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Jch hielt mich faft vier Jahre in den Ansiedelungsbezirken dieses| dessen Vertreter mitteilt, wo er in der betreffenden Woche arbeiten Landes auf. Da ich von Beruf selbst Landwirt bin und außerdem soll; meist erst in der Mittagsstunde bequemt sich der genannte Herr mehrere Jahre in der vom Staate S. Paulo errichteten Kolonie dazu, jedem cinzelnen feine Beschäftigung anzuweisen, da ev angeb Pariquera afsu selbst eine Landparzelle von 100 Morgen besessen lich mit der Aufstellung der Arbeitslisten nicht habe früher fertig und bewirtschaftet habe, bin ich sehr gut in der Lage, ein sachge- werden können. gemäßes Urteil über die Wirtschaftsverhältnisse in den brasilianischen Nun erst gehen die einzelnen Kolonisten in Trupps von zwei Ansiedelungsgebieten abzugeben. Erst vor einigen Monaten bin ich bis vier Mann nach ihren oft viele Kilometer weit entfernten Ar­wieder von da nach hier zurückgekehrt. beitsstätten. Wenn sie dort ankommen und sich eine notdürftige Das Land ist dort ja sehr billig, man bekommt es fast ge- Unterkunftsgelegenheit für die Nacht geschaffen haben, ist es abend schentt, aber was nugt einem das billige Land, wenn man nur sehr und somit der erste Tag zu Ende. Bei günstigem Wetter wird nun minimale Erträge davon hat. Der Boden ist dabei gut, wohl fast Dienstag, Mittwoch und Donnerstag von früh morgens bis zum durchschnittlich überall besser als deutscher Mittelboden, aber das Eintritt der Dunkelheit gearbeitet. Land ist noch viel zu roh, um nach deutschen Begriffen einiger­maßen nennenswerte Erträge hervorzubringen. Ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte, daß man bei uns hier in Deutschland auf dem leichtesten Sandboden, bei richtiger Bewirtschaftung, von einem Morgen mehr Ertrag hat, als in Brasilen die ersten Jahre, bei viel schwererer Arbeit und auf dem besten Boden dieselbe Fläche Kulturland Früchte hervorbringt.

Da der Heimweg meist durch größere Strecken Urwald führt, ist es infolge der herrschenden großen Finsternis und der weiten Entfernung wegen den Leuten zumeist erst am nächsten Tage möglich, nach Hause zu gehen, wo sie im günstigsten Falle zur Mittagszeit anlangen.

Müde und abgespannt ist der Mann wohl selten noch fähig, auf seinem eigenen Lande noch an diesem Tage größere Arbeiten Unser deutsches Getreide, also Roggen, Weizen, Hafer oder und Pflanzungen auszuführen. Am Sonnabend heißt es dann Gerste anzubauen, lohnt nicht recht, wohl ein jeder macht damit wieder nach dem ca. 10 Kilometer weit entfernten Stadtplatz gehen, im Anfang einen fleinen Versuch, läßt es aber bald wieder sein, um den Wochenverdienst in Empfang zu nehmen und dafür die weil eben dabei kein besonders großer Gewinn zu erzielen ist. Die Lebensbedürfnisse für sich und die Familie für die kommende Woche beste Aussicht auf eine einigermaßen lohnende Ernte hat man noch einzukaufen. beim Anbau von Weizen, aber nigends wohin ich gekommer bin, habe ich eine größere Fläche damit bestellt gesehen. Hat man wirt lich davon einmal ein größeres Quantum erbaut, so ist in den immer weit vom Verkehr abgelegenen Ansiedelungsbezirken niemand da, der das verhältnismäßig dort seltene Produkt gut verwerten kann, Mühlen für Weizen, Roggen usw. gibt es nicht, weil Mehl aus den großen Dampfmühlen in Santos und Rio, die ihr Getreide aus Argentinien einführen, billiger bezogen werden kann. Das Getreide nun aber nach diesen Mühlen zu transportieren, verlohnt fich ebenfalls nicht, da die dabei entstehenden großen Unkosten jeden Gewinn illuforisch machen würden.

Man pflanzt in den Ansiedelungstolonien hauptsächlich Mais und Reis, was sich noch einigermaßen rentiert. In den oben ertvähnten Prospekten und Broschüren, die zur Gewinnung von neuen Einwanderern überall in Europa und neuerdings auch in Japan in großen Massen verteilt worden sind, wird von so un geheuer großen Ernteerträgen bei Anbau von Mais und Reis be richtet, daß man solche nach unseren Begriffen für taum glaublich halten muß.

Sieht man aber diese, tatsächlich der Wahrheit entsprechenden Berichte genauer an, so bemerkt man erst, daß dort immer ge­schrieben steht: Reis gibt das 150 fache bis 500 fache und auch noch mehr von der Aussaat usw." Dabei ist aber nur ganz felten bemerkt, und man beachtet dies dann auch kaum, daß bei der ganz anderen dortigen Wirtschaftsweise unter Umständen für einen ganzen Heftar nur einige Liter Aussaat erforderlich sind. Bei Mais liegt die Sache ganz ähnlich.

Dann ist der Ansiedler, wenn er seine Produkte verkaufen will, ganz und gar von den wenigen im Koloniezentrum ansässigen Stauf­leuten und Händlern abhängig. Er muß sich unwiderruflich den Preisfestsegungen derselben fügen; denn würde wirklich einmal ein Kolonist versuchen, seine Produkte selbst nach den größeren Handels­plägen zu bringen, um sie dort besser zu verwerten, so würden ihm, wie schon an anderer Stelle einmal erwähnt, durch Transport­unkosten und Zeitversäumnisse so viel Ausgaben entstehen, daß er immer noch besser wegkommt, wenn er sozusagen seine Ware halb verschenkt und alles zu ganz niedrigen Preisen an die ortsansässigen Händler verkauft. Diese wissen natürlich ihre Vorteile auch zur Genüge auszunügen.

Da nun aber bei den hohen Preisen ein Milreis in diesen ent­legenen Ortschaften nicht halb so viel Kauftraft hat, als wie bei uns in Deutschland eine Mart, so kann man sich vorstellen, unter was für ärmlichen Verhältnissen eine solche Kolonistenfamilie ihr Leben fristen muß.

Mit einigem guten Willen ließen sich obige Mißstände bei Arbeitsgewährung an bedürftige Kolonisten leicht abändern. Ist man aber erst längere Zeit drüben und mit den dortigen Verhält nissen besser vertraut, so kommt man bald dahinter, daß dies nur schlaue Berechnung der Einwanderungsbehörde ist.

Sechs Monate nur ist die Regierung verpflichtet, diese Arbeits­unterstügung zu gewähren. In dieser Zeit bat der arme Kolonist, wie wir oben gesehen haben, so gut wie feine Gelegenheit gehabt, sein Land urbar zu machen und zu bestellen. Sommit nun die Zeit der Ernte, ist nichts einzuernten, denn das Wenige, was Frau und Kinder gepflanzt haben, ist immer nur sehr minimal und reicht noch nicht mal als Futter für die Hühner und für ein Schwein.

Die Verdienstmöglichkeit beim Wegebau hört aber auf, und was bleibt dem armen Kolonisten weiter übrig, als sich auf den großen Kaffeeplantagen um einen geringen Lohn als Arbeiter zu verdingen, wenn er mit seiner Familie nicht Hunger leiden will. Dort werden immerzu Leute gebraucht. Bei den schlechten Löhnen entschließen sich die Neueingewanderten aber selten, sofort nach einer solchen Fazenda zu gehen; auf vorbeschriebenem Umwege bekommt man sie aber doch dahin, wohin man sie haben will.

So geht es also den Ansiedlern, die mit keinen oder nur mit sehr wenigen Barmitteln nach drüben kommen. Doch denjenigen, die mit mehr Geld nach hinüberreisen, geht es nicht viel besser.

Alle diese beginnen, nachdem sie sich ebenfalls ein Stück Kolonieland erworben haben, irgend eine größere Pflanzung oder Da sie aber die dort Stultur oder auch ein anderes Unternehmen. ganz anderen Wirtschaftsverhältnisse nicht genügend fennen, sind gewiß unter hundert neun und neunzig Fälle, wo die Sache mehr oder weniger fehl schlägt, es geht immer mehr rückwärts als voran, und schon nach furzer Zeit sind auch diese Leute auf demselben Standpunkte angelangt, wie die mittellos eingewanderten Familien. Hierfür könnte ich eine ganze Reihe von Beispielen anführen, wenn dies nicht für heute zu weit führen würde.

Man soll aber auch nicht denken, daß etwa in den größeren In vielen, man kann ruhig sagen in den meisten Fällen erhält Städten für solche Familien Aussicht auf ein besseres Fortkommen der Kolonist gar nicht einmal bares Geld für das, was er verkauft. wäre. Trotzdem dort immerzu Arbeitsleute knapp sind, müßten diese, Die Händler, die immer noch nebenbei einen fleinen Stramladen da sie doch in den allerseltensten Fällen der brasilianischen Sprache haben, verstehen in geschickter Weise die Geldauszahlung immer schnell mächtig find, dort die gewöhnlichsten Arbeiten verrichten und weiter hinauszuschieben, und veranlassen den Ansiedler zuletzt noch, hätten nur geringen Verdienst, da sie öfter sogar mit Ungarn fon­daß er für sein Guthaben ein Kontobuch erhält, wofür er dann alle furrieren müssen. feine Lebensbedürfnisse bis zum Ablauf dieses Guthabens aus dem Tatsächlich würden wohl die meisten, die erst in den letzten Kramladen einkaufen kann, wobei er aber außerdem noch höllisch Jahren nach den Ansiedelungsgebieten in Brasilien ausgewandert aufpassen muß, daß der Händler beim Abschreiben nicht etwa doppelte| find, gern wieder nach ihrer Heimat zurückkehren, wenn sie noch die Kreide anwendet. zur Rückreise erforderlichen Barmittel auftreiben könnten, oder wenn Ein Ansiedler in den Koloniebezirken braucht ja zum täglichen fie, sofern sie es noch einigermaßen voranbringen fonnten, ihr Besitz­Unterhalt für sich und seine Familie nicht sehr viel, aber die meiſten tum ohne große Verluste zu erleiden, wieder zum Selbstkostenpreis müssen sich inklusive des Verdienstes aus der von der brasilianischen los werden könnten. Ansiedlungsbehörde in der ersten Zeit nachgewiesenen Arbeitsgelegen­heit mit einer jährlichen Bareinnahme von höchstens 4-500 Mart Durchhelfen. Es gibt viele, die dies überhaupt gar nicht einmal haben.

In den ersten Monaten gewährt die brasilianische Regierung be­dürftigen Familien dadurch eine Unterstügung, daß der Mann beim Wegebau oder auch bei anderen Arbeiten für immer je drei Tage in der Woche Beschäftigung erhält, wofür ihm ein Tagelohn von 3 Mil­reis( zirfa 4 Mar!) gezahlt werden. Der Verdienst pro Tag ist ja nicht schlecht, aber wenn man die dortigen Verhältnisse in Betracht zieht, so find die 9 Milreis, die der Mann am Wochenschluß aus­gezahlt erhält, tatsächlich der Lohn und Verdienst für sechs Tage feiner Tätigkeit.

Die Sache verhält sich folgendermaßen: Montags früh geht der Mann nach dem Koloniezentrum, dem sogenannten Stadtplay; hier muß er nun warten, bis ihm der Direktor der Ansiedelung oder

Wer aber trop allen diesen Ausführungen noch anderer Meinung sein sollte, denke einmal ernstlich über folgendes nach: Brasilien be­zahlt für jede nach dort kommende Einwandererfamilie das Reise­geld. Warum geschieht es wohl, daß man mit solchem Mittel Ein­ivanderer anzulocent versucht?

Kleines feuilleton.

Weihnachtsmarkt.

Neue Kunst wart Meisterbilder. Von den Meister­bildern, deren Auswahl und Ausführung persönlichste Angelegenheit von Ferdinand Avenarius ist, wird bereits das dritte Hundert aus­gebaut, und es ist erfreutlich, daß als Ertrag dieses Jahres 12 neue