geteilte Land. Dann schreiten sie den Höhenzug auf seinem ve» waldeten Kamme fort, immer recht? und links Ausblicke gewinnend, durch die sie, wie an erquickendem Quell, wieder Weite trinken können. Zahllos sind die belebten Bilder deutscher Landschaft in uns, wie sie uns Maler etwa Schwind, Richter. Thoma sehen, Dichter die Romantiker, vor allem Eichendorff fühlen lehrten. Wie sie uns in mittel- und vor allem oberdeutschen Gebieten be- gegnen, in Thüringen , dem Odenwald , dem Schwarzwald , im Saale -, Main -, Neckartal, in der Ebene des Rheins. In Oberdeutschland lag durch Jahrhunderte die Mitte der deutschen Kultur, der künstlerischen und geistigen EntWickelung, dort schlug lange das Herz unseres Volkstums. So ist eS geschicht­lich begründet, daß diese Landschaft, die für unsere schaffenden Geister durch große Zeiträume das Bild der Erde war, durch ihre Verwobenheit mit unseren Anschauungen, Gedanken, unserer Wissenschaft und Kunst für uns zum Begriffdeutsche Landschaft" wurde. Aber diese dem Mittelgebirge oder dem Hügellande, Fluß- Niederungen und Waldtälcrn entstammenden idhllisch-romantischen Bilder scheinen uns auch Empsindungssymbole für ein behaglich- tätiges, in allem Tun sich nach Beschaulichkeit sehnendes, mit dem Mutterboden unmittelbar verbundenes Leben zu sein, in dem viel Gedanke und viel Traum die Arbeit wie die Wiederkehr der Jahres- zeiten umwebt. Es scheint, daß das, was wir im besonderen als Deutsche Landschaft empfinden, vor allem ein Ausdruck des deut- schen Lebenscharakters ist. Daß sie dies ist und sein kann, beruht ja natürlich nicht nur auf einer Urverwandtschaft, die sicher vor- Händen ist, sondern auch darauf, daß diese Landschaft auf unseren Volkscharakter durch Jahrhunderte bestimmend eingewirkt und ihn sich so angeglichen hat. wie sie sich ihm und seiner Arbeit mehr und mehr fügte. Hier scheinen mir die lebendigsten Quellen für Gefühl und Genuß an der Landschaft zu springen. Es ist das Schicksal alles höheren Kulturlebens, der Geistigen in der Zeit, daß seine Daseinsbedingungen immer übertragener, mittelbarer, verwickelter werden, daß es wie Antäos vom zeugen- den und nährenden Boden der mütterlichen Erde abgedrängt wird in eine zuletzt unfruchtbare Höhe. Will es nicht zergehen und zer- flattern, muß es immer wieder die kräftigende Berührung mit dem Boden suchen. Es trägt das Verlangen, die Sehnsucht danach als Instinkt in sich. Für den Städter ist dies Verhältnis kraß und sichtbar ausgedrückt: eine künstliche Schicht von Stein macht den Boden, auf dem er wohnt, arbeitet, lebt, weit und breit unfruchtbar, so daß alle Lebensmittel fernher vom Lande hereingeschafft werden müssen. Diese Steinschicht verhindert vielleicht auch Kräftcaustausch des Menschen mit der Erde, geheimnisvoll strömende Berührungen mit dem offenen, atmenden Boden, den der Mensch, trotzdem er frei darüber hingeht, wie die Pflanze als Lebensuntergrund braucht. Wahrscheinlich in ganz körperlichem Sinn. Und sicher als seelische Bedingung. Wenn die hygienischen Materialisten die gute Luft und die Nervenruhe des Landes als das ansehen, was dem Städter den sommerlichen Landaufenthalt, dem geistigen Arbeiter häufigste Flucht oder gar Wohnen in primitiver, fast mythischer, dörflicher Umgebung notwendig macht, so ist das wohl noch um das Wichtigste zu ergänzen. Wir brauchen von Zeit zu Zeit das Erleben eines großen Symbols des Lebensganzen, dem wir angehören, bis hinab zu seinen Wurzeln. Brauchen es zu unserer seelischen Kräftigung und Gesundung. Zu unserer Beruhigung und um immer wieder tragendes, schützendes Heimatsgefühl in uns zu erzeugen. Das, glaube ich, finden wir in der deutschen Landsclxift. die uns. wenn wir sie durchwandern oder in ihr rasten, zur Lebenslandschaft wird. In Sommerarbeit auf clem B] Rittergut* Von Heinrich Holek. Die Nächte. Sie gleichen einander wie ein Ei dem andern, diese Nächte in der Schnitterkaserne. Sonst dauerten mir die Nächte immer nicht lange genug. Hier wurden sie mir zu Ewigkeiten und höllischen Qualen. Ich lag in der ersten Nacht noch keine zehn Minuten, und schon krabbelte es und biß mich an den Beinen, Lenden, auf dem Rücken, auf der Brust und den Armen, kurz überall. Ich kratzte mir die Haut wund, vergebens. TaS Ungeziefer ließ sich nicht lange stören. Deutlich spürte ich, wie immer mehr von diesem Viehzeug mir auf dem Körper herumkroch, und bewunderte meine Gefährten, die trotz de» Ungeziefers den Schlaf der Gerechten schliefen und in allen Tonarten schnarchten. Der Mensch ist eben ein GewohnheitS- tier, das war die einzige Erklärung, die ich dafür finden konnte. Sie kratzten und schabten zwar auch, aber es geschah mechanisch, und sie schliefen ruhig weiter. Mitternacht war längst vorüber und ich lag noch immer wach, gepeinigt vom Ungeziefer. An Schlafen war nicht zu denken! Ich stand auf, brannte ein Streichholz an und sah die Bm scherung. Es wimmelte von Wanzen und dazwischen hüpften Flöhe von außerordentlicher Größe. Ich brannte die Petroleum­lampe an und fing nun an, Jagd zu machen. Der Geruch von den Wanzen, die ich rachelüstern zerdrückte, war ekelerregend. Ihr verdammten Blutsauger, knirschte ich. Und dazwischen kam mir der Gedanke, daß diese Blutsauger eigentlich noch die ehrlicheren find. Sie setzten ihr Leben aufs Spiel, wenn sie ihre« Nahrung nachgingen. Es gibt noch ärgere Blutsauger, denen man nicht an den Kragen kann; die hinter dem sicheren Schutze der Paragraphen und ihrer Macht den Armen das Mark aus den Knochen saugen und die Früchte ihrer Arbeit wegnehmen. Der Herr, der mir heute nachmittag denvolkswirtschaftlichen" Vor­trag gehalten hatte, war, wie ich nachher erfahren hatte, nicht der Besitzer, sondern bloß der Administrator des Gutes. Der eigentliche Besitzer ist vielleicht in Berlin oder Paris , wenn er nicht gerade im Bade an der See weilt, und läßt sichs wohlgehen. Nein, da sind diese Wanzen und Flöhe doch noch ehrlicher« Gesellen. Nachdem ich mein Lager abgesucht hatte, legte ich mich wieder nieder und wünschte mir im Stillen soviel Taler, als ich eben Wanzen vernichtet hatte. Da könntest du mindestens ein Viertel­jahr famos leben,! sagte ich mir. Aber es dauerte nicht lang«, da krabbelte und biß es auf? neue! Der Teufel mochte wissen, wo das Viehzeug herkam. Ich kratzte mit beiden Händen, aber ich wurde nicht fertig. Inzwischen biß es schon wieder auf acht bis zehn anderen Stellen. Herrgott," stöhnte ich,wie unvollkommen hast du doch unS Menschen erschaffen? Zehn Hände und hundert Finger wären nicht zuviel, um sich der Plage erwehren zu können." Draußen kündet die Kirchenuhr die zweit? Stunde! Vom Gutshofe drüben dringt der erste Hahnenschrei herüber, und draußen graut allmählich der neue Tag. Endlich! Meine Gedanken schweifen fort nach meiner Wohnung. Dork hängt im Schlafzimmer ein Bild: Die Nacht. Ein schönes Weib mit aufgelöstem Haar schwebt über der Erde, von Sternen um­geben, und hüllt sie mit ihrem dunklen Schleier. Wenn ich malen könnte, so würde ich ein anderes Bild malen. Ein altes, häßliches Weib, das über der nächtlichen Erde dahin« schwebt und aus ihrem Füllhorn Wanzen, Flöhe, Läuse und Junker auf die müden Leiber der ostelbischcn Landarbeiter ausschüttet. Ich würde dieses Bild dann unseren Junkern widmen. Halb im Schlafe höre ich die Turmuhr dreie schlagen.--- Vstat!" fAufstehen!) gellt eine Weiberstimme, und ich richte mich auf, müde und wie zerschlagen. Auf meiner Taschenuhr ist? halb fünf. Ich habe also doch tlb Stunden geschlafen! Die Glieder sind steif und schmerzen. Ich ziehe die Schuhe an und setze die Mütze auf. Meine Finger sind blutig von den zerdrückten Wanzen; ich sehe mich nach einer Waschgelegenheit um. Allein vergebens! Ich setze mich aufsBett" und warte, wo sich die anderen waschen werden. Da kommt schon einer mit einer Bratheringsdose voll Wasser und mitten im Räume sängt er an, sich zu» waschen, daß das Waffer aus dem Fußboden ringsherum in Pfützen steht. Genau so machen es die anderen, und ich folge ihrem Beispiele. Unten am Schalter kaufe ich mir ein halbes Brot<60 Pf.); dazu ein halbes Pfund Fett<4d Pf.) und schneid« mir zwei Stücke Brot ab. Ein Stück esse ich gleich. Das andere nehme ich mit zum zweiten Frühstück. Kaffee gibts nicht! Das übrige Brot und Fett gebe ich bei einem der Mädchen in Verwahrung, die e? bereitwillig in ihren Kasten legt und verschließt. Ich kaue noch an meinem Brot, da kommt schon der Vorschnittcr herein und ruft mit erhobener Stimme:Man looos!" Der Arbeitstag beginnt. Einige Frauen beeilen sich noch, ihre Töpfe mit den Kartoffeln in den Herd zu stellen. Dann nimmt jeder sein Arbeitsgerät und solgt den anderen nach. Vor der Haustür steht eine Pumpe. Die meisten trinken noch schnell einen Schluck Wasser. Sie pumpen und halten schnell mit der Hand das Wasser zurück und trinken gleich vom Pumpenrohr. Ich machs ihnen nach. Das ist unser Morgenkaffee! Dann geht? hinaus. Der erste Tag. Ein prächtiger, taufeuchter Morgen I Die Sonne geht eben auf, und in ihren Strahlen glitzern und funkeln die feuchten Zweige der Linden auf dem Dorfplatz, über den wir eben schreiten. Beide Kolonnen haben denselben Weg, und es ist ein eigenartiger Anblick, wie dieser Zug von Männern und Frauen sich dabinbewegt. Die fünf Schnitter schreiten mit demKorb" auf ihren mächtigen Sensen. die Jacken über die Achsel gehängt, die Frauen mit den Harken über der Schulter, in auffallend kurzen Röcken und weit hinabreichenden, zum Teil mit Spitzen besetzten Jacken aus Kattun, um die Köpfe bunte Tücher gewunden; in Körbchen, Ledertaschen, Marktnetzen führen sie ihr zweites Frühstück mit sich: ein Stück Brot und eine Flasche Magermilch, die allabendlich in einem Fasse nach der Kaserne geliefert wird und pro Liter 7 Pf. kostet. Der Weg führt uns am Gute vorbei, wo eben die Glocke zur Arbeit ruft. Jetzt ist es erst um Fünf! Da kommen auch schon die Ochsen, je drei und drei zusammen­gekoppelt, gemächlich und mit gleichmäßigen Schritten. Die Schläge, die sie von den Knechten erhalten, ignorieren sie vollkommen. Dann kommen die Pferde, je drei an einen Wagen neben-