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die Menge, wiederholte Namen und Schlen. Aber es war nicht mehr das Toben und Schreien der Börse; der Weizenfönig war in seinem eigenen Lärmt ertrunken. Sein Name würde rasch ausgelöscht sein. Am deutlichsten unterschied man in dem Gewimmel und Menschengedränge zwei Worte:
Stier
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Bär
Und auf den Nachttrambahnen erklangen noch weit nach Norden zu hohnlachend vor dem Wind die beiden Kampfworte:
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- Stier- Bär.
9.
Novembernebel hüllte Chikago ein, Schon früh am Vormittag funftelten durch das Grau die Dunstpunkte der Laternen und die Lichtflecken der Fenster; über den Bogensfeletten der Hängebrücken leuchteten rote Warnungslaternen, und der Fluß war voll von im Nebel versteckten Schiffen, die angstvoll heisere Signalrufe ertönen ließen. Auf dem Asphalt der Straßen lag ein falter Schweiß von schleimiger, braungrauer Herbstnässe, in den Millionen Füße ihre hastenden Stapfenabdrücke setzten.
Es war Bendels letzter Tag in der unheimlichen Stadt, der letzte Tag einer zehnjährigen Festungsstrafe. Und jetzt würde er reisen.
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Mit einem Schauder hatte er seinen Koffer gepact. Reine Reliquien aus der alten Heimat waren mehr darin. Die wenigen Wertgegenstände, die er besessen hatte, waren in dem ersten Hungerjahr von den Pfandleihgeschäften in der Clark Street verschlungen worden. Und Wäsche und Kleider waren ja längst verbraucht. Ein paar Kindermärchenbücher und ein paar Photographien das war noch das einzige. Jezt reisen wir heim! sagte er zu ihnen; und ihm war, als glitte ein Schimmer über die blassen Wangen der paar Sachen. Zum legtenmal sah er sich in seinem Zimmer um. Im Kamin war alles zu Asche verbrannt alles. Nur ein Einzigstes hatte er nicht verbrennen können- hatte es nicht übers Herz gebracht. Das war der kleine silberne Anhänger, den er von Lilly Fanchetti erhalten hatte, die Laterne mit dem Rubinauge, die ihm leuchten sollte. Die wehrte fiches war, als könne sie sprechen, würde lebendig, bäte ihn mit zarter Stimme um ihr Leben: laß mich bei dir nimm mich mit ich hab nichts Böses getan! Und er legte das Ding in Watte und pacte es in eine kleine Schachtel, die er in Papier wickelte und versiegelte und mit einem Datum überschrieb. Darauf begrub er den kleinen Sarg im tiefsten Kofferwinkel.
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Zum letztenmal Frühstück bei Frau Brantstrom. In dem graufalten Zwielicht brannten die Gasflammen gleichsam fröstelnd und krümmten sich blau gefroren zusammen zu fleinen Lichtfeigen. Die Reihen der vom Schicksal gezeich neten, Verdammten und Verbannten hatten sich gelichtet. Göransson, der Erfinder, und Bergenvall, der Bildhauer, waren in Irrenhäusern in einer der Vorstädte eingesperrt, der Agent Youngberg war verschwunden, von Fräulein Nilsson hieß es, fie hätte Unglüd gehabt" was man sich deuten mochte, wie man wollte. Sie ließ sich nicht mehr bliden, war aber doch noch da. Ein paar Tangenichtse hatten von daheim Verzeihung und das Geld zur Rückreise erhalten; andere hatten neue Arbeitsmärkte aufgesucht. Mc Kenzie war tot. An einem trüben Nachmittag mit schwerem, schluchzendem Himmel und einem Fieberschauer von gelben Blättern der erstorbenen Parks auf der regendurchweichten Erde hatte er sich auf einer Bank ausgestreckt und eine kleine, weiße Kapsel in den Mund gestedt. Die Absätze seiner Lad schuhe trommelten einen kurzen Marsch auf dem Siz und das morphiumblasse Antlik ward zhanblau. Die Photographie eines Barietémädels in seiner Brusttasche erklärte das Defizit in der Kasse seines Prinzipals.
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Und Hannover ! Ganz unerwartet hatte der Doktor eine alte Kollegin vom Institut geheiratet. Sie war eine gutfituierte Masseuse und glich Maurit fie hätte seine Schwester sein können. Die zwei taten sich zusammen und 30gen hinauf nach Lake View, dem Faubourg Saint- Germain der schwedisch- amerikanischen Elite.
Griff faß schweigend und verstimmt da. Er trauerte gana ehrlich über die Trennung, die, wie er instinktiv ahnte, eine endgültige war. Das feine, vergrämte Antlig, dessen jugendliche Farbe seltsam abftach gegen die ergrauenden Schläfen, war gesenkt, und die Augen blickten schwermütig in die Ferne. Seine kleine Musikerhand rollte gedankenlos einen Serviettenring hin und her, und dazwischen murmelte er einſilbige Ausrufe vor sich hin: Hmiana ja- hmt... Er wollte nicht zeigen, wie niedergeschlagen er war. Zu Neujahr wollte er selbst fort; er hate den Antrag nach New Orleans angenommen.
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In Schweden sehen wir uns wieder! sagte Helge. Hugo wandte den Kopf ab.
-Gewiß, alter Junge gewiß!
Er wollte noch an den Zug kommen.han
Die alte Frau Brantstrom wollte Bendel für die verflossenen Jahre danken, indem sie ihm in einen Eßforb ein Reisefrühstück einpackte. Dabei fügte sie hinzu:
Ich habe einen alten Bruder, der auf der Bellmannsstraße einen Spezereihandel hat; falls Herr Bendel ihn einmal aufsuchen möchte... Obgleich wir uns ia natürlich nicht mehr schreiben, schon seit achtzehn Jahren...
Zum legtenmal ging er die Clark Street hinunter, die Straße der Hoffnungslosigkeit. Der Nebel verhüllte die hä lichen, armseligen Fassaden, aber vereinzelte, fleckige Schilder schienen hindurch und eine oder die andere Fensterecke, von einer zerfekten Gardine bedeckt, wies ihr zersprungenes Glas und ihre zerbrochenen Rahmen.
( Fortiezung folgt.)
Krife.
8eitbilder von Sepp Derter. ( Schluß.) 3.
Von der vergeblichen Arbeitssuche fam er nach Hause. Dem Blid jeiner Frau wollte er ausweichen. Aber sie hielt ihm glückstrablend eine Postkarte unter die Augen. Er las:
" Auf Ihre neuliche Anfrage um Beschäftigung als Polierer teilen wir Ihnen mit, daß gegenwärtig eine Stelle bei uns zu bes fegen ist. Melden Sie sich unter Vorzeigung dieser Karte in unserem Einstellungsbureau."
Sie hatte beim Lesen glücklich lächelnd ihren Mann angeschaut. auch über sein Gesicht ging ein Hoffnungsschimmer. Er drückte seine Frau leise an sich. Dann segte er den Hut auf und ging. Als er durch die Straßen schritt, schien ihm die Welt ein ganz anderes Aussehen gewonnen zu haben. Des Regens, den ihm der Dezember sturm ins Antlig peitschte, achtete er nicht. Leicht, elastisch wie früher ging er seines Weges. Als er in die Straße einbog, in der die Fabrik lag, trat ihm ein Mann entgegen und sprach ihn an: Kollege?" Er blieb stehen.
"
Suchst Du hier Arbeit?"
" Ja, ich habe eine Karte gekriegt." Wir streiten, Kollege."
Diese legten Worte fielen ihm schwer auf das Herz. Aber feinen Augenblid befann er sich. Die Karte, die er mit der Hand in seiner Tasche festgehalten hatte, zog er heraus und zerriß sie. Der Streifende gab ihm noch eine fleine Aufklärung. Der Fabrikleiter wollte, trotzdem der Betrieb unter der Krise, infolge glücklicher Umstände, nicht zu leiden hatte und genügend Aufträge vorlagen, die Zeit ausnügen und die Löhne um fast ein Drittel herabsetzen. Auf die Bitte der Arbeiter, doch davon abzusehen, wurde ihnen erwidert, wenn es ihnen nicht passe, tönnten sie gehen; er bekäme auf jeden zehn andere Arbeiter, die froh wären, Beschäftigung zu jedem Lohn zu erhalten. Die Arbeiter hätten dieser Erpressung nicht nachgeben tönnen, um so mehr nicht, als die Fabrikleitung ausdrücklich rad unterschriftlich den Tarif anerkannt habe. So sei es zum Streit gekommen. Der Arbeiter ging wieder nach Hause. Auch auf diesem Wege war ihm frei und leicht zu Mute. Zu Hause angelangt, hingen die Blide seiner jungen Frau sofort in hoffender Frage an ihm. Er
antwortete ruhig:
Aber Sundstedt war noch da. Mit zitternden Whiskyfingern fuhr er sich über die rötlichen Spritaugen, die feuchtgeschwollen ins Licht blinzelten. Zitternd vor Alkoholangit in und Nervosität versuchte er mit Helge zu scherzen. Meine Augen stotterte er hervor grüßen Sie mir die alte Mutter Svea.. von ihrem Sohn... ihrem immer durstigen Sohn... Kluck, fluck
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Die Worte kamen heraus wie das Glucksen aus einer Flasche.
" Da wird gestreift!"
Aus dem Gesicht der Frau wich das Blut und Tränen fratent ihre Augen:
Und deshalb wolltest Du nicht anfangen?"
Eine kleine Wolfe des Unmutes zog über sein Antlig: „ Aber Erna!?"
Sie schwieg und ein harter, bitterer Zug legte sich um ihren Mund. Da faßte er sie an der Hand, schaute sie ernst an und fragte: Willst einen ehrlichen Arbeiter zum Mann haben oder einen
Zumpen?"