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Er erzählte ihr von seinem Wald: das fei das einzige, aus seiner frühesten und nachfolgenden Entwickelungsperiode vers wahre Leben, durch die Wildnis der Wälder zu schweifen, alles folgen. Abgesehen von einigen satirischen Seitenspringen gesellschaft andere sei nichts. Er wollte mit feinem Bächter der Weltlicher Natur enthält sein höhnisches Distichon Völker und Staaten auschen. Er verachtete alle regelmäßige Tätigkeit, die harte( 1805) doch schon kräftige Anfäße zu politischer Satire. Weiter sind Arbeit des Landmannes, der mit feinem Gefährten, dem nennen vier Sonette An bie Apostolischen", die wohl als erstmalig geäußertes politisches Glaubensbekenntnis erachtet Ochfen, um die Wette pflügend, fich um jedes doch Ackerland werden können; Die Wunderkur", ein satirisches Lustspiel gegen. fadern und schinden muß. Da lobte er sich sein Gewerbe! ben mesmeristischen Schwindel", ble tragische Geschichte" vom 8opf, Was fonnte es Höheres geben, als eine aufregende Pirsch, der hinten hing", und das„ Nachtwächterlied", aus dem die beiden einen feltenen Fang oder einen wohlgelungenen Streich, den Verszeilen man den Gendarmen gespielt? Musik war ihm der BüchsenUnd der König absolut, Inall, das Anaden des Hahnes, der Pulverdampf! Gewiß, wenn irgendwo Krieg wäre, hätte er sich anterben lassen! ( Fortsetzung folgt.)
Chamillo.
Beitpolitisches und Soziales.
Heute vor fünfundsiebzig Jahren starb Adalbert von Chamisso in Berlin , wo er, mit einigen Unterbrechungen, seit feinem fünfzehnten Jahre gelebt und gewirkt hatte. An ihm, dem geborenen Franzosen, vollzog sich das Wunder einer vollständigen Wesensverdeutschung. Mit Fug und Recht durfte er von sich rühmen, durch Sprache, Kunst, Wissenschaft, Religion ein Deutscher " zu sein. Franzos an Blut und ritterlichem Feuer, Ein Deutscher an Gemüt und zartem Sinnen, So durften wir als unser dich gewinnen
hat einst Paul Heyse gesagt. Aber wenn vielleicht auch schon in seiner ostfranzösischen Artung er war zwischen dem 27. und 28. Januar 1781 auf Boncourt , dem Stammschlosse seiner Familie in der Champagne, geboren eine gewisse Annäherung an das Naturell der germanischen Rasse verkapselt gelegen hatte, ohne gewaltige Stämpfe geistiger wie seelischer Art fonnte der Umivandlungsprozeß doch nicht gewonnen werden. Als völlig verarmte Heimatlose Flüchtlinge waren die Eltern Chamissos nach Deutschland gekommen. Adalbert zählte damals erst neun Jahre. Was beginnen? Irgendwas, und wär's ein Handwerk sollte er ergreifen. Das wird aus einem Briefe ersichtlich:" Als Graf von Chamisso geboren, komme ich nach Würzburg , wo man beratschlagt, ob man mich zum Tischler machen soll; statt dessen werde ich wohldressierter Blumenverfertiger und Verkäufer zu Bayreuth ; dann expediert man mich als Porzellanmaler nach Berlin ."
Hier trifft es sich, ihm eine Bagenstelle beim Königshof zu verschaffen. Nun muß er, ob er will oder nicht, im„ Inappen halb betreßten Scharlachkleide" Lakaiendienst verrichten und kommt so ohne jegliche Neigung in die Laufbahn eines preußischen Offiziers, die fortan sein ganzer Lebenszweck sein soll. Schon damals erfüllte ihn leidenschaftlicher Haß gegen das ihm aufgezwungene schändliche Métier." Das war ja nur der schmerzbewegte Künstlergeist des Verbannten, der in ihm gegen den Drillzwang des soldatischen Lebens zu rebellieren begann. Und es mußte ja die Stunde fommen, wo Chamisso dasselbe tat, wie später auch zivei andere Boeten im vornehmsten Rocke": Friedrich von Sallet und Franz von Gaudy : er hing das Waffenhandwerk an den Nagel was freilich erst im Frühjahr 1809 gelingen sollte.
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Wenn er unsern Willen tut
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als geflügelte Worte Unsterblichkeit erlangt haben.
Bollends als ein Sohn des Zeitalters politischer Umwälzungen erscheint Chamisso in seiner dichterischen Anteilnahme am griechischen Freiheitstampf, den er mehrfach feiert. Aber erst das Jahr der Julirevolution und des Bolenaufstandes ließ seine Leier voll ertönen. Wie Heine begrüßt er freudig jenen Weltsturm" am Seinestrand. Als ein Extrablatt den Berlinern den Ausbruch der Revolution und Karls X., des„ Esels", feige Flucht aus Paris berkündete, lief Chamisso im Hausrod und in Pantoffeln durch die belebten Straßen zu Eduard Hizigs Wohnung, um ihm triumphierend diese Während er nun in Erschütterung über die Ereignisse gespannten heißen Botschaft zu überbringen. Herzens den weiterrollenden Stürmen lauscht und fie in bald frohlockenden, bald satirischen oder feierlichen Gesängen begleitet, scherzt er über den Schneiderauflauf", den die Julirevolution nachträglich in Berlin bewirkt, und der ja nur von weitem eine Revolution oder ein Blutbad" geschienen habe. Zwei beißende Satiren Kleidermacher- Mut" und" Französisches Lied" offenbaren übrigens zur Genüge, wie Chamisso vom tannegießernden Demagogentum jener Jahre dachte.
Er war weder Republikaner noch sonst einer politischen Partei ergeben. Er war auch kein Rufer im Streit der Tagesmeinungen nur ein mit Saint- Simonistischem Gefühlssozialismus erfüllter Herold der ewigen Menschenrechte; weniger schlechterdings, wenn er das Lied von der alten Waschfrau als wenn er die furchtbar erschütternde und revolutionär aufpeitschende, echt soziale Ballade vom Bettler und seinem Hunde sang."
Wohl bezeichnete er sich einmal nur als„ der empörten Zeiten unmächtiger, bangender Sohn". Er war aber mehr, er war des Zeitgewissens tatkräftiger Mahner.
So erklärt sich auch seine Hinneigung zu Beranger, mit dem er oft in Parallele gestellt wurde und von dessen politischen wie sozialen Chansons er einige dreißig allein und zahlreiche andere gemeinschaftlich mit Gaudy wundervoll übertragen hat. So rechts fertigt sich seine entschieden demokratische Frontstellung gegenüber allen feudalistischen Vorrechten des Geburtsadels wie hierarchischen Bestrebungen der Kirche. Sein scharfer Blick ist der Zukunft zu gewandt. Alles unterliegt dem ewigen Gesetz der Entwicklung. Was muß, das wird." Deshalb, ruft er aus, ist's„ ein eitelĭ, ein vergeblich Wagen, zu greifen ins bewegte Rad der Zeit!" Das Neue wird, das Alte muß veralten!"
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Alle Rousseausche Naturschwärmerei von ehedem hat er im Vorahnen des Sieges der Naturwissenschaften abgetan. Das Maschinenzeitalter ist angebrochen. Mit Anastasius Grün ist er der erste Poet, der 1830" Das Dampfroß" feiert. In der Erfindung der Eisenbahn, des Telegraphen und der Dampfschiffahrt erblickte er ahnungsvoll den Anbruch einer neuen Umwälzung der Dinge. 1837 im August unternahm er eine Schnellpostreise nach Leipzig , nur um die erste fertiggewordene Station der Leipzig - Dresdener Bahnstrecke zu durch fahren. Begeistert von diesen Eindrücken schrieb er ein Jahr danach an Fouqué : Jm Herbst 1887 war ich, votum solvens, in Leipzig , die Eisenbahn mit vorgespanntem Zeitgeist zu befahrenich hätte nicht ruhig sterben können, hätte ich nicht vom Hochfizze dieses Triumphwagens in die sich entrollende Zukunft hineingeschaut." Schon drei Jahre zuvor hatte er sich zu einem anderen Freunde prophetisch geäußert: Die fortgeschrittene, von Dampfschiffahrt, Eisenbahnen, telegraphischen Linien durchfurchte Welt wird eine ganz andere sein, als die unsere Zeit", denn da werden nicht Standesprivilegien, sondern einzig und allein die Tüchtigkeit ent scheidend sein.
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Reichen Gewinn hatte ihm die neunjährige Leutnantszeit immerhin gebracht; denn sie war ausgefüllt durch gründliche philosophische, sprachliche und literarische Studien. Und als der schon Zweiunddreißigjährige die Berliner Universität bezieht, um Naturwissenschaften zu treiben, da hat er sich auch bereits zu bedeutenden Dichterleistungen hindurchgerungen. Denn man vergesse nicht: das Jahr des deutschen Freiheitskampfes, das, wie er klagend ausrief, für ihn, nur für ihn fein Schwert hatte," es ist auch das Geburtsjahr von Peter Schlemih Is wundersamer Geschichte". Der Mann ohne Schatten ist Chamisso. Alle Kämpfe, die er selbst gegen mancherlei Hemmnisse, insbesondere gegen eine fleinlich denkende Umwelt zu führen hatte: in Schlemihl sind sie aufgefangen. Hierauf nimmt er auch Bezug in seinem Testament. Er wünscht So ist diese wundersame" Geschichte auch zugleich die Geschichte zwar, daß seine Söhne studieren, insofern sie die Mittel haben", seines eigenen Werdens. ist aber ganz damit einverstanden, wenn der eine oder der andere Umfassendes Naturerkennen, eine dreijährige Reise um die Welt zu einem bürgerlichen Gewerbe übergehen will. Die Zeit des traten hinzu, um seine Anschauung von politischen und sozialen Schwertes ist abgelaufen, und die Industrie erlangt in der Welt, Dingen fosmopolitisch zu weiten, aber auch zu vertiefen. Aus der wie sie wird, Macht und Adel. Auf jeden Fall besser ein tüchtiger den Sinn gefangen haltenden„ mondbeglänzten Zaubernacht" der Arbeitsmann als ein Stribler oder Beamter aus dem niederen Romantik trat Chamisso als freier, farblickender Gestalter in die Trosse". Zeit, die in allen Fugen krachte.
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So in fich gefestigt und in das neue Werden verankert, hat Es entspricht ja der Wahrheit, wenn Chamisso im Juni 1832 Chamisso aber förderfam in die Dichtung seiner Tage eingegriffen, ausruft: Das Volk singt meine Lieder, man singt sie in den sobald sich in ihr fräftige Zukunftsteime zeigten. Für Heine sprang Salons, die Komponisten reißen sich danach" gegen 400 Gedichte er in die Schranken, weil er ihn als Hochbegnadeten Lyriker und sind bis heute komponiert!„ die Jungen deklamieren sie in den Sänger der heraufkommenden sozialen Epoche erkannte. Und wie er Schulen usw." Aber ebenso wahr ist auch, daß der Höhepunkt seiner Freiligraths ausschweifende erotische Poesie wohltuend mit ruhigem Iyrischen und epischen Produktior: zeitlich mit seinem Hervortreten Rat beeinflußt, überhaupt die Dichter der Zeit des Jungen Deutsch als Satiriker und politischer wie sozialer Dichter- land in der Schöpfung einer politischen Lyrik gefördert, ja nicht denter zusammenfällt. zum wenigsten durch seine eigene epische Produktion der realistischen
Nicht auf einmal erstarkte Chamisso zu einem politischen Zeit- Literatur unserer Tage die Bahn gebrochen, das wird ihm unverdichter edelster Art. Spuren davon lassen sich bereits in Gedichten gessen bleiben.