durstigen Knaben mit seiner Wissenschast bald am Ende. Aberschließlich geloaimen den? jungen Jean Henri sein Fleiß und seineIntelligenz eine Freistelle an der Schule in Avignon. Die AuZ-Nutzung jedes freien Augenblicks zur Weiterbitdung brachte ihm denErfolg, daß er als Achtzehnjähriger schon die Berechtigung erhielt,an höheren Schulen zu unterrichten. Da fiel ihm eines Tages einWerk in die Hände, das Löon Dufour, einen eifrigen JnseltenSeob-achter, zum Berfasser hatte. Das war für ihn der Ansporn, sichmit der Lebensweise der Insekten zu befassen, die er schon vonJugend auf liebte. Fünfzehn Jahre lang bemühte er sich so, beitnininerlichem Gehalt dem toten Schulprogramm und der lebendigenNatur zugleich gerecht zu werden. Wie eS ihm dabei erging, erzählter hier und da in seinen Werken beiläufig. So erfahren wir, daßer fast nur von Erbsen, Zwiebeln und Olivenöl lebte, um die An-fchaffung naturwissenschaftlicher Werke und Apparate zu ermöglichen.Schließlich geriet er mit den offiziellen Schulbehörden in Zwist undmußte das Lehramt aufgeben, um sich in die Einsamkeit eines Pro-vcnzalischen Dorfes zurückzuziehen, und Serignan war seitdem derSitz unermüdlicher Forscherarbeit.Ein Häuschen, inmitten von Bäumen und Gärten, gleich vor demEingang zum Dorf ist des Einsiedlers von Serignan Wohnsitz. Hier«ntstanden seine„Souvenirs Ento-nologiqueZ", mit deren Veröffent-lichung er im Jahre 1878 begann. In zehn Bänden führt uns dergroße Jnseltenforscher das Leben vieler Insekten vor in einer Dar-stellung, die ihresgleichen sucht. Fabre hat eine erstaunliche Dar-stellungsgabe, ein bedeutendes Erzählertalent. Wie spannend weiß er dasLeben und Treiben des Maikäfers, der Mauerwespe, der Gottesanbeterinund hundert anderer Geschöpfe, die unser Fuß unachtsam zertritt, zuschildern. Daß die Honigbienen, die Ameisen, wunderbar ein-gerichtete Staatswesen besitzen, das ist allgemach männiglich bekannt.Daß aber auch der Mistkäfer und die Heuschrecke ebenso wunderbareGeheimnisse bergen, das hat sich mancher wohl im Traum nicht bei-fallen lassen, und vor Fabre hat sich kaum jemals ein Forscher an-gelegentlich mit diesen armseligen Geschöpfen beschäftigt, wenigstensnicht in einer Weise, die für den Laien und den zünftigen Natur-forscher zugleich von ungeheurem Interesse ist. Beim Lesen desFabreschen Lebenswerkes gehen dem Laien ungeahnte Horizonte auf, erschaut in eine Welt, von deren Dasein er sich nichts träumen ließ, er er-fährt zu seiner freudigen Neberraschung, daß da? annselige Käferlein,daZ er gestern noch übersah oder zerknickle, denkt und fühlt, ja, daßes in manchen Dingen dem über ihn hinwegschreitenden Niesen un-endlich überlegen ist. Alle Jnseklengruppen, Tausendfüßler, Skorpionenund Spinnen haben Fabre beschäftigt und viele von ihnen hat ergezüchtet.Treffend hat der flämische Tichterphilosoph Maeterlinck einmalsich darüber ausgesprochen, was Fahre für die Wissenschaft geleistethat:„Fabre", so heißt eS da,„ist der Enschleierer einer neuenWelt, denn— so befremdlich dies in einer Epoche klingenmag, in der wir alle? zu kennen glauben, was uns umgibt— dieMehrzahl jener in den Nomenklaturen so peinlich genau besckriebenen,so gelehrt klassifizierten und oft so barbarisch getauften Insekten hatteman vor ihm fast niemals hinlänglich als lebende Wesen be-obachtet, noch sie gründlich genug in allen Phasen ihres vorüber-gehenden, kurzen Erscheinens befragt. Er aber hat, um ihnen ihrekleinen Geheimnisse abzulocken, die die Kehrseite der größten Eeheiumissesind, fünfzig Jahre eines einsamen, verkannten, ärmlichen Da-seins geopfert, das oft genug an daS Elend grenzte, aber köstlichdurchleuchtet wurde von der Freude, die die Erkenntnis einerWahrheit begleitet, die doch recht eigentlich die menschliche Freudeausmacht. ES sind aber doch recht kleine Wahrheiten, wird mansagen, die uns die Lebensgewohnheiten einer Spinne oder Heuschreckelehren können. Allein eS gibt keine kleinen Wahrheiten, sondern nur«ine einzige, deren Spiegel für unsere unzuverlässigen Augen zcr-brachen scheint, von denen indes jedes Bruchstück, mag eS die Bewegung eines Gestirnes zurückstrahlen, oder den Flug einer Biene,das oberste Gesetz einschließt."kleines feirilleton.Die wilde Jagd. Wenn die Winterstürme durch das Landbrausen, dann wird die uralte Sago von der wilden Jagd wiederlebendig und es ist kein Wunder, daß furchtsame und unerfahreneMenschen mit reger Phantasie in dem getvaltigcn Orchester einesnächtlichen Wintersturmes die wilde Jagd zu sehen und zu hörenglauben, und sehr oft kommen noch besondere Umstände hinzu, sobesonders die sausenden und schreienden Scharen nächtlicher Zug-Vögel, die diesen Aberglauben hervorrufe« und selbst Vorurteils-lose Leute in Verwirrung bringen. So erzählte ein alter Offizierein merkivürdigeS Erlebnis aus dem letzten Kriege, das hierher gehört.„Es war in dem außerordentlich strengen Winter zu Anfangdes Jahres 1871," so berichtete er,„als wir uns auf der Ver-folgung der Bourbakischen Armee im Süden Frankreichs befanden.Eines Abends erhiell unser Betaillon den Befehl, die Nacht durch-zumarschieren, um am nächsten frühen Morgen einen bestimmtenOrt zu besetzen. Nach stundenlangem Marsch näherten ivir unsum Mitternacht einem Walde, dessen Konturen in der Dunkelheitnur schwach zu erkennen waren. Nnier den größten Vorfichtsmaß.regeln marschierten wir in lautloser Stille vorwärts. Da plötzlichmachte die TSte Halt und gleich darauf stand das ganze Bataillonstill, alles horchte gespannt nach vorn und nun vernahmen wir einsonderbares, sausendes und pfeifendes Geräusch, das schnell näherkam und immer stärker anschwoll. Jetzt war es dicht bor uns,schrille und tiefe Schreie ertönten in wüstem Chor durcheinander,das Brausen wurde immer mächtiger und jetzt kam es so dicht überuns, daß wir alle uns unwillkürlich bückten und viele sich auf dieErde legten. Während wir so ganz entsetzt der Dinge harrten, diesich nun ereignen würden, wurde Las Geräusch allmählich schwächer,um bald ganz zu ersterben. Niemandem von uns war etwas ge-schehcn, und niemand hatte irgend etwas gesehen, es war eineGeistererscheinung. Erst nach und nach löste sich der unheimlicheBann, der auf allen unfern Leuten lag, die doch in zahlreichenSchlachten und Gefahren ihre Kaltblütigkeit und ihren Mut be-wiesen hatten, und allmählich ging es flüsternd durch die Reihen,daß die„wilde Jagd" über uns dahin gefahren sei. Wir habenspäter oft am Lagerfeuer darüber gesprochen, aber noch heute kannich mir die seltsame Erscheinung nicht erklären," so schloß derOffizier seine Erzählung. Sicher hat es sich hier um ein große?Vogelheer auf dem Zuge gen Süden gehandelt.Es ist außer allem Zweifel, daß besonders im Spätherbst undFrühwinter durch die bei Nacht in unermeßlichen Scharen nachSüden ziehenden Vogelbeere bei vielen Leuten, die den unheim-lichen, lärmenden Zug über sich hinwegbrausen hören, der Glaubehervorgerufen wird, daß das gespenstische Heer des wilden Jägersdurch die Lüfte ziehe, denn trctz des furchtbaren Getöses sieht mannichts oder höchstens einen dunklen Schatten durch die Luftgleiten. Aber auch noch andere zufällige Ursachen können denGlauben an den wilden Jäger aufrecht halten.Hygienisches.Kuchen und Süßigkeiten spielen in den Weihnochtstageneine große Rolle, besonders für die Kinder. Man hat dieses Fest— wegen seiner Folgen— daher auch daS Fest der verdorbenenMägen genannt. Denn die lieben Kleinen hören oft nicht aus,wenn eö am besten schmeckt, sondern stopfen so lange hinein, alseS geht. Gute Tanten fördern dergleichen noch, denn das Kind mußauch seine Freude haben, sagen sie. Gewiß, aber doch keine Freuden,die seiner Gesundheit schädlich sind.Oft merkt man erst lange hinterher— schreibt der„Naturarzt"� wie schwer man sich geschadet hat. Zum Kuchen kann man nurganz feinbcrmahleneS Getreide verwenden, ganz weiß gebeutelte«Mehl, au« dem alle gröberen Teile der Schale des Getreide«kornS entfernt worden sind. Aber gerade diese groben Teileder Schale sind für unsere Gesundheit ganz unentbehrlich.Denn sie enthalte» dreimal soviel Kalk»ud Eise», überhaupt Mineralsalze, als das ganze übrige Roggenkorn. Kalkaber braucht man zum Aufbau gesunder und starker Knochenund Eisen und die übrigen Mineralsalz« zum Aufbau eines ge-simden Blutes. Diese Mineralsalze aber finden sich im Kuchen fastgar nicht. Man sollte den Kindern wenigsten kleiehaltigenSchrotmehlkuchen geben. Der weiche Kuchen aber klebt leicht anden Wänden der Därme fest, regt sie nicht an zu kräftiger Be-wegung, und die schädlichen Bazillen, die sich namentlich bei über«mäßigem Essen im Darm pusammel» Und dort Fäulnis� hervorrufen,können bei weicher Kuchenkost recht ungestört und vergnügt im Körperwuchern. Auch die Zähne leiden durch das viele Süßigkeitnaschen,durch den Mangel kleiereichen, derben Brotes;' dagegen wirken dieKleieteilchen wie die Zahnbürsten und nehmen alle Unreinlichkeitenvon den Zähnen weg. Auch bauen sich die Zähne besser auf, wennviel Kalkum Brote ist.Und nun gar erst das Zuckerzeug! Der Zucker enthält keineSpur von Mineralsalzen, die man ihrer Wichtigkeit wegen„Nähr«salze" genannt hat. Die Zuckerschleckerei ist so gefährlich, daß einamerikanischer Arzt(in Chicago) sogar verlangt hat, man solle einGesetz machen, daS den Verkauf von Süßigkeiten an Kinder mitStrafe belegt. Ein solches Gesetz ist aber gar nicht nötig: denn dieNatur legt ßem Kinde, das zuviel Süßigkeiten ißt, schon ganz alleindie härteste Strafe auf, indem sie eS krank macht. Und wenn erstdie Eltern wissen, daß das viele süße Zeug für die Kinder Gift ist,dann werden sie schon allein daflir sorgen, daß die allzngroßeZuckerleckerei aufhört.ES gibt ja Süßigkeiten, die man tüchtig genießen kann, die nurwohl bekommen können: süße Früchte. Der Zucker, den die Naturin unseren Früchten, in Acpfeln, Birnen, Pflaumen, Kirschen, jaselbst in den ausländischen Früchten, den Bananen, Datteln undFeigen, durch die Sonne zubereitet, der ist gerade die rechte Speiseftir unsere Kinder. Denn unsere Früchte sind für drei SiNne einrechtes Labsal: für den Geschmack, für den Geruch und fürdas Auge.Berichtigung. In dem Referat über neue Kunstbücher(Unterhaltmigsblatt Nr. 247) ist bei folgenden Werken: Karl Schuchvon Karl Hagemeister und Max Lieberm ann von Erich Hanckeirrtümlich ein falscher Verlag angegeben. Sie sind nicht beiPaul Cassirer, sondern bei Bruno Cassirer, Berlin 33,erschiene».Verantw-. Redakteur: Alfred Wiclepp, Neukölln.— Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei».VerlagsanstattPaul Singer ScTo., Berlin 8>V.