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schnell umfassenden Gesamtblick auf das Bild und kramt dann seine Weisheit aus:" Als Roter Mohn" bezeichnet der Künstler sein Werk. Sie ahnen schon aus dem Titel, meine Damen und Herren, den Gedankenreichtum des vortrefflichen Meisters. Auf dem ganzen Bilde nicht eine rote Mohnblüte. Aber das ist gerade das Geniale, das Hervorstechende an dem Bilde. Das einzige Rot ist die Bluse der schlichten Mädchenfigur. Und dieses kräftige Rot der Bluse im Verein mit der unterstrichenen Schlichtheit der Figur zwingt die Ideenwelt des Beschauers sich der satten, vollen Farben des roten Mohns zu erinnern. Es zeigt sich hier eine neue, durch und durch moderne Richtung." Einer der Umstehenden nahm einen Notizblock aus der Tasche und begann tüchtig zu schreiben.

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Eine moderne, längst erwartete und häufig schon angedeutete Richtung; in der Kunst nicht das auszudrücken, was man sieht, denn das wäre das Primitive, Unkünstlerische, sondern das aus­zudrücken, was man, durch das Bild angeregt, sehen könnte und fehen müßte. Ich rekapituliere: Kunst soll nicht mit photographischer Treue Tatsachen darstellen, sondern nicht existierende Dinge ficht­bar machen mit Hilfe des angeregten Intellekts."

Die Anwesenden schauten begeistert zu dem Altmeister auf und getrauten sich vor Ergriffenheit nicht zu atmen. Der Herr mit dem Notizblock sprang eilfertig hinzu, stellte sich vor und bat den Herrn Kunstprofessor um einen diesbezüglichen Artikel für seine Kunstzeitschrift.

Es ist ja nun einmal eine Erscheinung unserer Zeit, daß sich die Menschen mit wilder Gier auf alles Absonderliche stürzen, sei es auch noch so verrückt und grotesk. Darum ist es nicht im geringsten verwunderlich, daß der Rote Mohn" über Nacht im Mittelpunkt des Interesses stand und seinetwegen die heißesten Schlachten der Für- und Widerparteien geschlagen wurden. Im späteren und rein normalen Verlauf der Dinge kam die Sache natürlich an den Tag, das heißt natürlich an den Tag der Aus­stellungsfommission. Aus Gründen, die sich vom menschlichen Standpunkt sehr leicht erklären lassen, entschied sie zugunsten Ewald Hentedings, wobei sich Mar Klett, gleichfalls vom menschlichen Standpunkt aus leicht erklärlich, mit einer anständig bemessenen Summe zufrieden gab. Das Signum fonnte ebensogut Klett wie Henteding heißen.

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lich die unteren Ränder der Wassereimer und die gleichmäßig runden Hülsen von Eimern, Kannen, Bechern, Sieben, gedrückt werden Schüsseln und Töpfe, eben das, was ohne Naht ist. Alles wird gleich zu Hunderten angefertigt. Die Emaillefabrikation ist, wie ja so viele moderne Fabritationen, ein Massenbetrieb. Neben, vor und hinter dem Arbeiter sind die rohen Geschirre aus Schwarz­blech zu Hunderten aufgetürmt und zu Hunderten liegen sie vor ihm. Jedes einzelne Stück darf in seinen Händen nur wenige Sekunden sein. Dann kommt es zum nächsten. Während in dem einen Saal nur gestanzt wird, wird im andern nur genietet. Mit Hilfe der Maschinen und der Arbeitsteilung ist im ganzen auf das einzelne rohe Geschirr nur eine Zeit von wenigen Minuten ver­wendet worden.

Ist das Geschirr genietet, so wird es in den Abbrennraum geschafft. Dort stehen große irdene Tröge, die mit einer Salz­säurelösung gefüllt sind. In diese wird das beim Stanzen und Zusammenseßen beschmutzte und hier und da angerostete Material aus Schwarzeifenblech gelegt. Der Mann, der dies besorgt, und der die in der Säurelösung abgebrannten Stfde herausnimmt, trägt große dice Gummihandschuhe, die Hand und Arm vor der äßenden Flüssigkeit schützen.

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Hat die Säure die Unreinlichkeiten heruntergefressen, so wird das Geschirr mit kochendem Sodawasser abgescheuert. Nicht die geringste Unreinlichkeit, nicht ein Tröpfchen der Säure darf auf dem Blech haften bleiben, da sonst an jener unreinen Stelle auch fein Emaille haftet und das ist ja das wichtigste am Geschirr, die fast jede Flüssigkeit vertragende, nie rostende Emaille. Zivar ist das Schwarzeisenblech der Kern des Geschirres, es gibt ihm die Form, den Halt, aber ohne die Emaille wäre es ein nicht sehr wert­volles Geschirr. Der Rost hätte sich bald darüber hergemacht und Löcher hineingefressen. Und von Beulen würde das dünne Blech­gerät nur so stroken. Nein, die Emaille gibt ihm erit Kraft und Stärke, Ansehen und Farbe, Dauerhaftigkeit und Haltbarkeit. Massen, die aus Quarz, Feldspat, Borag und einigen Farb­Interessant ist die Herstellung der Emaille. Zuerst werden die stoffen zur Färbung des Materials bestehen, unter hohen Hibe graden geschmolzen. Die sich bildenden Glasflüsse werden dann in ununterbrochenen vierundzwanzigstündigen Rotierens zu einem Stahltrommeln geschüttet und zerreiben sich dort während eines feinen Mehl. Das wird zu einem Brei gerührt und auf die blechernen Geschirre aufgetragen. Zuerst erhält das Geschirr eine dunkle Grundmasse. Ist diese eingebrannt, wird jene Dedmasse aufgetragen, die in schöner und heller und reiner Farbe strahlt, wie wir es von dem Emaillegeschirr gewohnt sind.

Aber wie alles im Leben ganz logisch und folgerichtig zugeht, so ist Ewald Henkeding seitdem in jeder Ausstellung mehrfach vertreten. Er ist der Hauptvertreter jener Richtung, bei der streng darauf gehalten wird, daß die Unterschrift eines Bildes nicht das Geringste mit dem dargestellten Inhalt zu tun hat. Daß der Henkedingismus den lungenkranken Futurismus bald und end­gültig unter die Füße gestampft haben wird, steht ja es gibt Beispiele außer Frage. Schließlich ist ja doch die Kunst nicht für den denkfaulen Plebs Masse bedeckt. Das sieht fast genau so aus, wie das Glasieren der ba, meint der Snob. Und also

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Wie Emaillegefchirr entsteht.

Von Otto Breitmann.

Unser Zeitalter, das neben außerordentlichem technischen Können mit geradezu ungewöhnlichen chemischen Erkenntnissen glänzen tann, hat sich auch an das Problem des unzerbrechlichen Geschirrs gemacht. Welcher Hausfrau hat es nicht Schaden und zum Schaden auch noch Aerger zugefügt, wenn plötzlich ein irdenes Gerät in Scherben ging? Immer wieder mußte Ersatz beim Töpfer gekauft werden, immer wieder mußten Scherben aus ber Küche geschafft werden.

Das ist nun schon seit einer Reihe von Jahren anders. An die Stelle jener auf der Töpferdrehscheibe geformten und nach dem Glafieren im Brennofen gebrannten irdenen Ware ist ein neues Erzeugnis getreten, das Emaillegeschirr. Es ist ja noch nicht das Idealgeschirr, von ewiger Dauer ist es auch nicht, aber es verträgt doch schon einen Puff, und man kann wohl sagen, daß man sich wenigstens auf einige Jahre nicht von ihm zu trennen braucht. Vor solch unliebsamen Ueberraschungen wie beim irdenen Geschirr ist man bei ihm jedenfalls sicher.

So viel Verschiedenheit nun die beiden Geschirre aufweisen Hei der Herstellung beider stellen sich doch manche einander ähneln­den Bilder heraus. Bei der ersten Manipulation allerdings nicht. Wird der gefnetete Ten auf der Töpferscheibe gedreht, so wird der Kern des Emaillegeschirrs, das Eisenblech, erst aus langen Stüden Schwarzeisenblechs von großen Stangmaschinen ausgeschnitten und dann von anderen Maschinen in eine bestimmte Form gedrückt. Dann bekommt sie der Nähtehefter. Der schiebt die runden, einer Hülse ähnlichen Hauptstücke von Bechern und Kannen auf ein langes Stück Eisen und schlägt die Nähte, die von einer Kleinen Handmaschine angepreßt worden sind, fest zusammen. Ein anderer Arbeiter, der an einer elektrisch betriebenen Drehbank steht, drückt die Gefäße auf einen genau hineingepaßten Holzblock, steckt ihn auf seine Drehbank und drückt den unteren oberen Rand. Von dort wandert das Stück zum Nieter. Dort werden Henkel, Tüllen oder Griffe angenietet, und nun ist das rohe Stück soweit fertig, daß es zum Emaillieren vorbereitet werden kann. Bis jetzt hatte es eine durchaus moderne Prozedur durchzumachen: es wurde geftanzt, gedrückt, gewalzt und genietet. Gewalzt werden nament

Zuerst wird die Außenseite mit der hellen blauen oder grauen Tongeschirre. Das Geschirr wird rasch in der Farbe herumgedreht, damit es sich gleichmäßig und ohne stärkere oder dünnere Stellen überzieht. Anders die marmorierten Stücke. Da taucht der Ar­beiter ein pinselartiges Instrument in den farbigen Brei und be­sprigt die Stücke. Durch eine kleine schüttelnde Bewegung läuft die Masse der Tupfen so auseinander, daß von dem dunklen Grund jene feinen Linien mit der weißen Masse zu dem eigenartigen Muster verschwimmen, das marmoriert" genannt wird.

In diesem Raum der Emaillegeschirrfabrik kann man wirklich glauben, in einer Töpferei zu sein. Da stehen rund herum auf Gestellen die Gefäße, bis die aufgetragene Masse getrocknet ist. Ist das geschehen, kommt alles Geschirr, das nicht eine kleine Be­schädigung erlitten hat, in den Brennofen. Das ist nun allerdings kein derartiger Ofen, wie ihn die Töpfer verwenden. Das Emaillegeschirr wird nicht, wie irdenes Geschirr in offenes Feuer zum Brennen der Glasur gestellt. Um eine Verunreinigung und Samit auch Zerstörung des bis zum Erkalten so leicht empfind­lichen Emailleüberzuges durch Rauch und Flugasche   zu verhindern, wird alles Emaillegeschirr in Muffelöfen gebrannt. Das Fener berührt also nicht unmittelbar das Geschirr, sondern heizt nur einen gemauerten oder eisernen Raum. In diesem Raum muß allerdings eine höllische Hiße glühen, denn das Geschirr soll in etwa fünf Minuten fertig gebrannt sein. Auf eiserne Rosten, die oben eine scharfe Kante haben, wird es gestellt. Diese scharfen Kanten verhindern, daß der ganze Boden aufliegt und so beim Brennen, in dem die Emaillemasse einen gewissen Schmelzprozeß durchmacht, gedrückt wird.

Wie Brote in einen Backofen werden die Geschirre in einen Ofen geschoben. Nach fünf Minuten kommen sie hellglühend her­aus, werden vorsichtig mit langen Eisenstangen von der Roste ge­schoben und auf den Steinboden gelegt, wo sie bald erkalten.

Von dort wandern sie wieder zurück in den Emailleraum. Nun wird die Innenseite mit einer weißen Masse ausgeschwenkt. Die Arbeiter stehen vor einem mit dem Brei gefüllten Gefäß, schöpfen ein wenig von dem Brei in das Geschirr und bewegen es rasch horizontal hin und her. Sie haben darin eine solche Ge schicklichkeit, daß in wenigen Sekunden das Geschirr innen gleich mäßig mit der weiße Deckmasse bekleidet ist. Wieder wird das Geschirr auf Brettern fortgetragen, wieder muß es trocknen auf Hohen Gestellen, und dann erhält es den letzten Schliff. Junge Mädchen streifen mit einem messerartigen Instrument den un­ebenen Rand ab und tragen mit einem feinen Binsel einen, dunkel­blauen Rand auf. Ist dieser auch getrocknet, dann wandern die Gefäße und Geschirre zum drittenmal zum Brennofen. Haben sie dessen sprühende Hike abermals überstanden und sind sie hierauf