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eine Handboll Cutplug abgebettelt, bann erhielt ich von dem Kutscher nicht wohl bezweifelbare Sagen und Märchenmotive Bezug, wo der Dame mit dem Bie eine Bigarre. Das übte auf mich eine durch fie einen neuen Alzent von Legitimität und Vertrauenswürdig so gute Wirkung aus, daß ich beim Abmarsch von Brandywine aus feit erhält. Der betörte Schlemihl wählt den Glücksfädel, und es Leibesträften die Marseillaise pfiff. Der Telegraphenbeamte fah folgt jener unbezahlbare, vom Jllustrator mit vielem Humor ver zum Fenster hinaus und schüttelte mißbilligend den Kopf. Kurt anschaulichte Moment, wo der Graue niederkniet, mit bewunderungs­fah das und brach in ein schallendes Gelächter aus. Ms ich fragte, würdiger Geschicklichkeit Schlemihls Schatten vom Kopf bis zu den warum er lache, meinte er: Jegt weiß ich erst, wo ich den Mann Füßen leise vom Grase löst, zusammenrollt, faltet und in die schon gesehen habe-im Affenhause des Zoologischen. Sieht er Tasche steckt. nicht aus wie ein richtiger alter Pavian, wie er so böse hinter uns Herglott?"

Moses ging mit uns. Er erzählte uns in abgerissenen Säßen seine Erlebnisse in Amerika ; sie waren trüb und traurig wie die der meisten Einwanderer. Bulegt hatte er in einem fleinen Städtchen, etwa 60 Meilen von hier, gearbeitet. Wegen Krankheit mußte er seine Stellung aufgeben, und als er wieder gesund war, fand er keine andere. Da faßte er den Entschluß, nach Philadelphia zu laufen. Aber vier Nächte im Freien und die magere Soft hatten genügt für seine Konstitution. Als wir eine halbe Stunde gelaufen waren, mußte er sich setzen und ausruhen.

Iesen

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( Schluß folgt.)

Peter Schlemibl.

Von Thomas Mann .

Eine neue Ausgabe von Peter Schlemihls wundersamer Ge­schichte" verlockte mich, Chamissos unsterbliche Erzählung wieder zu zum ersten Male zu lesen, genau genommen, denn ich war zu jung, als sie mir vordem in die Hände fiel. Ich las sie in einem Buge, beinahe ohne aufzublicken, und mein Vergnügen, mein Entzücken dabei war so lebhaft, daß ich diesen Raum wohl dazu benutzen möchte, an ein paar Schönheiten vieses kleinen Meister­werkes deutscher Erzählungskunst zu erinnern und auszusprechen, wie innig und unmittelbar es noch heute, fast hundert Jahre nach seiner Entstehung, zu unterhalten vermag.

Es fängt ganz realistisch und bürgerlich an, wenn auch auf un­bestimmtem Grund und Boden, und die eigentliche Kunstleistung des Erzählers besteht darin, daß er die realistisch- bürgerliche Allüre bis ans Ende und beim Vortrage auch der fabelhaftesten Begebnisse mit aller Genauigkeit festzuhalten weiß: dergestalt, daß Schlemihls Ge­schichte wohl als wunderbar" im Sinne felten oder nie erhörter Schicksale wirkt, zu denen ein irrender Mensch berufen war, aber nie eigentlich als wunderbar im Sinne des Außernatürlichen und Un­verantwortlich- Märchenhaften.

Der Schauplatz ist, wie gesagt, unbestimmt. Schlemihl, den man sich als einen schlichten, bedürftigen, jungen Mann, als Stu­denten oder Kandidaten etwa, vorzustellen hat, landet nach langer, beschwerlicher Seefahrt am Ziel seiner Reise, einer großen Stadt am Dzean, und bemüht sich, seinen mitgebrachten Empfehlungsbrief Herrn Thomas John, einem reichen Villenbesitzer, auf dessen Protektion er Hoffnung setzt, bescheidentlich zu überreichen. Herr John empfängt ihn im Part, im Kreise seiner Gäste, so gut und so schlecht, wie ein reicher Mann einen armen Schlucker eben empfängt. Wer nicht Herr ist wenigstens einer Million", wirft der dicke Halunte gesprächsweise hin, der ist, man verzeihe mir das Wort, ein Schuft!", eine Aeußerung, die der arme Schlemihl mit feufaendem D, wie wahr!" bekräftigt und die so seine Läuterungs­bedürftigkeit erweist. Aber seine Zustimmung gefällt Herrn John, und er wird eingeladen, an der Garden- Parth teilzunehmen.

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Die Sache ist nun die, daß jeder, Mann, Weib und Straßen­junge, sofort bemerkt, daß Schlemihl keinen Schatten hat und ihn mit Hohn, Mitleid, Abscheu deswegen überschüttet. Ich bin hier nicht ganz so bedenkenlos wie etwa im Punkte des Glüdsfädels. Wenn mir in der Sonne ein Mensch begegnete, der feinen Schatten würfe, würde es mir auffallen? Und wenn es mir wirklich aufe fiele, würde ich nicht einfach im stillen auf irgendwelche mir un bekannte optische Ursachen schließen, die die Entstehung eines Schlage schattens in diesem Falle zufällig verhindern? Gleichbiel! Eben die Untontrollierbarkeit und Unentscheidbarkeit dieser Frage ist das treibende Motiv, der eigentliche Wiz und Einfall des Buches, und die Voraussetzung zugegeben, so ergibt alles sich mit erschütternder Folgerichtigkeit.

Schlemihl rettet sich vor seinen Verfolgern in eine Kutsche, und bitterlich weinend fühlt er eine erste Ahnung seines Unglücks bei fich aufsteigen. Aber der Beutel ist sein, und er läßt sich zum bor nehmsten, glücklicherweise nach Norden gelegenen Gasthof fahren und verschließt sich sofort in den gemieteten Prachtzimmern. Dort zieht er den fatalen Säckel aus der Brust, und mit einer Art Wut greift er Gold und aber Gold heraus, streut es auf den Estrich, schreitet darüber hin, sinkt greifend, wühlend, schwelgend darauf nieder und verbringt so den Jag und den Abend, bis ihn bei ein­fallender Nacht Erschöpfung übermannt und er, auf Dufaten gebettet, entschlummert. Am nächsten Morgen muß er das Gold, da der Sädel es nicht wieder verschlingen will, mit faurem Schweiß in dem großen Schrank seines Kabinetts verstauen; denn keins feiner Fenster öffnet sich über der See.

Was folgt, ist die Schilderung einer scheinbar bevorzugten und beneidenswerten, aber romantisch elenden, innerlich mit einem düsteren Geheimnis einsamen Existenz, und schlichter, ergreifender, wahrer, erlebnishafter, persönlicher hat nie ein Boet ein solches Dasein darzustellen und der Empfindung nahe zu bringen gewußt. Dabei ist das Entscheidende, daß es dem Dichter längst gelungen ist, uns in die Vorstellung von dem Wert und der Wichtigkeit eines gefunden Schattens für die Honettität eines Menschen so vollkommen einzuspinnen, daß wir Ausdrücke wie ,, düsteres Geheimnis" nicht mehr als übertrieben empfinden, sondern vielmehr in einem Mann ohne Schatten den geschlagensten und anstößigsten Mann unter der Sonne erblicken. Wir sehen den reichen Schlemihl des Nachts bei Mondschein in einen weiten Mantel gehüllt, den Hut tief in die Augen gedrüdt, fein Haus verlassen, getrieben von dem selbstquälerischen Wunsche, die öffentliche Meinung zu prüfen, sein Schicksal aus dem Munde der Vorübergehenden zu vernehmen. Wir sehen ihn fich ducken unter dem Mitleid der Frauen, dem Hohn der Jugend, der Verachtung der Männer, namentlich der Wohlbeleibten, die selbst einen breiten Schatten werfen." Wir sehen ihn zerrissenen Herzens nach Hause wanken, da ein holdes Kind, das von ungefähr ihr Auge auf ihn sandte, beim Anblick seiner Schattenlosigkeit das schöne Antlitz mit dem Schleier verhüllte und gesenkten Kopfes vorüberging. Seine Reue über den Handel ist grenzenlos. Keiner seiner Versuche, des grauen Mannes wieder hab haft zu werden, wird von Erfolg getrönt. Und die Episode mit dem Kunstmaler, den Schlemiehl in der schwachen Hoffnung zu sich be ruft, daß er ihm einen fünstlichen Schlagschatten werde malen können ,. der ihm aber mit durchbohrendem" Blicke antwortet: Wer feinen Schatten hat, gehe nicht in die Sonne, das ist das Vernünftigste und Sicherste," diese seltsam eindrucksvolle Episode bildet einen Abschnitt.

Es geschieht nun, daß ein schönes Fräulein sich an einem Rosendorn die Hand verletzt. Man ruft nach Englischem Pflaster und ein stiller, dünner, Hagerer, länglicher, ältlicher Mann", um den sich niemand kümmert, ist in der Lage, damit aufzuwarten. Mit der größten Lebenswahrheit ist hierauf geschildert, wie Aus der knapp- anliegenden" Schoßtasche seines altfränkischen, Schlemihl sich mit seinem Fluche so leidlich einzurichten fucht. grautaftenen Rodes bringt er eine Brieftasche zum Vorschein, Seinem Kammerdiener, einem Burschen von guter Physiognomie, entnimmt ihr das Gewünschte und überreicht es dem Fräulein, hat er in weicher Stunde sen schimpfliches Gebrechen bekannt, ohne Dank und Aufmerksamkeit dafür zu ernten. Dieser Mann ist und der Wadere, obgleich entsetzt, überwindet sich, der Welt zum anspruchslos, demütig, dienstbereit. Als Herr John ein Fernrohr Troß, bei seinem gütigen Herrn zu bleiben und ihm nach Kräften fordert, um ein weit auf dem Dzean gesichtetes Schiff zu beobachten, zu helfen. Er umgibt ihn mit Sorgfalt, ist überall vor und mit zieht er mit bescheidener Verneigung den verlangten Gegenstand aus ihm, sieht alles vorher und, größer und stärker als Schlemihl, der Tasche aus seiner eng anliegenden" Rocktasche, die auch die überdeckt er ihn in Augenblicken der Gefahr geschwind mit seinem Brieftasche birgt. Ein wohl ausgerüsteter Mann. Und was in so eigenen, prächtigen Schatten. So wird es Schlemihlen ermöglicht, einer Rocktasche bei geschickter Verpackung nicht alles Platz hat! Aber sich unter den Menschen zu bewegen und eine Rolle zu spielen. wie wird dem Erzähler, als der blaffe Mann, nach und nach und je" Ich mußte freilich viele Eigenheiten und Launen scheinbar an­nach Bedarf aus seiner eng anliegenden" Rocktasche einen türlischen nehmen," sagte er. Solche stehen aber dem Reichen gut." Gine Teppich, ein komfortables Luftgezelt und drei aufgezäumte Reitpferde Bemerkung von entzückender novellistischer Echtheit. Aber eine hervorzieht?! eitle Liebelei, an der sein Herz keinen Anteil hat und die zur schmählichen Entdeckung seines Makels durch das betreffende Fräu lein führt, setzt seinem Aufenthalt in der Stadt ein plötzliches Ende, und Hals über Kopf löst er feinen Hausstand auf und entflieht mit Postpferden über die Grenze und das Gebirge", um erst am anderen Abhang" in einem wenig besuchten Badeort Halt zu machen.

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Es ist der Teufel, und er ist vorzüglich gezeichnet namentlich in der nun folgenden Szene zwischen ihm und Schlemihl auf dem freien Rasenplatz. Nichts von Pferdefuß, Dämonie und höllischem Wig. Ein überhöflicher, verlegener Mann, der rot wird( ein föstlich überzeugender Bug), als er die entscheidende Unterredung wegen des Schattens einleitet, und den auch Schlemihl, zwischen Respekt und Grauen schwankend, mit bestürzter Höflichkeit behandelt. Was der sonderbare Liebhaber ihm für den Schatten zur Auswahl bietet, find gute, altvertraute Dinge: die echte Springwurzel, die Alraunivurzel, Wechselpfennige, Raubtaler, das Tellertuch von Rolands Knappen, ein Galgenmännlein, Fortunati Wünschhüttein, neu und haltbar wieder restauriert", und die Erzählung nimmt hier auf bekannte und

Hier trifft ihn das wahre Schicksal seines Herzens, und jene rührende Episode entwickelt sich, die ein unsterbliches Thema romantischer Poesie: die Liebe des Gezeichneten, Geheßten, Infamen, Verdammten zu einem reinen und ahnungslosen Mädchen, in stiller, bürgerlicher Menschlichkeit abwandelt.

Einzugsgepränge empfängt Schlemihls Kutsche eine Stunde