Haben si« einen Diebstahl oder einen Mord begangen?" O, weder das«ine, noch das andere. Sie sind einfach Sozialisten."# Was ist das Sozialisten?" Das gehört schon zur Politik," sagte die Dame mit ersterben- der Stimme und schloß die Augen. Cecco wußte, daß die Ausländer ein einfältiges Volk sind, noch dümmer als die Kalabrier  , er wollte aber die Wahrheit über seine Kinder erfahren und wartete deshalb geduldig, bis die Signora wieder ihre großen, schläfrigen Augen öffnete. In diesem Augenblick wies er mit dem Finger auf die Karte und fragte: Ist das ehrlich?" Ich weiß nicht," entgegnete sie ärgerlich.Ich sagte Dir schon, das ist Politik, verstehst Du nun?" Nein, er verstand nichts. Die Politik machten die Minister und die reichen Leute in Rom  , um die Steuerlast der Armen zu erhöhen. Seine Jungen aber waren Arbeiter, prächtige Bursche», die in Amerika   lebten was hatten sie mit der Politik zu tun? Die ganze Nacht saß er bei Mondenschein und mit dem Bild- nis seiner Kinder in den Händen, das ihm nun schwarz erschien und noch finsterere Gedanken einflößte. Am folgenden Morgen entschloß er sich, den Geistlichen zu befragen. Der schwarze Mann im Priesterge-wand entgegnete ihm kurz und streng:- Die Sozialisten sind Menschen, die Gottes Willen leugnen. Das genügt Dir zu wissen." Und noch strengeren Tones rief er dem sich entfernenden Alten nach: Du solltest Dich in-Deinen Jahren schämen, Dich um solche Dinge zu kümmern..." Gut, daß ich ihm nicht das Bild gezeigt habe," dachte Cecco. Nach drei Tagen begab er sich zu dem Barbier, einem Stutzer und Windbeutel. Von diesem Burschen, der kräftig war wie ein Esel, hieß es, er verkaufe seine Liebe für Geld an alte Ameritane- rinnen, die angeblich bierher kamen, um die Schönheiten des Meeres zu genießen, die es aber in Wirklichkeit auf Abenteuer mit armen Burschen abgesehen hatten. Gott Allmächtiger!" rief dieser verdorbene Mensch aus, als er die Karte sah, und seine Wangen färbten sich rot.Das find Arturo und Enrico, meine Kameraden! O, ich beglücktoünsche Euch von ganzem Herzen, Vater Ettore, Euch und mich! Run habe ich noch zwei berühmte Landsleutc, soll ich nicht stolz sein darauf?" Sprich keinen Unsinn," warnte der Alte. Aber jener schrie, mit den Händen durch die Luft fuchtelnd: Das ist ausgezeichnet!" Was steht auf der Karte aufgedruckt?" Ich kann es nicht lesen, ich bin aber überzeugt, daß es die Wahrheit ist. Arme Kerle müssen große Helden sein, damit man endlich die Wahrheit über sie sagt!" Schlveig still, ich bitte Dich!" rief Cecco und entfernte sich, wütend mit seinen Holzpantinen über das Pflaster klappernd. Er ging zu einem russischen Signor, von dem es hieß, er sei ein guter, ehrlicher Mensch. Er trat ein, setzte sich an das Lager, auf dem das Leben des Russen langsam erlosch, und fragte: Was ist hier über diese Leute aufgedruckt?" Ter Russe kniff die vor Krankheit farblos gewordenen trau­rigen Augen zusammen, las mit schwacher Stimme die Inschrift auf der Karte und wandte sich mit gütigem Lächeln an de» Alten, der nun bat: Signor, Sie sehen, ich bin sehr alt und werde schon bald zu meinem Gotte abgerufen loerdeu. Wenn die Madonna mich fragt, was ich mit meinen Kindern getan, werde ich ihr alles wahrheits- gemäß und ausführlich erzählen müssen. Das sind meine Söhne, die hier auf der Karte abgebildet sind, ich begreife aber nicht, Iva? sie getan und weshalb sie ins Gefängnis gesperrt sind." Der Russe sprach darauf ernst und einfach: Sagt der Madonna, Eure Kinder hätten das Hauptgcbot ihres Sohnes erfüllt: sie lieben ihre Nächsten in werktätiger Liebe..." Eine Lüg« kann nicht einfach ausgesprochen werden: sie er- fordert Phrasen und Ausschmückungen. Der Alte schenkte deshalb dem Russen Glauben und drückte kräftig dessen kleine Hand, die die Arbeit nicht kannte. Es ist also keine Schande für sie, daß sie im Gefängnis sind?" Nein," sprach der Russe,Sie wissen ja, die Reichen kommen nur dann ins Gefängnis, wenn sie zu viel Böses getan und es nicht zu verbergen verstanden haben. Die Armen jedoch kommen in den Kerker, wenn sie auch nur ein wenig Gutes haben tun wollen. Sie sind ein glücklicher Vater, das sage ich Ihnen." llnd noch lange sprach er mit seiner schwachen Stimme zu Cecco; er erzählte ihm, wie die ehrlichen Menschen kämpfen, die die Armut, die Dummheit und all das Furchtbare, Böse besiegen wollen, das von Dummheit und Armut in die Welt gebracht wird... » Die Sonne brennt am Himmel wie eine feurige Blume und streut den Goldstaub ihrer Strahlen auf die grauen Felsen, aus deren Falten smaragdene Gräser und himmelblaue Blumen sich der Sonne entgegenstrecken. Die goldenen Lichtfunkcn flammen auf und erlöschen in den vollen Tropfen, des kristallenen Tans. Der Alte verfolgt aufmerksam, wie alles ringsum die lebendige Kraft des Lichtes, einsaugt,. wie- die Vögel arbeitsam umheu» schwirren, ihre Nester bauen und singen. Er denkt an seine Söhne, die jenseits des Ozeans im Gefängnis der großen Stadt sitzen. Das ist schlecht für ihre Gesundheit sehr schlecht... Sie sind aber im Gefängnis, weil sie ehrliche Burschen find, genau so wie ihr Bater sein lebelang. Das ist gut für sie und für ihn. Und das braune Antlitz des Alten zerschmilzt in stolzem Lächeln. Die Erde ist reich, der Mensch arm. die Sonne gut, der Mensch böse. Mein lebelang dachte ich daran, sprach es aber nicht aus, und sie errieten die Gedanken des Vaters. Sechs Dollar in der Woche, das sind vierzig Lire oho! Sie aber fanden, daß das zu wenig ist, und fünfnudzwanzigtauscnd eben solcher Burschen wie sie stimmten ihnen bei: dies ist zu wenig für einen Menschen, der gut leben will.. Der Alte ist überzeugt, daß die verborgenen Gedanken seines Herzens in seinen Söhnen groß geworden sind. Er ist stolz darauf, da er aber weiß, wie wenig die Menschen den von ihnen selbst täglich geschaffenen Märchen Glauben schenken, spricht er darüber nicht. Nur bisweilen, wenn sein altes Herz übervoll ist von den Gedanken an die Zukunft seiner Kinder, erhebt sich der alte Cecco, biegt den arbeitmüden Rücken gerade, sammelt die letzten Kräfte und schreit heiser in die Ferne hinaus, an seine Kinder weit über» Meer: Valio o!" Die Sonne lächelt, sich immer höher über da? dichte, weiche Waffer des Meeres erhebend, und die Leute in den Weinbergen antworten dem Alten: Oi i!" J�aturwiffcnrcbaftlicbc Blieben Von dem WerkeDie Wunder der Natur"(Verlag R. Bong u. Co. in Bcrlinl liegt der zweite Band vor. Er gehört, wie der erste, zu jenen Erzeugnissen, die hauptsächlich der groß- artigen Entwickeluug der Jllustrationstechnik ihre Entstehung der- danken. Der Band vereinigt an hundert oder mehr kurze Ar- tikel ans allen Reichen der Natur. Ter Text ist oft recht kurz, die Abbildungen sind um so umfangreicher. Man kann sich eher den Text als die Illustrationen aus diesem Werke fortdenken. Dem- nach ein naturwissenschaftliches Bilderbuch im großen, selbst im prächtigen Maßstabe, mehr zum Bildungsnaschcn als zur eigent- lichen Belehrung eingerichtet. Aber die Mitarbeiter verstehen ihr Fach, und schon das Abbildungsmatcrial, vieles in Farben und das meiste in packenden Photographien nach der Natur, lohnen die Anschaffung des Werkes für den, der sie zu erschwingen ver- mag. Unter seinen Mitarbeitern finden wir übrigens auch W i l- Helm B ö l s ch e. Von ihm liegt wieder ein Buch vor mit dem GoethewortStirb und Werde!" als Motto.(Verlag Eugen Diede- richs in Jena  ; Preis 5 M., gebunden 6,50 M.) Es ist das Thema vom Werden und Vergehen, das Bölsche   hier abermals in abge- rundeten Kapiteln aus dem unerschöpflichen Reichtum an Rätseln ans dem Erdenleben und aus dem Weltall   behandelt. Er bleibt aber nicht in vergangenen Aconen stecken, sondern erreicht zuletzt die Gegenwart mit Aufsätzen über Fragen wie:Was macht unsere Schule mit dem aiigeborenen Talent?" undWie und warum soll man Naturwissenschaft ins Volk tragen?" Eins seiner Kapitel: Ist gegenseitige Hilfe ein Grundprinzip der organischen Entwicke- lung?" wurde vor einigen Wochen auch an dieser Stelle abgedruckt. Außer diesen sozialen Themen finden wir u. a. Aufsätze über die Farben der Urwelt, über den Strahlungsdruck und das Rätsel der Herkunft des Lebens, über die heißumstrittene Frage nach der Ver- erbung erivorbcner Eigenschaften, die Bölsche besonders umsichtig bespricht. Dichter und Forscher in einer Person, bringt er uns auch ein Märchen in Versform. Seine Prosa ist die alte geblieben, oder vielmehr sie hat zu ihrem Vorteil von den Maniriertheiten, die ihr noch anhafteten, verloren. Wer Gelegenheit hat, diesen Bölsche zu lesen, lasse sie sich jedenfalls nicht entgehen. Zwanglos leitet uns der Name dieses Schriftstellers, dessen Hauptfach die Zoologie ist, zu dem neuen Aquarium im Zoologischen Garten. Durch diese großartige Anlage ist der ohnehin starke Sinn des naturfrcundlichcn Großstädters �ür die Zimmeraquarien von neuem angereizt worden. Darum seien einige Bücher über diesen Gegenstand angeführt. ZerncckesLeitfaden für Aquarien- und Terrarien freunde"(Verlag Quelle und Meyer, Leipzig  ; Preis gebunden 7 M.) hat seine Brauchbarkeit erwiesen, denn er liegt bereits in vierter Auflage vor. Es ist ein reich illustriertes Hanobuch, das auf alle Fragen Antwort gibt, die demAquarianer" aufstoßen können. Billiger sind:Das Süß» und Seewasseraquarium" von B e r n d t(Theodor Thomas Verlag, Leipzig  ; Preis gebunden 0,75 M.) undDas Aquarium" von C. Heller(Verlag Quelle u. Meyer, Leipzig  ; Preis gebunden 1ch0 M.). Das Buch von Berndt erstreckt sich wie Zerneckes Leitfaden auch ausführlich auf die Einrichtung von See- wasscraqnarien, die bei weitem einfacher und viel weniger kost- spieljg ist, als gewöhnlich angenommen wird. Allerdings wird stets vorausgesetzt, daß der Naturfreund Zeit genug hat. der Ein. richtung seine Aufmerksamkeit zu widmen. Am populärsten ge-