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gegen zu einem Nichts; handelt es sich auf unserem feinen Welt­

Die Kompanie rüdte zum Dienst aus; ich ward auf die förper doch nur um zwei abgekühlte Gase, nämlich die atmosphärische Handwerkerstube gebracht, wo ich mittags dem Obersten vorgeführt Luft und den in ihr enthaltenen Wasserdampf. Auf der Sonne werden sollte. dagegen find die glühenden Gase aller Elemente ununterbrochen Der Hauptmann stellte mich vor. Der Oberst hörte meine in tobendem Kampfe miteinander begriffen; Explosionen von Erklärungen ruhig an. Ich erzählte meinen Lebenslauf und mein glühendem Wasserstoff in einer Größe und Ausdehnung des Viel- Schicksal in der Kaserne. Auch meinen Hauptmann schonte ich nicht. fachen der Erdmasse enthüllen sich unseren Blicken in Form von Er habe mir, so sagte ich, vor der Front das Recht bestritten, Protuberanzen, die oft mit einer Geschwindigkeit von mehreren mich zu beklagen, wenn ich geschimpft und geschlagen werde. Der hundert Kilometern, ja bis zu 800 Kilometern in der Sekunde Hauptmann wurde bei diesen Worten feuerrot. emporsteigen, und die eine Höhe von einer halben Million Kilo­meter erreichen. Und jedes unter den gasigen Elementen der Sonne verhält sich anders, folgt seinen eigenen Gesezen. Wenn wir, sagt Schwarzschild , auf der Erde nur mit zwei Meteorologien zu tun haben, so muß es auf der Sonne, wo alle Elemente gas­förmig sind, deren hundert geben.

Im Reiche der Feldmüße.

Von Franz Bergg.

( Aus seinem Buche: Ein Proletarierleben.)

Eines Tages trat er an mein Spind und kramte zwischen den Sachen. Dann ging er hinaus, um nach zwanzig Minuten wieder­zukehren. Wieder durchsuchte er das Spind, sah sich einiges flüchtig an, griff nach dem obersten Fach und zog eine Visierkappe und einige Riemen, die von der Kammer verschwunden waren, heraus. " Ha, da haben wir endlich den Spitzbuben!" triumphierte er.

Ich stand erstaunt und zerschmettert. Um mich zu vernichten, hatte der Unhold die Sachen selbst in mein Spind gelegt. Das stand für mich zweifellos fest.

,, Kommen Sie mit!"

Er führte mich zu Sergeant Groth und meldete mich des Dieb­

stahls.

"

Ich wehrte mich und erklärte: Herr Sergeant, ein Lump will mich durch Niedertracht zugrunde richten. Ich habe eine Ahnung, wer dieser Lump ist, aber noch kann ich ihn nicht nennen." " Ich werde Sie nicht weitermelden, aber ein paar Ohrfeigen haben Sie verdient."

Mit diesen Worten schlug mich Groth mehrmals ins Gesicht. Obwohl ich mit der beste Turner war, ließ mich Krumm an Leiter, Querbalten oder Klettertau bis zum Umfallen arbeiten. Konnte ich nicht mehr, so hieß es: Er ist faut, er will nicht!" Dann mußte ich Laufschritt machen, während die anderen ruhen

fonnten.

Oder er ließ mich im Anschlag stehen, bis das Gewehr sich in meinen Händen sentte.

Einmal befahl er mir, den Mund zu öffnen. Ich hatte gesehen, wie er dem Polen in den Mund gesputt hatte und rührte mich richt. Da spie er mir ins Gesicht.

Empörung zudte mir in allen Fingerspizen. Aber ich bezwang mich glüdlicherweise und schwieg.

Die beständigen Verfolgungen machten mich gemütskrank und rieben mich auch förperlich auf.

Als wir zu einer Felddienstübung ausrüdten, stieß mich der Hintermann dermaßen mit dem Fuß in den Rücken, daß es mir blau und rot vor den Augen wurde. Ich wende um, wütend vor Schmerz und Empörung, und pflanzte dem Kerl den Gewehrkolben in die Magengegend, daß er zusammenbricht und in den Straßen­graben gelegt werden muß, wo er die Dienste eines Lazarett­

gehilfen entgegennimmt.

Ein Unteroffizier holt mich vor und droht.

Ich erkläre, ohne mich einschüchtern zu lassen, ich wolle dem Hauptmann unverzüglich selbst von dem Geschehenen Meldung machen. Er verbietet es mir und heißt mich wieder ins Glied treten.

Der von mir in den Graben Beförderte war der abgesetzte Gefreite Herde. Er erholte sich rasch und hatte uns eine Stunde später wieder eingeholt. Seither waren aber die ihm befreundeten Unteroffiziere nur noch toller hinter mir her.

Es bemächtigte fich meiner allmählich eine Art Verfolgungs­wahn. Ich sehnte mich nach dem Gefängnis zurüd. Eine fünf­jährige Haft bedeutete Erlösung gegen die dreijährige Dienstzeit, die sich durch Festungsstrafe vielleicht verewigen konnte. Ich fühlte mich vollständig rechtlos und brach eines Abends unter der Last der seelischen Qualen auf meiner Stube zusammen. Die Kühle des Fußbodens belebte mich bald. Da griff ich zu einem äußersten Mittel.

Jch sette mich am Sonntagnachmittag hin und schrieb einen Auffah über das Kasernenleben und meine eigenen Leiden. Ob ich die Schrift einer Zeitung oder dem kommandierenden General unterbreiten sollte, stand noch nicht fest. Ich barg die Handschrift in meinem Brotbeutel. Des anderen Tages ward bei der Spind­revision gerade der Brotbeutel zuerst untersucht. Natürlich fand sich die Schrift.

Ich wurde verhaftet und auf der Stube von zwei Kameraden mit aufgepflanztem Seitengewehr bewacht. Das Arresthaus, das für mehr als 40 Mann nicht Raum hatte, war überfüllt. So berging die Nacht. Die beiden Posten mußten an meinem Bett wachen. Ich schlief ruhig und fühlte mich morgens erquickt, wie schon seit langem nicht mehr.

Als ich geendet hatte, fragte der Oberst: Sie sind Sozial­demokrat?"

"

Jawohl, Herr Oberst."

Wie verträgt sich das mit Ihren Pflichten als Soldat?" Wenn das Vaterland bedroht ist, muß jeder die Grenze berteidigen."

Was wollten Sie mit diesem Schreiben?"

So recht weiß ich es selbst nicht. Es war mir wie ein Bedürfnis, meinem gequälten Herzen einmal Luft zu machen, wenn auch nur schriftlich."

Der Oberst fand in der Schrift nichts Verbrecherisches. Ich ward entlassen, mit der Ermächtigung, in Zukunft ihm persönlich zu melden, wenn ich geschlagen oder mißhandelt würde.

Mit meinem Hauptmann unterhielt sich der Oberst recht leb­haft unter vier Augen.

Wie rasend, mit flammendem Gesicht, kam Syher ins Quar­tier gestürzt. Es erging der Befehl, niemand dürfe mit mir sprechen, außer wenn es der Dienst erfordere. In meinen freien Stunden mußte ich immer am Spinde stehen. Die Unteroffiziere hatten strenge Weisung, mich zu überwachen. Die widersprechend­sten Befehle wurden mir rasch aufeinander erteilt. Man achtete auf ihre pünktliche Durchführung.

Sehen Sie, Bergg," sagte der Hauptmann, das geschieht nicht, um Sie zu strafen, sondern zu Ihrem Wohl und Ihrer perfekten Ausbildung." Geschimpft und geschlagen wurde ich nicht mehr, aber vom Morgen bis Abend in atemloser Bewegung gehalten.

Morgens mußte ich zwei Stunden vor den anderen aus dem Bett; während der Nacht rief mich mehr als einmal der Unter­offizier vom Dienst auf die Beine und hieß mich Gewehrgriffe floppen. Dadurch wurden meine Stubengenoffen ebenfalls in ihrer Nachtruhe gestört. Statt mich zu bemitleiden, mißhandelten sie mich und hezten mich im Teufelstanz.

Das dauerte so drei Wochen. Ich konnte nicht mehr. Ich verlor den Kopf, lief aus der Kaserne und flüchtete zu einem Bekannten in Ottensee. Von hier wollte ich nach England.

Meine Freunde dachten vernünftiger; sie redeten mir zu und ich ließ mich wie ein willenloses Tier zur Kaserne zurückführen. Eben ging man zu Bett. Niemand redete ein Wörtchen mit mir. Ich legte mich mit meinem Seitengewehr nieder. Ich fürchtete das Femgericht". Nach einer halben Stunde tam der Hauptmann. Jm Hemd mußte ich antreten.

Warum sind Sie fortgegangen?"

" Der unerträglichen Qualen wegen." " Ich werde Ihnen helfen."

Des anderen Tages erhielt ich sieben Tage strengen Arrest. der Oberst befahl mich vor sich und fragte, ob ich geschlagen worden sei.

Ich mußte das verneinen.

Mann auch von den weit schlimmeren Spießruten wissen, die man Da war es mit seiner Freundlichkeit aus. Was konnte der mich laufen ließ? Ueber den Dienst hätte ich mich zudem nicht beschweren dürfen.

So mußte ich meine Strafe antreten.

Der Arrestaufseher, Feldwebel Bleibed, war meistens halb­betrunken. Er pflegte jedem Neuling ein paar Maulschellen oder einige Knüffe mit dem Schlüffelbund als Willkommengruß zu ents bieten. Der Arrestant mußte in Einzelhaft Tag und Nacht melde­fähig sein, das heißt nach Vorschrift: Stiefel an, Halsbinde um, ieden Knopf zu!"

Jeden vierten Tag durfte er entkleidet schlafen; dann erhielt er auch warme Kost. Decken gab's selbst im Winter nicht.

Diese Strafe tonnte bis auf vier Wochen verhängt werden. Wie aus dem Grab entstanden, bleich, pom Licht geblendet, taumel­ten dann die Arrestanten zur Kompanie zurüd.

Als ich aus dem Arrest kam, stand mein erstes Manöver vor der Tür. Graf Ostorf führte die Kompanie. Welch eine Freude! Ich ertrug alle Strapazen mit Leichtigkeit und wähnte mich im Schuße dieses Edelmannes geborgen. Aber der Niedertracht gelang Ihr Werkzeug war diesmal der es doch, mich zu verderben. Sergeant Kohl, den ich in meiner kleinen Bildergalerie noch nicht ausgehängt habe.

Seht ihn dastehen, wie er in hoheitsvoller Ruhe mit dem Schnurrbart spielt, die Handschuhe anzieht, sich im obersten Knopf des Waffenrocks bespiegelt, wenn er sich mit seinesgleichen zu unterhalten geruht. Kein Offizier tut es ihm dann an Anmut und Vornehmheit gleich.

Seine Stimme ist voller Wohlflang. Sie gewinnt das Vers trauen. Sie bleibt immer gleich einladend und getragen. Eben ruft er einen Soldaten und befiehlt ihm, voll Feierlichkeit, ohne