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Jedenfalls waren die Raubtiere aur Beit der römischen Tier hehen in den ganzen Alpen noch so zahlreich, daß nach Dio Cassius  unter Caligula   auf einmal 100 Bären aus den Alpen in der Arena auftraten, unter Gordian I.   fogar 1000 Bären! Der Kaiser Probus ließ im 8. Jahrhundert 100 Löwen   in dem Amphitheater los, ba nach 100 Löwinnen und 200 Leoparden. Pompeus brachte 600 Böwen auf einmal zujammen, Julius Cafar" blog" 400 Stüd, Da man nun auch in den Provinzstädten diese Tierhehen nach­ahmte und die Beschaffung von Löwen  , Leoparden, Panthern und Shänen aus Ajrifa natürlich für Städte wie- Augufta( Augsburg  ), Trier   oder Köln   au fostspielig war, legte man in den Alpen und sonst Tiergärten für sie an, wo sie sich vermehrten und von wo sie auch gelegentlich ausbrachen!

Genies, Symptome einer tiefen Tragit unserer Kultur, die sich im Löwen   zu Teiden hatten, bie des Nachts die Badtiere überfielen, und Individuum als disharmonische Berrissenheit und zerstörerische Aristoteles   gibt sogar den Verbreitungsbegir! ber Großtaken in Auflehnung äußert. Es ist faft gleichgültig, von welchem Winkel Mazedonien   genau an. ber Welt aus der Dichter die Dinge fieht. Das Große an ihm ist der Geist, aus dem heraus er shuf, und die Haltung. Auf visionäre Weise wurden ihm seine ersten Dramen zu dämonischen Symbolen. Der scheinbare Mangel an Technit war hier die höchste, die einzig­gulängliche Technit, wie auch der scheinbar schludrige und bäntel­fängerische Ton der Gedichte der vollkommene Ausdrud für die Stimmung dieses Berstörten war, der sich selbst in Ironie auflöjte, und dem es im Herzen doch so ernst, so positiv, so moralisch ernst war. Alle Dichter der Zeit find irgendwie tragisch zerrissen, und die bedeutendsten sind es am stärksten. Die einen waren an diesem, bie andern an jenem Punkte mit dem Geist der Epoche zusammen­gestoßen und hatten sich ihre unheilbare Verwundung geholt. Wede­linds Erlebnis vollzog sich in der Sphäre des Erotischen  . Der Kampf gwischen Nazarenertum und Hellenentum, um Heines Ausdruď zu gebrauchen, wurde in ihm zum tragischen Problem. Frühlings Erwachen  " und die Lulu- Tragödie  , die vom Kampf zwischen dem Geist der Freude und dem der Astese handeln und von dem furchtbaren Geschlechterkampf, sind in ihrer Art ewige Werke. Dinge sind hier in eine helldunkle, tragikomische Beleuchtung gerüdt, daß man sie durch die Gespenstischteit der Darstellung nicht bergißt.

Aber eines Tages wurde dieser Frondeur sich selbst zum Problem. Er fühlte sich, und mit Recht, verkannt. Man hatte das Bachen des gefallenen Gottes für die Grimasse des Bajazzo gehalten. Nun enthüllte sich ein verwundetes leidendes Menschenherz. Man erkannte den Moralisten, der Wedekind immer gewesen. Aber am felben Tage war es mit dem Dichter Wedekind vorbei. Er versuchte, fich in Werken, die den qualvollen Eindruck exhibitionistischer Selbst­entblößung machen, selbst zu erklären, und in anderen Werken, die bei merkwürdiger Unfähigkeit zur Gestaltung nichts mehr find als die erquälte Einkleidung moralistischer Paradore, suchte er seine Anschauung nach dem Positiven hin zu erweitern und festzulegen. Er hat heute seine Gemeinde, die ihn umjubelt. Und doch ist er heute in seinem qualvollen Ringen als Person und Dichter tragi­scher zu nehmen als vordem. Tragisch in einem andern fubjektiven Sinne; denn die Tragik der früheren Werke ist eine überpersönliche, aus der Zeit fließende und die Zeit symbolisierende; hier ist es aber der Mensch selber, der schmerzlich in die Erscheinung tritt. Man steht vor einem Menschenproblem, das einen ergreifen kann; aber Wedekind dichtet nicht mehr die Werke der großen Erschütterungen, die uns alle betreffen. Man leidet heute in einer ganz persönlichen Weise unter seinen Stücken, und wenn man die Gestalt betrachtet, wundert man sich, daß er nicht den Weg ging, den andere Proble­matifer vor ihm, wie Brentano  , gingen; daß er für seines Daseins Leiden nicht das altbewährte Narkotikum suchte: die intellektuelle Betäubung des Katholizismus.

Die bedeutendsten Erscheinungen unserer Zeit stehen nicht durch the reines Dichtertum groß da, vor uns wie vor der Zukunft. Fast eines jeden Werk ist brüchig; vielen gelang höchstens einmal die wirkliche Tat im Worte. Sie sind groß durch die Blutzeugenschaft eines rücksichtslosen Bekennertums. Man denke an Strindberg. Hier liegt auch Wedekinds Wert als Individuum wie als repräsen­tative Zeitgestalt. Nur aus diesem Gesichtspunkt fann man ihn richtig sehen. Ein paar Mal aber war er wirklich ein Dichter, der aus feiner eigenen Not mächtige Weltsymbole schuf. Das wird nicht vergehen.

Im kommenden Jahr wird Wedekind 50 Jahre alt. Zu diesem Zeitpunkt bereitet sein Verleger eine Gesamtausgabe vor. Bier Bände liegen bereits vor. Die beiden anderen werden wohl zur rechten Zeit folgen. Die Ausstattung ist einfach und würdig. Das Unternehmen verdient Dank; denn dieser Dichter gehört notwendi­ger in die moderne Büchersammlung als mancher Herr mit viel bändiger Sammlung.

Kulturgeschichtliches.

P. H.  

Raubtiere in den Alpen. Der Bauernschred" in Steiermark  , der die Gemüter in Desterreich bei weitem mehr auf­regt als die Tatsache, daß sich im Jahre mehr als 100 000 Defter­reicher finden, denen ihre Heimat" so wenig Glück bietet, daß fie schon auf bloße vage Versprechungen hin bereit sind, auszuwandern, soll sich außer auf Wölfe und verwilderte Hunde, auch auf ein aus einer Menagerie entsprungenes Löwen  - oder Pumapaar beziehen, bas sich im Laufe des Jahres vermehrte.

Es wird nicht uninteressant sein, sich angesichts dieser Meinun gen daran zu erinnern, daß die Alpen   früher tatsächlich von Löwen  bewohnt waren zu Zeiten, da sich der Mensch in ihnen bereits an­gesiedelt hatte.

Der Bauernschred in Steiermark   ist also nichts Neues und hat sein klassisches Vorbild. Man war sich sogar klar darüber, daß diese unsinnige Mode der Tierhezen nur zu leicht zu einer Wieder­bevölkerung Italiens   und der Alpen   mit Großlazen führen fönne; darum wurde ein besonderer Senatsbeschluß gebracht, der die Ein führung solcher Tiere( namentlich der afrikanischen Panther) ver bot. Aber der Gäsarenwahnsinn durchbrach bald dieses Gesez und schon der vergötterte Augustus" ließ justament" 420 Banther nach Rom   kommen und Valentinian  ( 364-875), einer der ersten christ lichen Kaiser  , trieb den Wahnwiß, wie sein Geschichtsschreiber Ammianus Marcellinus   berichtet, so weit, daß er Raubtiere, die vor seinen Augen ihm mißliebige Menschen getötet hatten, zur Be. lohnung ihrer guten Dienste" in den Wäldern frei ließ.

Aus dem Tierreiche.

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Schnecken haben ihre Polizisten! Nur fahren sie noch etwas unsanfter Die Polizeischnede. Wer hätte es gedacht! Auch die und unmanierlicher gegen ihre Geschlechtsgenossen drein, als es ihre Namensvettern bei den Menschen tun. Die Polizeischnecke ist, nach einem interessanten Auffage des Zoologieprofessors Vajefsières von der Landwirtschaftlichen Hochschule in Marseille   im Petit Marseillais" eine amerikanische Schneckenart( Glandina guttata), die sich haupt fächlich von Schnecken nährt. Und zwar verspeist sie mit besonderer Vorliebe die gewöhnliche Gartenschnede. Wie sie eines ihrer unglück­lichen Opfer erblidt, stürzt sie sich im Eilmarsch darauflos, padt es an der Stehle, wenn man diesen Körperteil fo nennen darf, und saugt es aus. Gelingt es der Angegriffenen, sich noch in das Häuschen zurückzuziehen, so folgt ihr der Räuber nach und zieht sie durch Ausfaugen heraus. Die Heimat diefer Schneckenart ist Meriko. Auf Grund ihrer Polizeieigenschaften hat sie die Aufmerksamkeit französi fcher Forscher auf sich gezogen, die von ihr eine nicht zu unter schäßende Hilfe im Kampfe gegen die gewöhnliche Gartenschnecke suchen verwendet. In der Gegend von Paris   kam sie jedoch nicht erhoffen. Sie wurde deshalb in Frankreich   eingeführt und zu Vers fort; das Kelima behagte ihr nicht. Dagegen gedeiht sie ausgezeichnet im Süden, in der Provence  , und wird bereits von den großen Ge­müfezüchtern eifrig verwendet.

Astronomisches.

Die Millionen der Milchstraße  . Der Astronom Pro­feffor Bickerton hat in einem feffelnden Bortrag eine neue An­schauung über die Entwicklung von Weltkörpern dargelegt. Er wies darauf hin, daß allein in der Milchstraße   100 Millionen Sonnen durch die Photographie festgestellt werden können. Einige von ihnen feien tot, ja vielleicht gäbe es fogar mehr tote als lebende. Nach den neuesten Forschungen bewegen sich all diese Sonnen in zwei großen Strömen nach entgegengesetzten Richtungen. Beim Vor­übergang ziehen sie einander an, geraten in eine ungeheure Ge­schwindigkeit und werden sogar durch einen Zusammenstoß nicht aufgehalten, wenn der Anfall im Zentrum erfolgt. In den meisten Fällen wird vielmehr von jedem der beiden Sterne ein Stück ab. gerissen werden. Professor Bickerton meint nun, daß sich die beiden abgesplitterten Teile vereinen und einen dritten Weltförper von ungewöhnlicher Hize bilden. Die in ihm enthaltene Energie ist so groß, daß eine Explosion erfolgt. Es entstehen also aus einem der artigen Zusammenstoß drei Körper. Zwei davon kreisen umein­ander und bilden einen veränderlichen Stern; das sind die beiden verstümmelten Sonnen. Der dritte Körper, der erst aus dieser Katastrophe geboren wird, erscheint wegen seiner bis zur Explosi vität gesteigerten Hize als ein neuer Stern, dessen Licht allmählich abnimmt. Die beiden veränderlichen Sterne geraten dann häufig in den Anziehungskreis einer dritten Sonne, und daraus kann ein dauender Doppelstern hervorgehen. Diese ganze Theorie ist also auf der Annahme eines teilweisen Zusammenstoßes aufgebaut und ist bestrebt, das Chaos von Erscheinungen, das von den Weltkörpern dargeboten wird, in ein System zu verwandeln. Die Lehre von der Bildung eines dritten Körpers ist bisher von der Mechanik studiert und von der Himmelskunde vernachlässigt worden. Profeffor Bickerton will sie zum ersten Male in die Aftronomie einfügen, und es wird abzuwarten sein, ob sich die Erfahrungen der Mechanit und ihre Berechnungen auch auf dies Gebiet übertragen lassen werden.

Bis lange nach dem Abklingen der letzten Eiszeit finden sich in den Höhlen am Rande der Alpen   immer wieder Löwenknochen und in den nördlichen Balkangebirgen war der Löwe sogar noch in historischer Zeit häufig. Es ist selbstverständlich, daß er von da immer wieder, wenn auch nur sporadisch über Dalmatien   und den Karst in die Alpen   hinüberwechselte, angesichts dessen, daß jedes Raubtier eines großen Lebensbezirkes bedarf und gerade die Groß­taben mit besonderer Vorliebe weite Wanderungen unternehmen. Herodot   berichtet, daß die Heere des Xerges in Mazedonien   von Berantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln.-Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Berlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin   SW.