Herr Bjorck unterbrach ihn nickend und lachend und mit beiden Händen gestikulierend: Freilich, freilich, selbstverständlich! Ein Vermögen. Erfahrung, große eigene Praxis. Aber wir sind nun einmal Schweden  , mein lieber Herr Bendel. Und Sven kann einfach nicht ohne Stockholm   sein. Aber statt das; wir hier stehen darf ich Ihnen nicht den Vorschlag machen, daß wir zu- sammen Frühstück essen? Mit keinem Menschen wäre Helge Bendel lieber xum Frühstück gegangen als nrit diesem sonnig-strahlenden Herrn Äjörck. Wie eine Verkörperung all der alten Länder zu- sammengenonrmen erschien er ihm, mit einein Zug von da- und einem anderen von dorther: alle aber sich vereinend zu einem genieinsamen Ganzen, ein bißchen russisch und finnisch in Festsümmung. und solide und breit skandinavisch, und ge- deihlich und geinütlich deutsch, und verbindlich französisch, und ehrbar holländisch mit anderen Worten: Europa  , das heißt der Gegensatz zum Regenwetterliankee. Aber leider war es ja mitten in der brennendsten Arbeitszeit unmöglich, und so verabredeten sie sich aus später, zum Mittagessen. Aber nicht in irgend so einer amerikanischen   Eiswasser- anstalt, sagte Herr Björck, wo man wie in einer Ouäkerkirche zwischen lauter heuchlerischen Frommtuern sitzt und wo jeder mißgünstig nach dem Tisch des Nachbars   schielt! Sie entschieden sich für das große deutsche   Restaurant Bismarck   in der Randolph Street. Herr Björck logierte in dem alten Sherman House und wollte bloß wenige Tage bleiben. Dann wollte er sich den Westen noch ein bißchen an- sehen, eh er dem Land den Rücken kehrte. Bendel begleitete ihn ein Stück die Clark Street hin- Unter. Als er zurückkam und wieder hinter seinen Kontraktlisten saß, überkani ihn so ein ausgelassenes Gefühl der Befriedi- gung, als hätte er seinen besten Freund nach zehn Iahren wiedergetrofsen. Es war, als hätte er aufs neue Bekanntschaft gemacht mit etwas, das wiederzusehen er längst nicht mehr gehofft hatte. Fast hätte er sich einbilden können, er selber sei auf der Reise und würde in ein paar Tagen weiterfahren. Bloß sich das Land ein wenig anschauen, und dann nach Hause! Björck war der Sohn des reichen Brauereibesitzers. Weiß der Himmel, dachte Bendel, weslmlb der Zahn- arzt geworden ist; wahrscheinlich, damit er überhaupt etwas zu tun hat. Jetzt wollte er nach der Schioeu und Paris  , um sich auf dem Heimweg noch ein bißchen unizusehen. Wie ein- fach und natürlich das klang: nach der Schweiz   nach Paris   mich ein bißchen umschauen. Ja, ja. Mr. Roth kam. Auch er schien ganz besonders aufge- räumt. lFortsetzung folgt.)' Zwei Kämpfen Von Maxim Gork i.*) In heiliger Ruhe geht die Sonne auf, und von den Felsen der Insel steigt ein graublauer Nebel empor, gesättigt mit dem süßen Duft der goldgelben Blüte des Ginsters. Inmitten einer dunklen, schläfrigen Wasserfläche hingelagxrt sieht die Insel unter der blauen Himmelskuppel einem Opscraltar des isonnengottes ähnlich. Soeben sind die Sterne erloschen, aber noch glänzt die hell- funkelnde Venus, einsam in den kalten Höhen, hinter einer durch- sichtigen Schicht leichter Wölkchen verschwindend. Die rosig ange- hauchten Wolken flammen im Feuer des ersten Sonnenstrahls auf, und in dem ruhigen Schoß des Meeres spiegeln sie sich wie Perl- muttcr wider, die aus den blauen Tiefen emporgetaucht ist. Die Gräschen und die Blumenblättchen, beschwert mit silber- nem Tau, strecken sich sehnsüchtig der Sonne entgegen. Helle Tau- tropfen hängen an den Stielen, füllen sich und fallen auf den Erd- boocn, der nach heißem Schlaf in Schweiß gebadet ist. Man mächte das leise Klingen beim Aufschlagen der Tropfen hören und ist traurig, daß man das nicht kann. In Anknüpfung an Andersens   Worte:ES gibt keine schöneren Märchen, alS die das Leben ersinnt" hat Maxim Gorki  uns die letzten Jahre mit Märchen der Wirklichkeit be- schenkt, die jetzt unter diesem Titel gesammelt erscheinen.(Verlag I. Ladhschnikow, Berlin  . Preis brosch. 3 M., geb. 4 M.). Diese zumeist in italienischem Milieu spielenden Märchen, von denen wir schon mehrere brachten, gehören zum besten, was unS aus sozialistischer Anschauungswelt zuteil wurde. Sie sollten in keiner Arbeiterbibliothek fehlen. Die Vögel find erwacht; fie flattern und fingen im Laub der Olivenbäume, von unten her aber ertönen die tiefen Seufzer der See, die unter den Küssen der Sonnenstrahlen erwacht ist. Und dennoch ist es still ringsum; die Menschen schlafen noch, und in der Frische des Morgens ist der Duft der Blüten und Gräser stärker vernehmbar als Töne und Geräusche. « Aus der Tür eines von Weinlaub überwucherten weißen Häuschens, das wie ein Boot aus grünen Wellen hervorlugt, tritt Ettore Cecco, ein Einsiedler, mit langen Asfenarmen, dem nackten Schädel eines Weisen und einem mit Runzeln uno Falten bedeckten Antlitz in den sonnigen Morgen hinaus. Langsam hebt er die braune haarige Hand zur Stirne empor. blickt lange auf den sich rosig färbenden Himmel und dann nach allen Seiten hin. Vor ihm ergießt sich eine Flut goldigen und smaragdenen Lichtes in allen Schattierungen über das graue, lila- farbene Gestein der Insel; rosafarbene, gelbe und rote Blüten leuchten überall hervor; das dunkle Antlitz des Alten zittert in gutmütigem Lächeln; er nickt zufrieden mit dem runden, schweren Kopf. Als trüge er eine schwere Last auf dem Rücken, so steht er da, den Oberkörper ein wenig gebeugt, die Beine breit auseinander- gestreckt. Ringsum aber kündigt sich immer lauter und froher oer junge Tag an; heller glänzt das Grün der Weinberge, lauter zwitschern die Buchfinken und Zeisige, im Gesträuch der Brom- beere, Waldrebe und Wolfsmilch schlagen Wachteln an, irgendwo pfeift die Amsel, elegant und sorglos wie ein Neapolitaner. Der alte Cecco streckt die langen, müden Arme über den Kopf empor, dehnt und reckt sich, als wollte er nach unten fliegen, zum Meer, das wie Wein in einer Schale vor ihm ruht. Dann fetzt er sich auf einen Stein vor der Tür, zieht eine Postkarte aus der Tasche, hält sie� weit von sich, kneift die Augen zusammen und betrachtet die Schrift, lautlos die Lippen be- wegend. Auf seinem großen, schon lange nicht rasierten, wie mit Silber bedeckten Gesicht ruht jetzt ein neues Lächeln, in dem sich Liebe, Trauer uno Stolz eigenartig vereinen. Auf dem Stück Pappe vor ihm sind zwei breitschulterige Burschen in blauer Farbe abgebildet. Sie sitzen Schulter an Schulter nebeneinander und lächeln frohgemut, beide kraushaarig und großköpfig wie der alte Cecco. Ueber ihnen steht in großer, deutlicher Druckschrift: Arturo und Enrico Cecco, zwei edle Kämpfer für die Interessen ibrer Klasse. Sie organisierten 2b 000 Textilarbeiter, deren Wochenlohn 6 Dollar betrug, und wurden dafür ins Gefängnis gesperrt. Ein Hoch den Känipfern für die soziale Gerechtigkeit!" Der alte Cecco versteht nicht zu lesen, auch ist die Inschrift in einer fremden Sprache verfaßt. Aber er errät den Inhalt, jedes Wort scheint ihm bekannt und klingt laut tönend in seinen Ohren. Diese blaue Karte hat dem Alten viel Unruhe und Sorgen bereitet. Er erhielt sie vor etwa zwei Monaten und erriet sofort instinktiv, daß etwas nicht in Ordnung war. Werden doch die Bilder der Armen nur dann veröffentlicht, wenn sie gegen die Gc- setze verstoßen. Cecco steckte die Karte in die Tasche, sie lastete aber wie«in Stein auf seiner Seele und bedrückte ihn mit jedem Tage immer mehr. Schon mehrmals wollte er die Karte dem Priester zeigen, aber die Erfahrung seines langen Lebens hatte ihn von der Rich- tigkeit oes Spruches überzeugt:Möglich, daß der Priester Gott  die Wahrheit über die Menschen berichtet, den Menschen jedoch sagt er fie nie." Ter erste, den er nach dem rätselhaften Sinn der Karte be- fragte, war ein blonder Künstler, ein langer, hagerer Ausländer. der oft zu Ceccos Häuschen kam, seine Staffelei aufstellte und sich zum Schlafen niederlegte, den Kopf in dem viereckigen Schatten des begonnenen Bildes versteckend. Herr," fragte er den Künstler,was haben diese Menschen begangen V Der Künstler betrachtete die lustigen Gesichter der Burschen und sagte: Wahrscheinlich irgendeinen lustigen Streich..." Was steht denn darüber aufgedruckt?" Das ist englisch  . Außer dem Engländer kennt diese Sprache nur Gott und meine Frau, wenn fie in diesem Falle die Wahr- heit spricht. In allen anderen Fällen tut sie es nicht..." Der Künstler war schwatzhaft wie ein Zeisig und konnte offen- bar über nichts ernst sprechen. Der Alte ging finster von ihm fort und erschien am folgenden Tage bei der Frau des Künstlers, einer dicken Dame, die in ein weites, durchsichtiges, weißes Gewand gc- hüllt im Garten in der Hängematte lag. vor Hitze zerschmolz und mit ihren blauen Augen wütend zum Himmel emporsah. Diese Leute sind inS Gefängnis gesperrt," erklärte sie ihm in gebrochenem Italienisch. Dem Alten zitterten die Beine, als bebe die ganze Insel unter einem plötzlichen Erdstoß. Dennoch fand er die Kraft zu einer zweiten Frage: