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Sorgen um den lieben Vater durchwachte. Endlich mußten wir doch[ Als der Vater nach Haufe tam, ging er an den Schreibtisch und zu Bett. 3og ein Stück Strid hervor, das dort eingeschlossen war. Er be War es nun, weil wir spät schlafen gingen und darum unser trachtete es lange Zeit. Dann machte er einen Knoten in das Schlaf so fest war, oder hatte Gott Morpheus mit Abficht die Arme Stück, haute es wieder in den Schub und schloß ab. fo fest um uns geschloffen, daß wir das Drama, das sich früh um Wenn ich ins Vaterhaus tomme und sehe den Halen bei der 3 Uhr vor unserem Häuschen abspielte, nicht hören und sehen Haustüre, se fällt mir immer diese Geschichte ein. sollten? Erst später erfuhren wir, wie das Schidial feinen Lauf genommen hatte.

Der Vater hatte sich bei bekannten Leuten auf den Heuboden gefeßt. Von dort aus fonnte er ein Haus beobachten, dessen Be­wohner er im Verdacht hatte.

Der Sturm batte die Wolfen tüchtig zerfest und durch die Risse schaute der Mond von Zeit zu Zeit hindurch. Jezt konnte der Bater einen Menschen sehen, der sich mit einem langen Stamm abe mühte. Er wollte ihn einem finsteren Tale zuschleppen, in das der Mond noch nicht blicken konnte, weil er noch zu tief stand. Aber noch war das Tal nicht erreicht, und so konnte der Vater feststellen, daß der Holzdieb eben der Mann war, den er im Verdacht hatte, und er ließ ihm Zeit, das Holz an seinem Hause abzulegen. Der Mann hatte noch den Strid in Händen, als der Vater auf ihn zutrat. So war er auf frischer Tat ertoppt worden und der Förster mußte seine Pflicht tim. Aber der Holzdieb wollte nicht angezeigt sein und lief bittend und versprechend neben dem Vater her, der jegt nach Hause ging. So famen die beiden bis vor unser Haus. Die Hunde wurden laut, weil sie eine frembe Stimme hörten. Die Mutter wurde wach, öffnete die Tür und sah nun, wie der Mann, immer noch den Strid in Händen, vor dem Vater bettelte. Als der Mann meine Mutter sah, drang er auch in sie, doch ein gutes Wort für ihn zu reden.

Die Mutter erfchrat nicht wenig. Sie kannte den Mann und war mit seiner Frau befreundet. Aber mein Vater hatte es fatt. Die fortwährenden Vorwürfe feitens der Verwaltung und die vielen Nachtwachen! Auch gebot die Pflicht.

Als der Vater sagte, daß seine Eriftenz auf dem Spiele stehe, fab der Mann, was er angerichtet hatte und brach zufammen. Er wollte sich mit dem Strid am Hafen neben der Haustür auf­hängen.

Die Mutter mochte den Ernst seiner Borhabens bemerkt haben. Sie bat den Bater um Schonung. Doch der blieb hart. Er machte jetzt die Türe zu und zog die Mutter in die Stube.

Keiner sagte ein Wort.

Bedrückt von der Stille, ging die Mutter nach einer Weile noch einmal vor die Tür. Aber sie hatte die Tür noch nicht ganz ge­öffnet, als fie schon etwas Dunkles hoch an der Wand fieht. Sie begreift schnell, was es sein fann. Mit einem Schrei nach dem Bater sinkt sie in den Schnee und der Gerufene ist auch schon mit einem Sag zur Tür hinaus.

Der Vater hatte jetzt ein schweres Stück Arbeit zu verrichten. Es lag ihm nichts mehr daran, den Mann anzuzeigen. Der Holzdieb hatte seine Drohung von vorhin ausgeführt-1

Der Mutter nicht achtend, sprang der Vater auf die Bant. Mit einem Arm umfaßte er den Erhängten und mit dem Hirschfänger schlug er den Strid an der Holzwand durch.

Die plöglich auf ihn niedergleitende Last brachte ihn ins Wanten und er fiel mitsamt der Bürde in den Schnee. Vielleicht hat das mitgeholfen, die Lebensgeister des Abgeschnittenen wieder zu erweden. Die Mutter lag von langer Ohnmacht umfangen.

Wir Kinder schliefen den sorglosen Schlaf, indes draußen, wenige Schritte von uns, drei Menschen um Tod und Leben rangen. In derselben Nacht mußte der Vater dem Holzdieb das Wort geben, daß er ihn nicht anzeigen werde.-

Einige Jahre vergingen. Da wurde derselbe Mann in dem von ihm bestohlenen Forst als Waldhüter angestellt.

In einer stürmischen Gewitternacht hatte mein Vater wieder Dienst. Wieder viel Holz gestohlen.

Um fich etwas vor dem Regen zu schüßen, stellte er sich unter einen Felsvorsprung. Da, auf einmal, hörte er Schritte fommen und gespannt blickte er auf den Weg, der einige Schritte entfernt an ihm vorüber führte.

Jetzt tritt die Gestalt des kommenden mehr in seinen Gesichts­freis, und da erkennt der Vater, daß es der Waldhüter ist, der vor Jahren der schlimmste Holzdieb war.

" Ja", dachte mein Vater, was will der nur hier? Ich habe doch heute Dienst."

Jezt sing jener auch noch zu rufen an und rief von Zeit zu Zeit des Vaters Namen. Doch der gab teine Antwort.

Als der Vater am anderen Tag früh in der Oberförsterei zum Bericht antrat, erhielt er Vorwürfe, weshalb er am Abend vorher nicht Nachtwache getan habe.

Bater.

Woraus schließen Sie das, Herr, Oberförster?" sagte mein Darauf gab der Vorgesezte ihm zu verstehen, er habe einen Kontrolleur hinausgeschickt, der ihn nicht gefunden habe.

Jetzt lief dem Vater aber doch die Galle über und er sagte: " Ich werde Ihnen den Namen sagen und die Stelle bezeichnen, 100 er gerufen hat. Vielleicht genügt das zu meiner Recht fertigung 1"

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Warum haben Sie ihm nicht geantwortet?"

Friedrich Dtte.

Philofophifches.

Wenn nicht in der Philosophie, so doch in der Produktion von philosophischen Büchern herricht heute nachgerade eine Hochtonjunktur. Diese Flutwelle bringt uns eine erschreckend hohe Zahl von Ein­leitungen"," Einführungen" usw., die auf das breitere Lesepublikum augespigt sind.

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Da ist zunächst die IV. Auflage( 1913) der Philosophie der Gegenwart von Alois Riehl ( Teubner, 3 M.) zu nennen. Das Buch genießt seit langem hohen Ruf, eine der besten Ein­führungen in den Problemkreis der Philosophie zu sein. Und in der Tat: von verschrobener Steifheit und Langatmigkeit, die eine Erb­frankheit der besonders deutschen! Philosophie ist, findet man bei Riehl sehr wenig. Was er fagen will, das sagt er furz und flar. oft auch anschaulich und lebendig. Ob auch das Was seiner Schrift auf derselben Höhe wie das Wie steht, ist freilich eine andere Frage. Sie beantwortet sich am besten durch Darlegungen des philosophischen Standpunktes des Verfassers.

Niehl ist ein Neufantianer. Das heißt, er hält an dem idea­liftischen Grundsay der kritischen Philofophie fest, daß unser Geist durch seine Verstandesbegriffe ein Geseggeber der Natur sei. Aber Das führt ihn aur er will auch ein kritischer Realist sein. materialistischen Ueberzeugung, daß das universelle Dasein die Vorausfegung alles Wissens und Erfennens iſt.

Die beiden Seelen, die in seiner Brust wohnen, will Riehl durch enge Anlehnung an die wissenschaftliche Braris miteinander ver löhnen. Die Philosophie soll wissenschaftlich sein, d. i. eine Philo­fopbie der Wissenschaft und zwar der Nature, wie der Gesellschafts­wifienichaft gleichermaßen.

Wir fönnen hier nicht in eine langwierige Auseinandersezung darüber eintreten, warum die Praxis der Naturwissenschaft feines wegs restlos in den kritischen Realismus" aufgeben lann. Es sei dafür nur gestattet, auf die charakteristische Art hinzuweisen, in der Richl sich die wissenschaftliche Behandlung der Gesellschaftserscheinungen denkt. Der ökonomische Materialismus sei zu verwerfen. Jene geschichtsphilosophische Theorie, die nichts als Wirtschaft fennt und Entwickelung und Fortichritt in der Geschichte von der Entwickelung der Wirtschaftsformen abhängig denkt, ist im Grunde ökonomischer Idealismus ein furzsichtiger und beschränkter Jdealismus zwar, der die geistigen Mächte, die das wirtschaftliche Leben selbst beherr­schen, nicht sehen kann, doch aber Jdealismus. Werte schaffen Stultur; aus Werten ist das Reich des Menschen mit allen feinen Institutionen aufgebaut auf dem Boden der Natur. Sie find die Prinzipien, die innere gestaltende Form dessen, was wir als Lebens­anschauung bezeichnen und von der wissenschaftlichen Weltbetrachtung unterscheiden."

Auch ein wissenschaftlicher Gegner der materialistischen Geschichts­auffassung wird zugeben müssen, daß dieses Wortgeflingel über die jouveräne Macht der Werte" für das Verständnis der sozialen Tat­fachen so ziemlich wertlos ist. Das ist aber bei Riehl feine gelegent­liche Entgleisung. Nirgends ist die kritische Philosophie feit jeher unfritischer gewesen als auf dem Gebiete der Geschichte.

Troy alledem: der wirklich kritische Leser wird in dem Werke von Riehl eine lebendige Darstellung der realistischen Strömung im heutigen Neufantianismus wohl zu schäzen wissen. Und das ist nicht wenig angesichts der führenden Rolle, die der Neufantianismus in der bürgerlichen Philosophie von heute spielt.

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Wesentlich in dieser Richtung bewegt sich auch das Werkchen von B. Menzer Einleitung in die Philofopbie"( Quelle u. Meyer, Preis 1,25 M.). Es vill systematisch in fünf Kapiteln ( I. Wesen und Wert der Philosophie, II. Das Denken, III. Das Erfennen, IV. Die Metaphyfit, V. Weltanschauung) die wichtigsten philofophifchen Probleme abhandeln. Der Verfasser befleißigt fid der möglichsten Klarheit, ohne daß es ihm jedoch gelingt, fich wirklich populär zu geben. Seine Schreibweise ist dazu viel zu frafts und farblos. Die Auseinandersetzung mit seinem philosophischen Stand­punkte, der sich so ziemlich mit dem von Riehl deckt, liegt uns schon ans Raumgründen fern. Doch soll nicht verschwiegen werden, daß auch dieser philosophische Schriftsteller dem Sozialismus und der sozialistischen Geschichtstheorie ebenso verständnislos gegenübersteht wie sein älterer Kollege. Der gemäßigte Liberalismus im philosophischen Gewande bildet den Gipfel, der seine Weltanschauung frönt.

Neben dieser Dugendarbeit verdient die bereits in 3. Auflage vorliegende Einführung in die Philosophie"( Teubner, Preis 1,25 M.) von fürzlich verstorbenem Raoul Richter eine ent schiedene Beachtung. Gewiß vermögen wir dem Verfasser in Haupt­punkten nicht zu folgen: weder in seiner positivistischen Erkenntnis theorie, noch in seinem gefühlsmäßigen Bentheismus. Aber die Art, wie er die Probleme anpadt, läßt den Heuch lebendiger Gedanken­arbeit spüren. Es liegt viel Anregendes und vor allem Eigenes in dem kleinen Büchlein. Wer von unferem Dieggen zu dem Werkchen Nachdenken reizen wird.

" Ich konnte nicht glauben, daß einem Förster, der schon 23 Jahre fommen sollte, wird darin vieles firden, was ihn zum schärferen feinen Dienst getan, ein Aufpajjer nachgeschickt wird!"