irgendwelcher geheimnis«vollen Betätigung„übertragen" werden können. Aber auch Leichenkönnen Lebenden ihre Krankheiten ab- und mit ins Grab nehmen.Um dies zu erreichen, legt man irgendeinen Gegenstand, der demLeidenden gehört oder mit dem Krankhaften in Berührung gekommenund so vom Krankheitsstoff durchtränkt ist, einer Leiche mit in denSarg oder wirft ihn in ein offenes Grab.Dieser Brauch ist sehr alt. Bereit» in deutschen Bußordnungende? 11. Jahrhunderts wird bei strengen Strafen verboten, denLeichen Krankheiten mitzugeben beziehungsweise sie mit diesen ver-graben zu lassen. Trotzdem wird dieses Verfahren im Mittelalterallenthalben geübt. 1689 schreibt ein Chronist aus dem Erzgebirge:Sie meinen,„wann sie ein Stück Saltz und Brod halb essen/ unddie andere Hälffle einer Leichen unter den Arm legen/ und mitinS Grab geben/ so würden sie von der schweren Not befreyet werden."Aber selbst heute noch herrscht in manchen Gegenden, zum Bei«spiel in Sachsen der Glaube, man könne Krankheiten loswerden,wenn man irgendeinen bestimmten Gegenstand in den Sarg legtoder in« offene Grab wirst. Beispiele dafür bringt das soeben er-schienene Buch Dr. C Seyfarths:„Aberglaube und Zauberei in derVolksmedizin Sachsens". Weit verbreitet ist folgender Brauch, um sichvon Warzen, Hühneraugen oder Hautausschlägen zu besteien: Manbestreicht sie dreimal mit einem gestohlenen Stückchen Speck undlegt dieses einer Leiche mit in den Sarg, ohne daß es ein andererbemerkt oder sieht. Die gleiche Wirkung hat e», wenn man dasSpeckschnittchen bei einem Begräbnis»ach dem Vaterunser insGrab wirft. Warzen verschwinden auch, wenn man sie mit einergestohlenen Kartoffel oder mit einer auf die gleiche Weise er«langten Zwiebel drückt und diese dann einer Leiche mitgibt. Inder Gegend von Rötha macht man in einen Strohhalm so vieleKnoten, als man Warzen hat, und legt diesen danach zu einerLeiche in den Sarg. Nach wenigen Tagen verschwinden dann dieunschönen Wucherungen von selbst.__Berantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln.— Druck u. Verlag:Hat man im Erzgebirge Warzen oder sonst etwa? Böse» amKörper, so bestreicht man da» Krankhaste mit etwas Leinwandund legt diese mit in den Sarg. Unmittelbar werden Krankheitenauch dadurch auf einen Toten übergeleitet, daß man das Krankhafte mit einem Teile der Leiche, etwa mit der Totenhand, inBerührung bringt. Durch Bestreichen mit einer solchenglaubt man allgemein Kröpfe, Warzen, Ueberbeine, Feuer-, Haar-,Leber- und Muttermale vertreiben zu können. In diesen Fällen be-steht der Glaube, daß die Leiden nicht durch die Berührung desLeichnams auf diesen übertragen werden, sondern daß durch„dieTodeSkraft der Leiche" die Krankheiten im Menschen ertötet werdensollen. Denn der tote menschliche Körper besitzt nach dem Volks-glauben geheimnisvolle Heil- und Zauberkräfte, die er auf alleGegenstände, die mit ihm in irgendeinem Zusammenhang stehen,überträgt.Völkerkunde.Eine Legende von der Erwerbsgier. Bei denAnnamiten erzählt man sich folgende Geschichte: Ein alterAnnamit hatte drei Söhne. Als seine Sterbestunde herangekommen,versammelte er diese um sein Bett und fragte sie, wie sie es mitseiner Bestattung zu halten gedächten.„Ich," sagte der Aelteste,will dir ein schönes Leichenbegängnis mit Musik geben."„Du bistein Verschwender," rief der Sterbende entrüstet,„wozu diese unnützenGeldausgaben?"„Ich werde dich mitten auf dem Felde begraben",ließ sich der zweite Sohn vernehmen.„DaS ist schon besser," er-widerte der Vater,„du sparst dabei wenigstens dein Geld. Aberweshalb kannst du mich denn nicht nutzbringender verwerten?"„Ichhab's," rief der Jüngste,„ich will dich einsalzen und stückweise ver-kaufen".„Sehr gut, mein Sohn." bemerkte der Alte mit vergnügtemSchmunzeln.„Du bist ein würdiger Sprosse. Aber hüte dich nur,unserem Nachbarn etwas zu verkaufen. Er ist ein schlechter Zahlerund du würdest bei dem Handel nur dein Geld verlieren."Medizinische?.Die Ursachen der Kurzsichti�keit. Unsermedizinischer Mitarbeiter schreibt uns: Es ist eine allbe-kannte Tatsache, daß ein großer Teil der Kurzsichtigenihr Leiden der Schule verdankt, und in angenärztlichenKreisen spricht man auch kurzerhand von einer Schul-myopie. Den Ursprung dieses Uebel» sieht man in Laien-kreisen seit altersher in der schlechten Haltung der Kinder, diesich mit hängendem Kopfe zu sehr den Büchern nähern. Auch derBerliner Ophthalmologe Prof. Levinsohn neigt zu einer ähnlichenAnschauung; er nimmt an, daß bei der Kopfneigung oiemechanischen Verhältnisse eine Verlängerung der Augapfelachseveranlassen, die dann zur Kurzsichtigkeit führt. Er hat die Rick-tigkeit seiner Theorie an Affen untersucht. Auf dem Ophthal-mologentage in Heidelberg hat er über die Ergebnisse berichtet.Die Affen wurden mehrere Monate hindurch täglich einige Stun-den lang in halbschräger Stellung mit dem Kopf nach unten auf-gehängt. Das Resultat entsprach den Erwartungen. Der normal-sichtige Affe wurde kurzsichtig, und bei einem bereits kurzsichtigenAffen stellte sich ein wesentlich höherer Grad von Myopie ein. Auchauf der Netzhaut und am Sehnerven traten die charakteristischenmyopischen Veränderungen zutage. Allerdings wirken bei der Ent-stchung der Kurzsichtigkeit wohl noch andere Ursachen, zum Beispieloie Vererbbarkeit des Leidens, mit. Näharbeit, eine Generationlang ausgeübt, erleichtert bei den Nachkommen die Entstehung derKurzsichtigkeit.Bauwesen.Ein neues Baumaterial. Der amerikanischepraktische Sinn hat ein neues Baumaterial auf den Marktgebracht, das H y r i b genannt wird und, wie BauratDr. E. Friedrich in der„Bauwelt" ausführt, gewisser-maßen ein Streckmetall mit innewohnenden Versteifungs-rippen ist. Hhrib wird als eine Art von Einlagen für ge-wisse Eisenkonstruktionen verwandt und besteht aus einer Reihevon tiefen Rippen, die untereinander durch ein Metallnetzwerk ver-bunden sind. Die Rippen sowohl wie da» Netzwerk sind auS ein-und derselben Stahlplatte gebildet. Die besondere Eigentümlichkeitdes Hyrib besteht darin, daß es zu einem doppelten Zweck des Eisen«beton? dient: es wird nämlich sowohl für die Leeren und Formenals auch als Eiseneinlage verwendet. So gibt e» z. B. Dächer undDecken, die in einfachster Weise nur durch Verlegen von Hyrid-platten gebildet waren, auf die die Betonmischung in der erforder-lichen Dicke aufgebracht war, während die Unterselte dieser Platten»die vermöge der Rauheit de» Netzes einen vorzüglichen Putzträgerbilden, noch nachträglich mit Putzmörtel beworfen wurde. Auf-fallend ist dabei die geringe Stärke einer solchen Dachkonstruktion.E» leuchtet ein, daß man mit diesem Verfahren nicht unwesentlichan Material sparen kann, da nicht nur das Eigengewicht de» Dache»selbst, sondern auch das der unterstützenden Konstruktion wesentlichverringert wird. Für di« kürzeren Spannweiten werden die üb-lichen hölzernen Unterstützungen nicht verwendet. Nur bei dengrößeren Spannweiten werden in der Mitte zur Verstärkung derHyrib vorübergehend Stützen angebracht. Ausgedehnt« Verwendungfindet Hyrib auch bei der Konstruktion von UmfassungS- undZwischenwänden. Sie werden verblüffend schnell zusammengestellt.Hyribscheidcwände sind fest, widerstandssählg und schallsicher.Vorwärts Buchdruckerei u.VerlagSanstaldPaul Singer L-Co., Berlin S1V.