Aufgeregt, mit flammenden Wangen, lief er im Zimmer hin und her, mit wilden Gesten in die Luft schlagend. Wütend, erstickt, drangen die Worte aus feiner Kehle, in immer grö- sterer Hast sich überstürzend, je heftiger fein Zorn anschwoll. Er öffnete sein Pult, entnahm ihm einen zerknitterten Brief und stellte sich vor sie, ihr das Papier unter die Nase haltend und mit der flachen Hand darauf schlagend: Da, lies das! Das schreibt Hapot . Er sagt mir alles, und daß Du mein Schandfleck bist, der Schandfleck unseres Hauses! Er und ich, wir sind von nun ab Todfeinde, meine Söhne die Feinde seiner Söhne, und vielleicht entsteht noch Schlimmeres daraus. Teufel und Hölle! Und all das wegen Dir, weil Du Deine Ehre, Deine Pflichten vergessen hast! Fort mit Dir, Du bist nicht meines Blutes! Eine Tochter, die ich mit Deiner Mutter gezeugt, hätte mir nicht solche Schmach zugefügt! Mit Dir Hab' ich nichts mehr zu schaffen! Fort, ich sag's noch einmal! Für Strahendirnen ist kein Platz unter meinem Dache. Verlang' doch von diesem Men- fchen, daß er Dich unter seines nimmt, Du nichtswürdiges Ding, das den Vater so hintergeht!" Sie öffnete die Türe. Nein, bleib' noch," schrie er ihr nach.Ich bin noch nicht fertig. Deine selige Mutter hat mir Dich als mein eigenes Kind anvertraut; ich liebte Dich wie meine leiblichen Kinder. Ich hatte für meine alten Tage auf Dich gehofft. Ich Hab' mir immer gewünscht, daß Du bei mir bleibst, daß Du stets um mich sein wirst, wenn ich zu nichts mehr taug', und daß ' ich Deine Kinder auf meinen Knien wiegen werd'. Ich fühl', wie ich mit jedem Jahr' hinfälliger werde. So hatte ich mir die Zukunft ausgemalt." Er war ergriffen, feine Stimme bebte. Nun er feinen Traum von. Glück zusammenstürzen sah, gesellte sich zu seinem Zorn greifenhafte Schwäche. Seine Hohe Gestalt war gebückt, ruhelos irrten seine Blicke umher, während er sprach. Und sie horchte auf, wie diese eben noch so schroffe Stimme mit einem Mal weich und jammervoll wurde. Da wurde ihr gar weh zumute, als wollte das Herz ihr brechen. Heiße Tränen liefen in Strömen über ihre Wangen, und in stummer Ver- zweiklung rang sie die Hände. Einen Moment unterbrach er sich in seiner Rede, aber als er sie so bleich und zerknirscht vor sich stehen sah, brauste der Zorn in ihm wieder auf: Was suchst Du noch hier?" schrie er.Du bist nicht mehr meine Tochter. Ich Hab' nur mehr Söhne." Ter hob sie ihren Kopf und trat plötzlich entschlossen, mit blitzenden Augen auf ihn zu: Das sind Schufte!" Hinaus mit Dir!" brüllte er. Er hatte die Hand erhoben; aber, als er zuschlagen wollte, wurde's ihm warm ums Herz, und er fühlte Erbarmen mit ihrem schweren Gram. Doch sogleich zürnte er sich selbst ob dieses Rückfalls von Zärtlichkeit, und grollend wandte er sich nach dem Hofe. lFortsetzung folgt.) Dcutfcbe Landfchaft» Von Wilhelm von Scholz . Was meinen wir, wenn wir mit Betonung vondeutscher Landschaft" sprechen? Von derdeutschen Landschaft", mit der wir weniger eine bestimmte Gegend als ein allgemeines Gefühls- bild bezeichnen? Kaum eine der nach irgendeiner besonderen Seite hin ausgeprägten Landschaften unsere? Vaterlandes, nicht �das bayerische Hochgebirge und nicht das Meer, nicht die weite Tief- ebene, die Heide, und vielleicht nicht einmal den sehr großen Strom, die freilich alle deutsche Landschaften sind, bei denen allen wir aber schon zu näheren Bezeichnungen, wie etwa niederdeutsche oder deutsche Hochgebirgslandschaft, greifen würden. Auch wohl nicht die gelegentlich in der Wirklichkeit vorhandene Vereinigung mehrerer solcher Landschastsmomente; obwohl man oft auf den Stichen alter deutscher Meister die phantastisch-romantische Zusammcntragung olles dessen, was deutsche Landschaft sein kann, findet und in dem Gefühle betrachten muß: so hat der Maler sich eine ideale und charakteristische deutsche Landschaft gedacht. Was die Wirklichkeit ihm nur in getrennten Bildern oder unvollkommen bot, das ver- einte, ergänzte, steigerte seine Phantasie zur Fülle und Durch- dringung. Etwa: ein Meerbusen, auf dem Schiffe segeln, in den unter Brücken ein Strom mündet, an dessen Ausfluß eine getürmte Stadt liegt, Aeckcr, Wiesen, Felder, eine Mühle und nackt aus Walddickicht sich lösend, um steil zum Meer abzufallen, hohe Theater. felsen, die altes Burggemäuer auf ihrem schmalen Plateau und an irgendeinem umbuschten Vorsprung eine Einsiedlerkapelle tragen. Vielleicht erkennen wir am deutlichsten, was deutsche Land- schaft ist, wenn wir uns ihrer im Gegensatz etwa zur klassischen, zur italienischen oder zur nordischen bewußt werden. Da finden wir, daß sie eigentlich die Idylle unter den heroischen Schwestern ist. Selbst wo sie romantisch ist, Felsen und Schloßtrümmer, tiefe Ilbgründe und weite Blicke umfaßt, ist sie der Idylle näher als der heroischen Landschaft, deren Wesen Wildheit, Urtum, Düsterkeit oder Erhabenheit, das Elementare ist; während noch die idyllischste romanische Landschaft durch den stärkeren Stil ihrer Komponenten mehr Größe und Erhabenheit hat. Deutsche Landschaft" ist lieblich, milde und ist immer vor allem Menschenlandschaft, immer bewohnt. Selbst, wo sie ganz einsam ist, wo das Auge weithin keine Ansiedelung, keinen Rauch sieht in der Moorniederung oder im dichtesten Waldtal ist die Nähe des Menschen zu suhlen. Der Grund trägt Weg und Spur seines wiederkehrenden Trittes, die Zeichen seiner Hand und seines Werkzeugs; Weite und Vordergrund sind wie überruht von seinem Auge, überstreift von seinem Blick. Wie der Hund, wo man ihn auch trifft, selbst wo er fremd und feindlich herankommt, sofort als das Tier des Menschen erscheint, als das gezähmte, dienende, dem Menschen befreundete so die deutsche Landschaft und Natur. Ein Wiesental. In dem breiten, feuchten Grunde, in dem ein verborgenes Wässerlein rinnt, steht wie in atmender Mittagsstille hochblumiges Kraut, rot, blau, gelb, weiß durcheinanderschimmernd. Ein paar Birken und Weiden an dem Wasserlauf stehen mit dem Fuß tief im grünen Gras. Dicht wie mit Federbüscheln umlaubte Eichenstämme warten unten an den Randhügeln des Tals, als wollten sie über die feuchte Niederung herüberkommen und wagten nur nicht, den unsicheren Boden zu betreten. Wo sich das Tal dem dichteren Walde zu verengt, da leuchten in den rotbraunen geraden und schrägen Rahmen der Riegelfache Flächen weißen Verputzes. Ein hellblauer dünner Rauch kräuselt sich vor dem luft- und schattendunkeln Wipfelgrunde empor. Eine weiße Wolke schwimmt darüber hin.... Die hohen Buchen, unter denen einen mit bemoosten Riesen- blättern überstreuten Berghang hinab einzelne Eichen stehen, treten mehr und mehr auseinander, daß zwischen den Stämmen, ivelche die wölbende Wipfelhalle tragen, übersonntc, laubdunkle Waldzüge sichtbar werden, unter denen niedrigere Hügel wehende Fruchtfelder ins Licht heben; gewellte helle und dunkle Streifen laufen über diese lichtgrünen, im Tal verstreuten Halmseen, ab- wechselnd langsam und rasch mit dem Winde sich folgend; einen schrägen Hang spülen die Kornwellen gemächlich hinauf, als flössen sie, wo sie verschwinden, über den Hügelrand, und müßten nun das noch tiefer in die Bodenrücken und-runden, in die Wälle und Mulden der Senkung gcschmiegte Dörfchen bald so über- schwemmen, daß nur der alte, braune Kirchturm, der jetzt über einem roten Dächerband steht, noch heraussehen könnte. Der weiche Duft durchsonnten, warmen, reifenden Getreides weht her fast so deutlich wie in der Mehlstaubluft einer arbeitenden Mühle. Und das Hämmern aus tief unten gelegenem Steinbruch, in dem der Leib der Erde hallfelsig aufgerissen ist, klingt dünnmetallcn herauf..... Kinder spielen am Wasser. Das Tal des in dunstiger Sonne seicht hinschleichenden Flützchens windet sich geruhig zwischen runden Busch- und Nebenhügeln, die alte, umrankte und übcrblühte Burg - reste, ins Gras gerollte Riesenblöcke, Turmrunden und flache Stein- wände mit leeren Himmels- und Wolkenfenstcrn tragen. Der Fluß ist so seicht und hell vom sandigen Grund, daß sich nur Himmel und Sonne in ihm spiegeln können. Eilten schwimmen im Wasser- grün, sich gemächlich gegen das langsame Fließen an derselben Stelle haltend. Tie Fähre gleitet von den niedrigen Häusern des Marktfleckens hinüber zur staubweißen Landstraße, wo ein Kraft- wagen der Ueherfahrt harrt und schon mehrmals seinen Hupen- ruf ertönen ließ. Ein paar Pappeln stehen schlank und steif über dem breiten wiesigen Talgrund, dicht bei den Häusern, den Kindern, den Enten.... Eine Quelle im Wald, Holzrohr und Trog und der silberne, immerfort mit leisem Geräusch in die gläserne Fläche fallende Strahl. Große bemooste, sich atmend in die feuchte Sprühluftnähe des Brünnleins drängende alte Steine. Farnkräuter stehen zwischen ihnen, über ihnen und wiegen ihre grünen Flügel, als seien auch sie zum Trinken herangekommen, als seien sie noch so frei fliegend wie ihr Same einst, der hier aus der Luft niederglitt. Durch die geteilten Wipfel fällt steiles Mittags-Sonnenlicht herein, daß die Waldschattentiefe mit ihren mächtigen Baumrundcn hinter den webenden Strahlen wie ein Samtgrund verschwindet. Räder ächzen im Wald, Ketten klirren, Rufe ertönen aber man sieht hinter dem Licht nur undeutliche Bewegung: die Knechte des Sägewerkes oerladen die im Winter geschlagenen Hochstämme.... Starke alte Nußbäume, golddurchleuchtet vom Abendhimmel, dessen Sonne hinter einen dunklen Schattenberg trat, übcrbreiten mit ihren Astarmen hohes Wiesengras. Ein Rindergespann mit frisch geschnittenem Klee kommt unter den Zweiglauben hergefahren. Weiter hinauf! Wanderer, am Hang gelagert, überschauen die Weit«, den geraden blauen Bergzug am Horizont, die Dörfer, das straßendurchschnittene, in Streifen, in braune und grüne Vierecke