len die Pistolen wieder geladen. � Ter Oberst zielte und traf Dietrich in die linke Schulter. Dieser zuckte. Die Sekundan- ten wollten hinzu springen, dock) winkte er sie fort, ließ den Obersten bis an die Barriere heran kommen und schoß ihn durch und durch. Die Kugel prallte an einem kleinen Baume ab, der Mann stürzte nieder ohne einen Laut. Für tot— nicht tot. Im Wagen schon, in dem sie ihn nach Hause brach- ten, erlangte er die Besinnung wieder. Es fand sich, daß die Kugel zwischen den Lungen durchgegangen war. Er genas nach verhältnismäßig kurzem Siechtum. Aber Brand hatte ihm doch das Handwerk gelegt; der Oberst mußte den Dienst aufgeben, denn seine Stimme war zum Kommandieren zu schwach geworden. Die Verwundung Dietrichs erwies sich als eine schwere; lange Zeit verging, ehe er die volle Gesundheit wieder er- langte. Ten Titel, dessen er sich entäußert, erhielt ihm die Tra- dition. Die Erinnerung an seine ehrenvolle Dienstzeit, an die Beliebtheit, die er genossen hatte, blieb unvergessen, und er, trotz all seines Protestierens, Verbetens und Verbittens, für jeden, der ihn in früheren Jahren gekannt und in späte- ren von ihm gehört hatte: der Rittmeister Brand. lFor'.setzung solgt.) AUs ist eine Sinfonk? Von Dr. Julius L e v i n. Unter den größeren Konzerten nehmen die sogenannten Sinfonie- konzerte eine besondere Stellung ein. Die Aufnahme einer Sinfonie in ein Programm bedeutet von vornherein, daß die Veranstaltung für e r n st e Musik bestimmt ist. Man kann nur sehr schwer oder aar nicht, neben einem Werke jener Art, leichte oder gar nichts jagende Musik aufführen. Die Sinfonie gilt, neben dem Streich- quartett, als die höchste Form der Musik, der für Instrumente allein geschriebenen gewitz. Es verlohnt sich daher der Mühe, sich einmal die Frage vorzulegen, was eine Sinfonie ist und, danach, was sie bedeutet. Das Wort selbst kommt aus dem Griechischen und bedeutet, ins Deutsche übersetzt, Zusammenklang. Schon aus diesem Um- stände kann man entnehmen, daß zum Zustandekonimen einer Sin- fonie verschiedene Klänge, das heitzt Aeutzerungen, Betätigungen verschiedener Instrumente als nötig gedacht worden sind. Und nicht bloß verschiedener Instrumente derselben Gattung, sondern auch ver- schiedener Gattungen. So wirken von Streichinstrumenten nicht bloß Geigen und Bratschen, sondern auch die Celli und Kontrabässe mit; von Blasinstrumenten nicht bloß die a»S Holz, son- dern auch die aus Blech, und von jenen nicht bloß Flöten und Oboen, sondern auch Klarinetten. Fagotte und Kontra- fagotte; von den Blechinstrumeuteu nicht bloß Trompeten und Hörner, sondern auch Posaunen und Tuben, Zupf- und Schlaginstru- mente, Ivie Harfe, Kesselpauken, große Pauke, Triangel , kleine Trommel, um nur die gangbarsten zu nennen, sind dabei nicht zu vergessen. Kurzum der Koniponist, der eine Sinfonie schreibt, wird von vornherein als Orchesterkomponist gedacht, ja, sogar für die weitaus größte Anzahl der Fälle als reiner Orchcsterkomponist, als ein solcher, der unter den vorliegenden Verhältnissen auf jeden anderen Ausdruck als den orchestralen verzichtet. Ich sage, für die weitaus größte Anzahl der Fälle, den» man darf nicht vergessen, daß gerade die größte klassische Sinfonie, nämlich die neunte von Beethoven , in ihrem letzten Teil gewissermaßen zur Krönung des Werkes den Gesang in Chor und Soli heranzieht. Damit hat Beethoven etwas getan, was an die Uranfänge der Sinfonie zu erinnern scheint. Es scheint aber nur. In der Tat ist bei ihrem ersten Auftreten in der Musik die Sinfonie an den Gesang geknüpft gewesen. Man bezeichnete mit dem Worte die Orchesterstücke, die als Einleitung, Mittel- und Nach- spiel bei Gesangsstücken dienten, besonders in der Oper. Allmählich ober wurde die Bezeichnung auf eine bestimmte Gattung von auf Gesang bezüglicher Musik angewandt, nämlich auf das Stück der Opflr, das wir heute Ouvertüre oder Borspiel nennen. Doch darf man darum nicht den Sinn unserer Ouvertüren, wie etwa derjenigen Karl Maria v. Webers, oder der Vorspiele, etwa derjenigen Richard WagnerS , dem der ältesten Sinfonien gleichstellen. Unsere Ouvertüren und Vorspiele bereiten durch eine Anzahl dem Werke selbst entnommener Melodien oder Motive auf die Musik des Theaterstückes vor. Die- jenigen Mozarts freilich machen zuweilen eine Ausnahme von der Regel. Da ist die Ouvertüre zu„Figaros Hochzeit " eine freie, nur in der Grundstimmuug dem Thealerwerke selbst entsprechende Phantasie. Und in demselben Sinne, wie Mozart in dem genannten Werke, fassen auch die alten Opcrukomponistcn die„Srnloriia", wie die Italiener schreiben, auf. Dann und wann kam es vor, daß Komponisten Stücke, die nicht für das Orchester komponiert waren,„Linkouia" benannten. Der große deutsche Meister Johann Sebastian Bach hat sich die neue An- Wendung jenes Wortes mehrfach gestattet. Er verstand dann unter �Liwkoui»- dasjenige Stück unter einer Anzahl anderer, das die Stimmung für deren Entgegennahme vorzubereiten geeignet war, genau dasselbe also, wie die alten Opernkomponisten, die ihre .Sinfonien" nur für Orchester schrieben. Es ist eine viel erörterte Frage, ob da? alte Hauptstück für größeres Orchester, daS sogenannte„Ccrncsrto grosso" d. h. Konzert für alle(im Gegensatze zum„Lkmeerto" für Solo)«ine große Be- deutung für die EntWickelung der Sinfonie gehabt hat. Möglich ist gewiß, daß das„Loacerto grosso" auf die Sinfonie gewirkt hat. Aber man kann schon von vornherein darauf schließen, daß ein Einfluß, wenn er bestand, sich nur hinsichtlich der Formgebung äußern konnte. Denn wenn auch natürlich alle Musik dazu dient, eine Stim- mung zu schaffen, oder diese, wenn sie schon vorhanden ist, zu ver- tiefen, so hat doch von vornherein das„Konzert", das heißt das auf den Wettstreit der Instrumente untereinander hin angelegte Tonstück, einen mehr äußerlich instrumentalen Zweck, als die auf Unter- ordnung der Instrumente unter einen reinen Stimmungszweck hin gedachte Sinfonie. Das„Konzert" bezweckt das Hervortretenlassen einer Gruppe von Jnstrumcntalisten gegen eine andere. Selbstver- ständlich ist sein Bestreben kein Grund für eine musikalische Minder- Wertigkeit. Die Werke bezeichneter Art von Händel und Bach ge« hören zum Besten, was die Kunst hervorgebracht hat. Aber man braucht nur etwa ein„Coacsrto grosso" eben von Haendel mit einer Opern- oder Oratorieneinleitung dieses Komponisten zu ver« gleichen, um sofort zu verstehen, daß bei aller Gleichheit der musikalischen Grundnatur in diesen Stücken doch ihre ganze innere Anlage sich ivesentlich voneinander unterscheidet. Es kann daher sehr wohl möglich sein, daß die EntWickelung des„Ctoacerto grosso" zu zahlreicheren Sätzen auch diejenige derSinfoniein dem Sinne veräußeren Ausdehnung beeinflußt hat. Aber andererseits steht es fest, daß auch die „Sinfonien" als Einleitungsstücke schon sehr früh mehrfäßig gewesen sind. So hat Händel z. B. im„Alexandersest" eine dreisätzige Einleitung, während er sonst im allgemeinen sich mit zwei Sätzen, dem langsamen Einleitungsstücke und dem schnelleren fugierten, daS heißt, sich in mehr oder minder freier Wiederholung und Umschreibung eines musikalischen Gedankens ergehenden Hauptsatze begnügt. Die berühmte„Einfonia" des WeihnachtSoratoriums, eines Einleitungs« stücks von, ersten Range, ist einsätzig. Die Sinfonie erfuhr ihre wahre Ausbildung zu einem selb« st ä n d i g e n Tonstücke zu bestimmtem Zwecke vor allem durch den Meister Joseph H a y d n(1732—1808), neben dem andere Komponisten, u. a. Karl v. Dittersdorf(1739— 17S0) in reformatorischem Sinne wirkten. Haydn, der auch die Form des Streichquartetts im wesentlichen bestimmt hat. gab der Sinfonie vier Sätze. Ein schneller(Allegro) bildete den Anfang. Ihm folgte entweder ein langsamerer(Andante, Adagio, Largo) oder ein Menuett. Diese beiden sogenannten Mittel- sätze sind von Mozart nicht immer beibehalten. Es existieren von diesem Meister einige dreisätzige Sinfonien. Den Mittelsätzen solgt ein schneller gehaltener Endsatz. das sogenannte Finale. Diese Form ist im wesentlichen von den meisten Sinfonikern beibehalten worden. Die einen leiten den ersten und letzten Satz hin und wieder durch langsamere kürzere Stücke ein— auch Haydn hat dies getan, die anderen gaben dem Menuett eine Erweiterung, wie Beethoven , der an dessen Stelle iir seinen selbständigeren Werken daS Scherzo setzt, und nur in der achten Sinfonie, einem vom wahren Volksgeiste durchblitzten Werke, das Menuett wieder- herstellt. Beethoven ist derjenige Komponist, mit dessen Eingreifen die Sinfonie eine neue Gestalt annimmt. Nicht deshalb, weil er, wie manche nicht völlig Einsichtige behaupten, ohne es beweisen zu können, die Form zerstört hat, sondern weil er, der mit der Sinfonie einen neuen Zweck verfolgte, sich die Form so umschuf, daß er diesen Zweck auch erreichen konnte. Mit diesen Erörterungen treten wir in eine neue Frage ein. ohne deren Beantwortung die der ersten: Was ist eine Sinfonie? ihrerseits den Zweck dieses Aufsatzes nicht erfüllen würde. Man kann in der Kunst so wenig wie auf irgend einem anderen Gebiete geistiger Tätigkeit da? Wesen eines Mittels bestimmen und dar- lege», ohne von den» Zwecke zu sprechen, zu dessen Erreichung eS dienen soll. Von dem ersten Zwecke der Sinfonie, als dem eines Einleitung?- stückes, ist vorhin gesprochen worden. Der Zweck der Sinfonie bis zu der dritten Beethovens war im wesentlichen rein musikalisch. Die Komponisten gaben nur selten da?, was»vir ein Seelengemälde nennen. Haydn hat eine Militärsinfonie geschrieben, deren Art durch den Titel bezeichnet ist. Mozart hat die„Jupitersinfonie" komponiert und in diesem Ton- stücke ein Abbild der Macht zu geben gewußt, die dem obersten Ge» bilde der griechisch-römischen Mythologie angedichtet wird. Pngnani, der kraft-genialische königlich sardinische Hofkapellmeister hat sogar eine Sinfonie nach Goethes berühmtem, mit dein Selbstmorde des Helden endigendem Roman„Die Leiden deS jungen Werthers " geschrieben, die überdies ein noch nie gebrauchtes Orchesterinstrument verlangt. nämlich daS Pistol. Iii der Tat endigt das Werk mit einem Schlüsse, der Werthers freiwilligen Tod anzeigt. Vater Haydn begnügte sich in einer berühmten Sinfonie mir einem Paukenschlage, nach dem sie den Namen erhalten hat. Dennoch haben die alten Sinfoniker nur selten an wirkliche Gegenstände gedacht, deren Inhalt sie musikalisch vor die Seele zu stellen beabsichtigten. Sie begnügten sich damit, ein rein musikalisches, von bestiimnten Vorstellungen gegenständlicher
Ausgabe
30 (23.9.1913) 185
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