Gewesen I" rief er ans. Nie, niemals hatte ihr Anblick ihn so beiveat in allen Herzenstiefen. Nie war sie ihm so erhaben hold erschienen, Majestät und Lieblichkeit in einer Gestalt. Brand lieh sie nicht aus den Augen:Aufrichtig, gnädige Frau," sprach er, und seine Stimme zitterte,wie steht's mit ihm?" Gut," antwortete sie,ganz gut." Er atmete auf, er wurde heiter und gesprächig. Er hatte viel nachgedacht in diesen Tagen der Einsamkeit. Was denkt man nicht alles zusammen in zweimal viernndzivanzig Stunden! Seine ganze Vergangenheit war vor ihm lebendig geworden, und die leuchtende Ueberzeugung hatte ihn durch- drungen, daß er nur zu danken habe. Gnädig hat mein Herr und Gott sich mir immer er- wiesen, zweimal in meinem Dasein aber allgütig. An dem Tage," Brai:d senkte nachdenklich den Kopf,an dem ich im Begriff war, ein Licht auszulöschen, das er angefacht hatte, und er mich in seiner Huld davor beschützte, den Frevel zu begehen. Ein zweites Mal da er mich Sie, verehrte Frau, wiederfinden lieh, die ich durch eigene Torheit verloren hatte und jetzt lieben darf in ihren Kindern." Sie hatte ihm still und teilnehmend zugehört, nun stand sie rasch auf, sagte ihm Lebewohl und wünschte ihm eine recht gute Nacht. Peter erhielt den Auftrag, einen Wagen zu nehmen und die gnädige Frau»ach Hanse zil bringen. So geschah's, und er kam zurück mit einem Gruh von ihr, und Dietrich ging zur Ruhe und schlief wie ein Gesunder. Er erwachte gestärkt, glücklich, und obwohl es regnete, ivar siir ihn die Welt voll Sonnenschein. Im Laufe des Vormittags brachte ein Dienstmann einen Brief. Von der Frau Majorin," sagte Peter und überreichte ihn ängstlich und zögernd. Ter Inhalt des Schreibens lautete: Lieber, gütiger Rittmeister I Seien Sie stark, inachen Sie sich auf das Traurigste ge- saht. Ihr kleiner Freund ist tot, gestern gestorben, als die Kirchenglocken zum läuteten. Selig entschlafen ich weih jetzt, was das heiht. Ich bin zu Ihnen gekommen, um es Ihnen zu sagen, und konnte nicht, Sie haben mir zu leid getan..." Brand las nicht weiter. Das Blatt entsank seiner Hand. Sie war gekommen, um ihm zu sagen: Das Kind ist tot, und hatte es nicht vermocht: sie wußte, wie weh es ihm tun würde, und hatte es ihm nicht sagen können. Aus Mitleid, aus himmlischem Erbarmen--- Nein, das' war mehr als Mitleid und Erbarmen unendlich mehr. Das neue System. Von Martin ProSkaner. Der Ingenieur Brockwith sah im Privatkontor des Herrn Harrison, deS Eigentümers der grotzen Tonwarcnfabrik in Tampa in Florida . Run," sagte Harrison,die Tage, die Sie für doS Studium meiner Fabrik forderten, sind um. Was können Sie tun?" Ihre Leute lehren," sagte Brockloith, ein großer breitschultriger Mann und sah Harrison aus kalten, klaren, grauen Augen an,und zwar so zu lehren, daß sie in einem halben Jahr das doppelte wie bisher leisten l" Harrison zuckte ungläubig die Schultern. Jawohl", betonte Brockwith,das doppelte, ohne dah eine Maschine, ein Werkzeug neu gekauft wird!" Nun, lvenn Sie das können, dann vermag das Taylor-System wirklich Wunder!" Das kann es auch. Sir", sagte Brockwith, und in seinein eckigen Gesicht leuchtete eine feste, zielbewußte Idee auf,ich sage Ihnen, Taylors Idee, die größte Arbeitsleistung mit der kleinsten Anstrengung zu erzwingen, ist der Ersindung der Dampfmaschine an Wert ebenbürtig. Ich kenne Fabriken, ivelche heute das dreifache ihrer früheren Arbeit scharfen, nur weil Taylor jedem einzelnen Mann gezeigt hat, wi« er arbeiten und welche unnützen Bewegungen er unterlassen muh. Natürlich, Pfeifen und Tabalkauen und solche kleinen Scherze gibt es dabei nicht; jede Sekunde ist mit nützlicher Arbeit ausgefüllt! Hier, Mr. Harrison, sind die Zeugnisse über da«, was ich in anderen Betrieben schon erzielt habe, hier ist ein Brief von Rocke- feller; der Alte war so cutzückt, daß er selber geschrieben hat l Sie können sich auf mich verlassen, Mr. Harrison." All right," rief Harrison und sprang auf,ich will'S versuchen. Was fordern Sie?" .Zweitausend Dollar den Monat und 16 Prozent vom Mehr­gewinn sagte Brockwith mit klarer, harter Stimme. « Am anderen Morgen schrie die Fabrikpfeife ihren gellenden Ruf über die Stadt, schwarz und schwerfällig rann ein Menschenstrom durch das Tor, automatisch griff jede Hand nach den Marken auf dem Kontrollbrett; und ein paar Minuten später klang das ge- waltige brausende Lied der Arbeit, aus stählernen und eisernen Tönen, au« Feuer und Dampf und dem Aechzen menschlicher Muskeln komponiert, durch alle Räume. Karren voll Rohmaterial rollten auf Schienen den Pressen zu, Hebel klappten auf und nieder, Tonmcngen preßten sich in eine Oeffnuna und glitten auf der anderen Seite, zu Tellern, Platten und Fliesen geformt, aus lange Bretter hinaus. Arbeiter hoben die Breiter auf ihre Schultern, aus Trockenräumen und Brennöfen wehte heißer Dunst und äugen- schmerzende Glut; in den oberen Sälen klirrten und klapperten die fertigen Stücke unter den nachprüfenden Händen der Arbeiterinnen. Der Ingenieur Brockwith ging durch die Fabrik. Notizbuch und Stoppuhr in der Hand, stand stundenlang bei einem einzelnen Ar- beiter, sah zu, schwieg und blickte auf die Uhr. Schließlich ging er in einen hinteren Saal, in dem die staubabsaugenden Ventilatoren laut heulten. Hier wurden die Ofenkacheln»nd Fliesen sauber vier- eckig gerichtet und geschliffen, bevor sie auf einem endlosen Band weiter in den Packraum liefen. Vor jeder Schleifscheibe, einem rasend schnell sich drehenden Rad, arbeiteten zwei Mann. Der erste schlug mit Meißel und Hammer die rauhen, zackigen Kanten der Kacheln ab und reichte sie dem zweite», der die vorgearbeitele Platte auf das sausende Schleifrad preßte. Sand und Wasser spritzte hoch, dann war die Kachel glatt und genau. Der Tür zunächst arbeitete Bob Killarney, ein Jrländer von Geburt, ernsthaft und fleißig. Flink nahm er die Kacheln und be- klopfte fle mit dem Hammer. Brockwith blieb bei ihm stehen und beobachtete ihn eine Weile. Dann hieß er ihn ausstehen und er« klärte ihm verschiedene Handgriffe. Er ließ ihn die Platte hoch- stellen, statt sie wie bisher flach zu legen, suchte ihm einen schwereren Hammer aus und zeigte ihm, wie er mit vier Schlägen, richtig ge- iührt, ebenso viel ausrichten könne als bisher mit zehn oder zwölf. Bob hörte ernsthaft zu, sein braunes Gesicht war voller Spannung und er bemühte sich, die neuen Handgriffe nachzuahmen. Brockwith stand mit der Uhr in der Hand. Sehen Sie," sagte er befriedigt,jetzt haben Sie in fünfzehn Minuten zehn Kacheln behauen, statt vorher sechs in derselben Zeit. Nun reichen Sie mir nicht jede Platte einzeln zu. legen Sie sie mit der linken Hand hier auf den Tisch und greifen Sie gleichzeitig mit der rechten nach einer neuen I" Bob Killarney, der an dem Fabriktor au? dem Anschlag gelesen hatte, daß dies hier keine störende Spielerei, sondern schöne blanke Dollars mehr für ihn bedeutete, arbeitete hart nach den neuen Regeln. Er pfiff nicht wie sonst, fröhlich vor sich hin, sondern sah starr auf die Arbeit, die Doppeldewcgung der Hände, immer be- müht, seine Glieder genau im vorgeschriebenen Rhythmus des neuen Arbeitssystems zu bewegen. Endlich schrie die Dainpfpfeike. Bob zog sich den Aibeitörock aus und wandette mit den Hunderten anderer Arbeiter durch das Tor nach Hause. Auf der Straße sprach ihn ein Gefährte an: Hallo, Bob, was hat denn der lange Kerl heute den ganzen Tag bei Dir gemacht?" Eine neue Art zu arbeiten gezeigt, Billy, ober hol'S der Teufel, wenn ich auch mehr dabei schaffe, ich fühl' mich wie gerädert. Und mein Kops brummt wie ein Dampfkessel. Na, vielleicht ist das nur im Anfang so." In den folgenden Tagen stand Brockwith bei viele» Arbeitern, imn,er wieder zeigte er neue, praktische Handgriffe, maß er mit der Uhr die Zeit, ersann er neue Methoden für Handreichungen, und abends kontrollierte er die Lieferzettel, bis er endlich nach Wochen dem Besitzer eine Statistik vorlege» konnte, die ein Anschwellen der Produktion um fast fünfzig Prozent anzeigte. Harrison nickte. Gut, gut. Ich habe eS schon gemerkt." In zwei Monaten haben wir daS Doppelte," sagte Brockwith. Und die Arbeiter?" fragte Harrison kurz. Was ist mit ihnen? Die freuen sich, daß sie jetzt so und so viel Dollar mehr machen." Ich weiß nicht," bemerkte Harrison,ich finde, die Leute sehen schlecht aus. Sie arbeiten nicht länger, das ist wahr, aber sie be­kommen alle so einen starren Blick und sind so still." Brockwith sah den Besitzer mißbilligend an: DaS ist auch in der Ordnung. Entweder Ihre Leute fingen oder sie denken an die Arbeit, eines von beiden geht nur. Das ist ja gerade die Stärke des Taylor-SystemS, daß es alle Gedanken aus daS Wert zusammenzwingt!" Sie gingen zusammen den täglichen Jnipeklionsgang. Ein Fieber schien durch die Arbeitssäle zu wehen. Die Maschinen rollten wie früher, aber das Klappen der Hebel, düs Aufstoßen der Werk- zeuge klang schärfer, genauer und schneller als sonst. Kein Arbeiter hob den Kopf, als der Besitzer vorbeikam. Automatisch griffen die Hände zu, wie von Maschinen erfaßt glitten die Slückc von Tisch zu Tisch; ein ungeheurer, drohender, unsichtbarer Taktstock schien über allem zu schwingen und alle Körper, alle Glieder in seine grau- same, zeitsparende Melodie zu pressen.