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Und dann hatten fie's ihm ins Gesicht gelacht: Die Marie hält's mit dem Volontär! Und er selbst hatte sie die Treppe herabfommen feben..
Wünsche. Dazu kamen hundertfache Grüße, tausendfache, Nie hatte er ein Wort mit ihr gesprochen; aber sie wußte wohl if herjirozex zärtliche Beteuerungen, hunderttausendsache Küsse und um seine Liebe und verspottete fie. millionenfache neugierige Fragen und Anspielungen. Manchmal schrieb fie sentimentale Gedichte von unbekannten Autoren ab, dann wieder beschrieb sie ein Kostüm. Bloß eins berührte fte nie: ihre Einfünfte. Sie konnte voller Freude von einem neuen Engagement schreiben, aber aus Bartgefühl wie er annahm um nicht zu Vergleichen herauszufordern nannte sie niemals eine Summe.
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Diese Briefe machten Bendel zeitweise halb verrückt. Erstlich konnte er sie nicht beantworten. Selbst wenn er die ganze Nacht durch schrieb, konnte er nicht gleichen Schritt halten. Dann hatte er auch gar nicht die Zeit, fie gleich zu lesen, und sie erforderten außerdem ein wiederholtes Durch lesen, damit man einen klaren Begriff von ihrem Inhalt er hielt. Es war ihm ein Rätsel, wie sie überhaupt so viel schreiben fonnte, und er hatte den Eindruck wenn sie auf diese Weise mit mehreren Freunden gleichzeitig forrespondierte, so mußte sie einen Sefretär haben. Aber auch wenn er über seine Zeit hätte verfügen fönnen, so hätte er nicht gewußt, was schreiben. Sein tägliches Leben berührte er niemals, und in seinen Phantasien ließ er sich allerdings im Anfang hinreißen; aber da hierauf nie eine Antwort er folgte, so hielt er, da er sich verstanden wußte, damit zurück. Dadurch blieb ihm nichts anderes mehr, was er schreiben konnte, als von seiner Sehnsucht und seiner Liebe. ( Fortießung folgt.)
Der kleine Rafierer.
Slizze von Artur Babillotte.
Bei Sonnenschein und blauen Lüften, bei Wind und Wetter fuhr der fleine Rasierer auf seinem fnarrenden Zweirad über Land, um die Kundschaft seines Meisters, eines tüchtigen Kleinstadtfriseurs, zu besuchen, die Gefichter glatt zu streichen und langgewohnte Wiz
Und hier faß nun der Mensch, der ihm sein Glüd brutal zerriß, der ihn höhnte, ihn, den armen fleinen Rasierer, ihn höhnte mit feinem hübschen Jungenfräßchen, feiner wohlgewachsenen hohen Gestalt, mit der Vornehmheit seiner Kleidung und dem Duft erlesener Parfums, der von ihm ausging.
Ein böser Gedanke duckte sich in dem einfältigen Gehirn des fleinen Rafierers zu gefährlichem Sprunge.
begann das blizende Messer zu schärfen. Seine Augen ließen das Mechanisch säuberte er seine Hände vom Seifenschaum und Geficht des Volontärs nicht los, während seine Gedanken tastend über die Klinge des Meffers streiften, ob sie denn scharf genug sei, eine menschliche Kehle zu durchschneiden.
Was starrst Du mich in einem fort an, Ungeheuer!" brüllte der Volontär, dem unter diesem stieren Blid unbehaglich wurde. „ Bitte um Verzeihung, Herr, bitte!" stammelte der fleine Rafierer.
Er schlich in seiner geducten Art auf den Volontär zu, prüfte noch einmal die Schneide des Messers mit dem Daumen und hob dann den funkelnden Stahl gegen das weiße Geficht. Der Volontär fühlte plößlich einen falten Strom durch sich hinrauschen. Er wollte aufipringen, den Strüppel zur Tür hinaus werfen. Schämte sich aber dann seiner Feigheit und sagte herausfordernd:„ Na, was fir, Schürzenjäger!"
Etwas frampfte fich in dem kleinen Rasierer zusammen. Er hatte das Gefühl, als werde sein Herz zu Stein und als fäße in seinem Gehirn nur noch die einzige Erkenntnis und Bereitschaft: Du mußt ihm die Klinge durch die Kehle ziehen!
Mit zitternder Hand begann er den Seifenschaum von der rechten Wange des Volontärs abzufragen. Näherte sich mit breiten Querstrichen dem Kinn, sprang auf die andere Seite über, schob mit spizz schief zur Dede wies, und fenkte das falte Meffer scharf der einer demütigen Handbewegung das Kinn empor, das er weiß und Kehle zu. Er sah mit flaren Augen, wie der Adamsapfel des Bolontärs sich auf und ab bewegte, wie ein erschöpftes Tier in einer Falle. Jetzt! dachte er.
Seine
worte über das Verzogene und Verzerrte seiner Gestalt und seines Der Stahl rigte die Haut.... Mit einem erschrocenen Gebarens zu hören. Um zehn Uhr flopfte er bei dem Volontär des fürstlichen Nitter- Zungenschnalzen rig der fleine Rafierer das Messer zurüd. gutes an, der im Gasthof drei Zimmer bewohnte und ein sehr schauderndes Hirn stürzte ein blasser Gedanke: Jegt hättest du um Hände flogen. Eine falte Mutlosigkeit befiel ihn. Durch sein reicher, sehr verwöhnter und außerordentlich stolzer und eitler junger ein Haar einen Menschen ermordet!
Mann war.
Machen Sie die Tür zu, Sie Mißgeburt!" sagte der Volontär ungnädig. Er hatte eine unruhige Nacht hinter sich. In der nahen großen Stadt waren ihm beim Glücksspiel einige Tausendmarkscheine abgenommen worden. Nun lauerte irgendwo im Hintergrund der Zorn des Vaters, der bezahlen sollte.
Der fleine Rasierer schlich demütig durch das Zimmer und begann seine Werkzeuge auszubreiten. Er schlug vorsichtig Schaum, Samit tein Flöckchen auf die Tischdecke fallen konnte. Wit leichter Hand seifte er das weiche, ein wenig verlebt schwammige Gesicht des Volontärs ein.
Sie haben heut wieder mal' ne Tage wie'n Bär!" schimpfte der Volontär, den die Gesichtsmuskeln schmerzten. Er liebte schwere Weine in reichlichen Mengen.
Der fleine Rasierer stotterte eine Entschuldigung, während ein Groll, der sich nicht hervorwagte, in seinem verzerrten Herzen fauerte.
Er betrachtete den spizzen Schädel des Volontärs, den er schon unzählige Male gesehen hatte, die niedere Stirn mit den leicht angedeuteten Sommersproffen, die breite, gewöhnliche Nase und den feltfam weich und frauenhaft darunter hingezogenen Mund. Und während seine Blide an diesem zarten Mund hängen blieben, begann die Hand des Rasierers leicht zu zittern. Höhnische Worte flangen in seinem Ohr auf, haftig hingeworfen, ausgestreut von boshaften Menschen, die ihn verwunden wollten.
"
Die Marie, haha! hält's mit dem Volontär... Ist ein reicher Hund, kann blechen, wenn's soweit ist! Wird sich viel um dich scheren, um so einen fleinen Rasierer, der keinen Pfennig Geld im Sad hat und bucklich und häßlich ist wie die Nacht!"
Er stotterte mit zuckendem Mund:" D Verzeihung, Herr, bitte um Verzeihung!... Eine kleine Wunde... Nicht tief, Herr, nicht tief... es kommt kein Blut...!
schrie der Volontär wütend, ohne sich bewußt zu sein, wie nahe er " Jezt hätte mir die Bestie beinahe die Kehle durchgeschnitten!" der Wahrheit war.
Er trat mit dem Fuße nach dem kleinen Rasierer. Der ducte fich ängstlich zusammen und warf einen flehenden Blick auf seinen
Beiniger.
Fünf Minuten später schlich er gebückt, gramvoll aus dem Zimmer und fuhr traurig auf seinem knarrenden Zweirade davon. tisch und verklebte die winzige Wunde mit einem rosigen HeftDer Volontär stand vor dem großen Spiegel über dem Wasch
pflaster.
Hus Laffalles frühzeit.
Der Vorwärts- Verlag hat einen Neudruck der Assisen= rede veranstaltet, die Ferdinand Lassalle für die Gerichtsverhandlung zu Düsseldorf bestimmt hatte, die am 3. Mai 1849 über ihn aburteilen sollte wegen der Anklage, die Bürger zur Bewaffnung gegen die Königliche Gewalt aufgereizt zu haben. Die Bedeutung dieser Nede liegt nicht bloß darin, daß sie ein historisches Dokument aus der Aera der Märzrevolution darstellt. Was Lassalle geschrieben und gehandelt hat, ist wie das Aderneß eines terngefunden jungen Körpers bis zum Springen voll von der drängenden Kraft, die dort schäumt, wo Persönlichkeit vorhanden ist. Lassalle ist die ideale Verförperung des auf den Angriff eingestellten Menschen. Er ist die mitreißende Berkörperung der schlagfräftigsten Klugheit, die den Augenblick blitzschnell überschaut und zugleich ungeftüm Er ist der denkbar schärfste zu seinem Vorteil verwertet. zu der das Bürgertum Gegensatz der politischen Tattit, Taktik des soge= die Revolution verschandelte: der nannten passiven Widerstandes, und um den handelt es sich in der revolutionären Betätigung Lassalles im Hochsommer und Herbst 1848, deren Folge die Assisenrede war. Mit äßendem Grimm ging der große Spott Lassalleschen Aktionsdranges diesem passiven Widerstande in der Rede zu Leibe. Er ließ ihn gelten nur dann, wenn die letzte Kraft gegen den Feind versucht und erschöpft war:
Das war am Abend zuvor in der Gasthofftube gewesen. Er hatte sich erhoben mit dem schmerzhaften Gefühl, als habe ihm einer einen dicken Knüppel quer über den Kopf geschlagen. War hinausgetaumelt. Hinaus in die fühle Augustnacht, verfolgt von dem wirbelnden Gelächter der jungen Burschen. Da hatte er Marie gesehen, die scheu die Treppe herabgehuscht kam.... Da 1848 oben wohnte der Volontär.
Ein Strahl wildester Raserei war dem kleinen Rajierer zur Kehle gefahren. Mit ein paar harten Schritten hatte er das Mädchen erreicht, fie war erschrocken zur Seite gewichen, mit einem leisen Schrei, und damn, ehe er ein Wort herauswerfen konnte, hörte er ihr spöttisches Lachen, das schnell in der dicken Nacht, unter dem hohen mürrischen Himmel erstaró...
„ Wenn alle Kraft gebrochen, dann kann ein solcher Völkerleich Traurig war er nach Hause gegangen, den weiten Weg nach nam jich begnügen mit dem passiven Widerstand, d. H. mit dem der kleinen Stadt, in der sein Meister wohnte, diesen weiten Weg, Rechtsprotest, mit Dulden und Tragen, mit dem Groll in der Brust, den er Abend für Abend zurücklegte, nur um Marie zu sehen, sie mit dem tiefverschlossenen stillen Haß, der mit gefreuzten Armen aus der Ferne anstarren zu können, wenn sie mit einem der Dorf- wartet, bis ein rettender Augenblick die Erlösung bringt. Dieser Burschen in den Gasthof fam... passive Widerstand hinterher, nachdem alle Mittel des aktiver