anbere Seite de» Körper» gekommen sind: si« haben gleichsam «inen Schlüssel gehabt, der nur für die Wandung der männlich bestimmten Zellen patzte. Die in unseren BerdauungSkanal eingebrachten Nahrung»« stoffe werden noch im Darmkanal sehr weitgehend zerlegt, e» ver« fügt der Körper über alle zu diesem Zwecke benötigten Wirkstoff«, nur beim Zellstoff ist er auf die Mitwirkung von Bakterien an- gewiesen. Mit einfachen chemischen Bausteinen, wie sie sicfi au» den Nahrungsstoffe» gewinnen lassen, lätzt sich ein Hund er- nähren, und grundsätzlich ist die Aufgabe gelöst, die Nahrung»- Mittel künstlich herzustellen, denn diese einfachen Bausteine können Vir künstlich darstellen. Die Verdauung hat also den Zweck, die Nahrungsstoffe zu zerlegen' früher glaubte man, da» müsse nur soweit geschehen, bi» jte löslich geworden sind und die Darmwand durchwandern können; jetzt behauptet man, sie mutzten so lange zerlegt werden, bi» ihre von dem anderen Organismus stammende Eigenart vollständig zerstört ist. Es ist, als ob man eine Maschine zerlegte und eine neue auS den Teilen der alten wieder aufbauen wollte. Kein Chemiker würde imstande sein, ans dem Inhalt des Darmes zu entscheiden, aus welcher Art Nahrungsstoffen die Bausteine Etammen, ob sie von tierischem oder pflanzlichem Eiweitz ab- tammen. Aus dem Darme gelangen die Bausteine in die Blut- >ahn, die sie zur Leber bringen, die Leberzellen haben wahrschein  - lich die Fähigkeit, noch manches weiter abzubauen, manches auszu- scheiden und manches auch bereit? aufzubauen. Unser Blut be- kommt von der Leber ein immer gleichartig gestaltete» Blut zuge- gihrt, und so leben unsere Körperzellen in einer stets gleichartigen ahrung. Die Körper�ellen erfahren also nie, welche Nahrung aufgenommen worden ,st, ob e» Fleisch- oder Pflanzennahrung war. Wird aber dieser gewöhnliche Weg, den die körperfremden Stoffe einzuschlagen haben, der Weg durch den Verdauungskanal und die Leber, durchbrochen und werden körperfremde Stoffe in die Blutbahn gebracht, so entstehen im Blute die Wirkstoffe, die sie zerlegen. Spritzt man Rohrzucker ein, so entstehen solche Wirk- stoffe, die Rohrzucker zerlegen, spritzt man Eiweitz oder Zer- legungsteile desselben ein, solche, die diese angreifen. Die Zellen des Körpers geben aber auch Stoffwechselschlacken ab, und diese werden in der Lymphe zerleat. Diese ist also ein Schutzorgan, da» verhütet, datz die Stoffwechselschlacken der Zellen in die Blutbahn gelangen. Geschieht eS aber doch, datz Stoffe, die von einer unrichtigen Arbeit der Zellen abstammen, in die Blut- bahn gelangen, so bildet auch gegen diese Stoffe da» Blut Wirkstoffe. Das lätzt sich benutzen zur Erkennung von Krankheiten. Wenn man da» Blutwasser eines Krebskranken mit Krebsbestandteilen zusammenbringt, werden diese von dem Blutwasser angegriffen; da» Blutwasser einer Schwangeren greift Gewebe des Mutter­kuchens an, aber nicht das Blutwasser de» Krebskranken den Mutterkuchen und das der Schwangeren nicht da» Krebsgewebe. In gleicher Weise wirkt da? Blutwasser an vorzeitiger Verblödung Erkrankter bei männlichen Personen auf da? Gewebe der mann- lichen Keimdrüsen, bei weiblichen auf da» der weiblichen Keim- drüsen, da» Blutwasser an Basedowscher Krankheit Leidender wirkt auf die Gewebe der Schilddrüse. Dr. S. kleines Feuilleton. Der hl.«nderl von Judensteiu. Unweit der guten Stadt Inn  »- brück liegt stromaufwärts am reitzenden Inn   die alte Salzbergstadt Hall in Tirol. Geht man dort über die Brücke und schreitet den Hohlweg durch die Wälder der Abhänge de» Mittelgebirge  » hinan, so ersteigt man alsbald eine jener fruchtbaren grünen, übersonnten Hochebenen Nordtirols  , auf die die Schneehäupter der Zentralalpen nahe genug herniederblicken, während im Norden die Felsschroffen des Karwendel  » und der Bettelwurf sich auftun und manche» blau ver- dämmernde Tal ahnen lassen. Hier auf der Hochebene ivohnt ein nicht gerade verarmtes Bauerngeschlecht, da» modern genug ist, um die Wildbäche, zum Beispiel den Lavierenbach, zu Bädern, aber auch zur Hergabe elektrischen Lichts für Stuben, Stratzen und Kegel« bahnen zu benutzen; modern genug, um bei aller persönlichen Ab« Neigung gegen die hochwürdigen Herren konservativ-klerikale Ab- geordnete nach Innsbruck   und nach Wien   zu schicken, auf datz sie em Lande der Glaubenseinheit und der dynastischen Treue den Ge« treideaufschlag und die hohen Weizcnpreise erhalten und»nanch neue Konzession hinzubringen. Die erste Gemeinde, die wir da treffen, trägt einen merkwiir- digen Namen: I u d e n st e i n. Ein stattliches Kirchdorf, und gar stattlich ist die weihe Kirche anzuschauen. Ist sie doch eine Wall« fahrtskirche. Von weither kommen die Frommen aus dem oberen und unteren Jnntal daher mit der neuzeitlichen, wenn auch öfter- reichisch- gemähigten Eisenbahn   die Bäuerinnen nament­lich mit ihren schwarzen Bauschröcken, dem schwarzen Oebst« lertnnenhut und den zwei langen schwarzen Riickenbändern dran, aber auch die hakennasigen Männer. Ein groher Vorplatz und ein Gasthaus bietet den Pilgern Raum und Stärkung. Auch ein Laden ist da, allwo es neben k. k. Tabak und Zigarren und Kitsch aller Art auch Ansichtskarten gibt, die nn» die Legende und Wid- »mng dieser Wallfahrtskirche lehren: Die ist dem heiligen «nderl geweiht, den dieJnden einst geschlachtet Häven.... In der Kirche steht recht» im Eck neben dem Altar eine monu« mentale Gruppe, von einem Wandbild ergänzt. Man steht hier einige scheutzlich hätzlich«, mittelalterliche Juden in vornehmen, aber gelben Gewändern, von denen einig« dem altersblöden Groh- vater da» Kind Anderl abkaufen, während die Eltern im Felde arbeiten; die anderen Juden unterdessen wetzen schon da» Schächtermeffer, mit dem si« nach der frommen Lehre den Anderl im Walde umgebracht haben. Die» soll sich im ersten oder zweiten Jahrzehnt de» 17, Jahrhundert» begeben haben. Der Grohvater, der erst au» dem Schmerz der Eltern erkannte, was er um schnöde» Geld getan, wurde wahnsinnig und mutzte im Hause das noch jetzt gezeigt wird und in seiner hölzernen Einfachheit also drei Jahrhunderte überdauert hat angefeffelt Iverden, damit er kein Unheil anrichte. Anderl aber, da» dem unversöhnlichen Judengott und Christenhah geopferte Kind, ward vom Heiligen Vater zu Rom   in Welschland erst selig und dann heilig gesprochen und ziert noch heut all die Bauernhäuser in Judenstein, bald als verklärt umstrahlte» Knäblein, bald mit dem Messer in der Hand. Doch die Mordwt trug heilsame Folgen. Wir wissen zwar nicht, wieviele Juden im fernen Wien  , in Trieft und Prag   vielleicht, haben dran glauben müssen aber die Kirche zu Judenstein lehrt un» de» heiligen Kinde» Wunderkraft. Nicht nur die reichen Schmuck- fachen am Altar und die gewih nicht kärglichen Spenden, die im Laufe der Jahrhunderte in die Opferstöcke geflossen sind, zeugen davon. ES lehnen auch an der Bildgrnpp« de» Ritualmorde» Dutzende von Krücken, die die Lahmen weggeworfen haben, so in der Anderlkirche da» Gehen wieder erlangt haben. Und wie zu Kevelaer   im Rheinland   zeugen auch hierviel wächserne Füh' und Händ" von wunderbarer Heilung durch die Kraft de» Glauben», durch die Kraft de» Opfers. Und rings an den Wänden hängen zu Hunderten die Danksprüche an den heiligen Anderl, wie in Karlsbad   an der Tepl  -Promenade die Widmungen reicher Kurgäste und manche» Lob aus Dichlermund in allen Sprachen die Felswand zieren. Da sind gor sonderliche Heilungen geschehen, und unter GlaS und Rahmen siehst du hier die fingerlange dick- köpfige Nadel, die verschluckt war und dank dem heiligen Anderl ganz ungefährlich wurde und auf recht natürliche Weise wieder an» TageS- licht gelangt ist. So wirkt der Ritualmord an dein Anderl. von Rinn Juden- stein bildet mit diesem gröberen Nachbardorf ein« Gemeinde in Kirche und Staat bi» zum heutigen Tage Wunder für die Kranken und gewih auch Gute« für die Gesunden, so sie am Gedeihen des WallfahrtSgeschäft» interessiert sind. Nur den Kinderhandel au» dem frommen Tirol und Vorarlberg   an die südwestdeutschen Verbraucher billigster landwirtschaftlicher Arbeitskraft hat der Anderl noch nicht verhindern können. Anderl in Tirol Andrjuschka in Kiew  ; ein Unterschied von ein paar Jahrhunderten und einer Anzahl Längengrade. Die Kultur rückt gegen Osten vor. Ein bisserl langsam geht'S halt. Aber c» geht. Und kommen wir zurück nach Innsbruck  , so fahren wir an der grohen schönen Bäckerei des Arbeiterkonsumvereins vorbei und lesen oben auf den Gtrahenbahnwagen von ihrem Rosenbrot, und kaufen unS da» Tageblatt der Arbeiterpartei und sind gar bald unter Freunden und Genossen gleichen Streben? auch hier, mitten im heiligen Land« des heiligen Anderl! r. b. Kulturgeschichtliches. Der Streik beim König sbegräbni». Der Streik, der vielfach als eine moderne Einrichtung in Anspruch genommen wird, ist ein uraltes Mittel, da» unzufriedene Arbeiter besonders im Mittelalter, wenn auch freilich unter anderem Namen, gern an- wandten. Als einer der merkwürdigsten Fälle solcher mittelalterlicher Arbeitseinstellung darf wohl ein Vorgang bei dem Begräbnis des französischen   Königs Karl VII.   gelten. Zu jener Zeit hatten die Salzhändler von Pari» da» viel beneidete Borrecht, die Körper der gestorbenen Könige von Rotre Dame nach Saint-Deni» zu tragen. um also darzustellen", bemerkt ein Chronist der Epoche,datz da» Andenken der Könige sich stets erhält, gerade so wie das Salz." Die Ueberführung der Leiche nach der alten Begräbniskirche der französischen   Könige war nicht nur eine Ehre, sondern auch ein recht einträglicher Verdienst, und die Salzhändler machten dabei ein gutes Geschäft. Der Schatzhalter Karls Vll. aber brach mit dieser guten alten Sitte und entblödete sich nicht, den Leichen- trägern den Preis tüchtig herabzudrücken. Die Salzhändler waren natürlich empört über die Schmälerung ihrer Einkünfte und griffen zu einem probaten Mittel, tun zu ihrein altangestammten Recht zu kommen. Während der feierliche Kondukt sich durch die Straften bewegte und ganz Pari» dem toten König die letzte Ehre erwie», machten sie plötzlich in der Mitte de? Wege» Halt, setzten den Sarg ab und erklärten, keinen Schritt weiter zu gehen, bis ihnen die alten Bezüge nicht nur wieder bewilligt, sondern sogar noch eine beträchtliche Extravergütung gezahlt wurde. Da niemand ander? als die Salzhändler den toten König tragen durften, und man jeden ärgerlichen Aufenthalt in einem so ernsten Augenblick vernreiden wollte, erhielten sie alles bewilligt, was man verlangte, und Karl Vll. kam glücklich in die Gruft seiner Väter.__ «crantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln. Druck u.«erlag: Vorwärts Buchdruckerei u.VerlagsanftaltPaul Singer SrTo..Berlin   SW.