-

962

-

Als wir dann näher miteinander befreundet wurden, tat es mir leid um ihn, weil er trok eifrigen Strebens so wenig, eigent lich gar keinen Erfolg hatte. Ich würde gern etwas für ihn getan haben, aber vorerst mußte er doch wenigstens einmal ausgestellt haben, denn wo und wie sollte man anknüpfen? Verdient hatte er es, ein bißchen in den Vordergrund zu rüden, und ein kleiner Er­folg schon würde ihm wieder Ansporn sein, sich kräftig in die Farbe zu sehen.

Schlachtenlinie stand. Seit Mayer umgesattelt hatte und war, so hatte er doch insofern recht, daß es wirklich in der Aus­daraufhin gefallen war und Carthy sich gleichzeitig als Stier stellung Bilder gab, denen das seine an Reichtum des Gedankens proklamiert hatte, wußte man, daß hinter Baring( Liverpool und an Technik weit überlegen war. Jedenfalls sah ich auch an Jack) Tom Morris, Lew Spurter, Ake Goldsmith und Fred ſeinen sonstigen Sachen, daß er was fonnte und sehr viel Mut be­Brown standen. Es war eine stolze Liste, und als dann saß, eigene und originelle Wege zu gehen. dazu noch der Bulldog" Stewart kam, als Nebenmann Barings, durfte man Reuters Stellung als haltbar ansehen. Aber auf der andern Seite fielen die großen Namen Gudahy, Carruthers und Marshall ins Gewicht. Sie hatten Geld, waren aber keine Getreidespekulanten. Fast der ausschließ liche Maklergegner von Bedeutung war die Firma Bartlett, Frazier u. Co., die jedoch in ihrem Teilhaber Jim Patten einen unschätzbaren Strategen besaß, ebenso brutal wider­standsfräftig als Reuter, aber erfahrener und fast doppelt so alt. Schließlich war da noch Gomez Bradford. Das war der Fuchs. Er war der Spieler, der sich nie in die Karten sehen ließ, und sein einschmeichelndes, südländisches Honiglächeln hatte dieselbe Süße, ob er ein paar Zweier in der Hand hielt, oder ob er einen Trumpf aufdeckte. Aber wessen Agent war er? das war die Frage. Hier lag das Geheimnis, die Un­gewißheit, die Zukunft, die Entscheidung Sieg oder Katastrophe.

Und man fragte sich: Stier oder Bär?

Reuter oder-? Wer?

Die krachenden Kursdonner der Börse, das Jammern der Verwundeten und das Triumphgeschrei der Sieger gaben feine Antwort. Die Preise stiegen, und Millionen der Klein­geschöpfe der Erde mußten zahlen.

-

In den Räumen der Kennyonlinie herrschte eine dumpfe Feierlichkeit und die englische Ordnung, wie sie ähnlich jeden­falls bisher noch kein Kontor der Schlächterstadt aufgewiesen hatte. Mr. Fay war ein Apostel der Pünktlichkeit und sein ganzes Leben eine Apotheose dieser Tugend. Hätte man sein Inneres untersuchen, z. B. sein Herz spalten können, so hätte sich bildlich gesprochen die linke Hälfte sicherlich als gradlinierte Debetseite erwiesen, deren Saldo auf den Pfennig mit der Kreditseite der rechten Hälfte übereingestimmt hätte. Allen Intrigen war als unwürdig der britischen Geschäfts­leitung des Riesenbetriebs der Garaus gemacht, und alle Probleme waren in aller Ruhe und Klarheit abgewickelt worden. Herr Ranch war verschwunden, das heißt, er befand sich auf einer Erholungsreise irgendwo im Osten, mit Urlaub auf unbestimmte Zeit". Aus einem Privatbrief Toppins an Roth wußte jedoch Bendel, daß seinem verhaßten ehemaligen Chef, als er sich in New York vorgestellt hatte, kurz und klar der Bescheid erteilt worden war, das Geschäft bedürfe seiner Dienste nicht länger. Ja, er hatte sogar unter vier Augen von einem der allerhöchsten englischen Vertreter der Linie( so hoch war er, daß sein Name gar nicht genannt werden durfte) die Worte: Strafklage und Gefängnis hören müssen. Damit war Herrn Tenneys Abenteuer in dieser Gesellschaft zu Ende. ( Fortießung folgt.)

Roter Mobn.

Von Ret Marut .

Ein junges, gutgewachsenes Mädchen in einer Bluse von kräf­tigstem Rot, einem halblangen Rock in derbem Grau, Strümpfe in angedeutetem Braun, Schuhe in Weiß, einen breiten, gelben Stroh­hut am Arm, steht inmitten einer Wiese von sattestem Grün. Irgendwo krackelt sich ein schwarzer Baum in die farblose Luft. Und gonz hinten sieht man noch in dunstigem Nebelflimmer einen Höhenwald in Blau mit einem Stich ins Lila.

So jah das Bild aus, auf das Ewald Henkeding große Hoff­nungen gefekt hatte und das trotzdem von einer Ausstellungskom­mission zur anderen wanderte, ohne angenommen zu werden. Freilich gehen die Ausstellungsschuster", wie Ewald Henkeding in feiner gehässigen Art die Mitglieder der Prüfungskomitees nannte, einem so starten Talent, wie er eins ist, in weitem Bogen aus dem Wege. Und wenn er jetzt so durch die Ausstellungsräume wandelte, so konnte ihm das eiskalte Grauen" ankommen, wenn er diese öden Kledjereien und Schmierereien sah. Dagegen war ja fein Rotgrau in Grün", wie er sein Gemälde nannte, ein Meister­werk, dessen sich ein Rembrandt nicht hätte schämen brauchen. Die Rotgraue, die mitten im Grün stand, kannte ich zufällig, und durch sie lernte ich dann eines Nachmittags auch Ewald Henke­ding kennen. Er schleppte mich natürlich sofort in sein Atelier, das mehr schlecht möbliertes Zimmer als Atelier war, mit und zeigte mir sein Meisterwerk. Wenn es nun auch nichts sonderlich Großes

Eines Tages, so in den ersten Nachmittagsstunden, bummelten wir wieder einmal durch die Ausstellungssäle. Ich sah, wie sein Auge wehmütig an allen Papptäfelchen hing, die durch ein Ver­kauft" dem Käufer meist ebensoviel Freude machen wie dem Ver­käufer.

Es waren um diese Zeit fast gar keine Besucher anwesend, und die Aufseher hielten überall ihr Verdauungsschläfchen. In dem Moment fam mir ein ganz verrückter Gedanke, und ich wunderte mich nicht im geringsten, als Ewald Henkeding meinem Gedanken feine Worte gab, indem er sagte:" Ich glaube, um diese Zeit könnte man ganz unbehelligt ein Bild einschmuggeln."

" Ja," sagte ich, ich glaube schon, daß es ginge. Aber was sollte das für'n Zweck haben?"

Am nächsten Tage hatte ich keine Zeit. Aber am darauffolgen­den Tage bat mich Ewald Henkeding, ich möchte doch so gut sein und ein bißchen auf den Aufseher im Nebensaal achten, und wenn er aufivacht, sollte ich husten.

Also was geht mich denn an, was Ewald Henkeding tun will? Ich passe auf den Mann auf und wenn er erwacht, hufte ich. Sehr einfach. Alles andere kümmert mich nicht. Deshalb bin ich noch lange fein Helfershelfer. Höchstens ein tolles Mittel, dessen sich einer bedient, und das für eine Handlung nicht verantwortlich ge­macht werden kann, weil es nichts davon weiß.

Nach einer Weile kam Ewald Henkeding dann wieder zu mir und ersuchte mich, in den Nebensaal zu gehen. Hier sehe ich nun die Bescheerung. Sein Rotgrau in Grün" hing wohlgefällig und schmunzelnd an der Wand. Hier zwischen den anderen gleich­gültigen und langweiligen bemalten Delfeßen merkte man erst, wie vergnügt sein Rotgrau" war. Ordentlich erfrischend lebendig wirkte es in dem Raum. Es machte denselben wohltuenden Ein­druck, als wenn ein zynischer Wiz mit kühnem Saltomortale un­vermittelt in eine steifschläfrige Abendgesellschaft praffelt. Wie hast Du denn das Bild hineingefriegt?" fragte ich. ,, Gerollt natürlich."

mit

Aber den Rahmen?"

Ich habe mein Bild auf die Rückseite eines fremden Rahmens ein paar schmalen Leisten angeheftet."

" Ja und das gewesene Bild? Gemaust?

"

Werde mich hüten."

Wo ist es denn?"

Das ist auf der Rückseite. Ich habe den Rahmen bloß um­gedreht. Es ging zufällig."

Ich hob den Rahmen etwas an und sah dann auch auf der Rückwand das verschwundene Bild.

Aber der Katalog fragte ich.

Ach, das ist egal," sagte er übermütig.

In dem Augenblick kam der Aufseher herein. Er ging schlen­dernd auf uns zu. Ich kriegte schon eine Heidenangst. Aber Ewald Henkeding sah mit Kennerblicken sein Bild an. Bald aus der Nähe, bald aus der Ferne, bald kniff er die Augen zu, bald schaute er durch ein Fernrohr. Dann besah er sich in seinem Taschenspiegel von rückwärts, wiegte den Kopf hin und her und machte immerfort: Hm! Hm! Tze! Tze! La! La!" Der Aufseher stellte sich dann hinzu und sagte sehr verständig: Ja, ti- aa! Wir haben jezt sehr schöne Bilder hier. 3. B. dies junge Weibsbild hier, mit der hübschen roten Bluse ist mein Lieblingsbild. Frühmorgens, wenn ich komme, zuerst gud ich mir immer das nette Bild an. Die hübsche grüne Wiese ist zu schön getroffen. Ich bin nämlich vom Lande, müssen Sie wissen und da

Es hat doch manchmal sein Gutes, wenn so ein Aufseher die Gegenstände, über die er aufzupassen hat, nicht so genau kennt. Ginige Tage später denke ich, du mußt doch mal nachsehen, was sein Bild eigentlich darstellt. Ich schlage also nach und finde unter Nummer 635, die fein Bild bezeichnete, Max Klett": Roter Mohn". Nun, darauf muß ich mir das Bild nochmal genauer ansehen. Ich gehe in den Saal und sehe ein Täfelchen darunter: 2x verkauft. Das kann ja nett werden.

Während ich noch davor stehe und überlege, wie man ein Original zweimal verkaufen könne und was es Ewald Henkeding wohl einbringen müßte, so an Gerichtskosten und dergleichen, fommt eine Gruppe Besucher in den Saal, die um einen älteren Herrn geschart ist wie die Küchlein um die Gluce. Der ältere Herr benimmt sich sehr laut, aufdringlich und dozierend. Ich er­fahre denn auch bald, daß er ein Kunstakademieprofessor ist, der teils Kunstschülern, teils anderen Interessenten kunstwissenschaftliche Vorträge an der Hand des vorhandenen Objekts erteilt. Mit un nachahmlicher Leidenschaftslosigkeit erklärt" er die ausgestellten Bilder. Jest tritt er zu Ewald Henkedings Rotgrau in Grün". Er wirft einen orientierenden Blick in den Katalog, hierauf einen