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Und sie hob Klein- Aennchen aus dem Bettlein und schaufelte es auf den Knien:" Hoffa, hofsa reite... Und icht gib mir ein Rüßchen und schlafe wieder, Liebling!"
furzes Samtmieder mit steifer Hemdbrust und einen Schäfer-| Herzchen, haben wir es vollgemacht... schau nur, was das Schweinhut mit schwarzen Bändern. Statt der Tasche schwenkte sie chen für ein dides Baucherl hat!" ein zierliches Körbchen aus Strohgeflecht am Arm. Cie wollte heute nämlich auch einmal in einigen Treustädter Wirt schaften Umschau halten, wobei ihr die Schwester mit Rat und Tat beistehen sollte. Vielleicht gefang es ihr, dieserhalb mit dem reichen Herrn Hochzeiter ein vernünftiges Wörtlein zu reden. Den machte es sicher nichts aus, ihr mit zwei oder dreitausend Fränklein, die zur Uebernahme eines Geschäfts nötig waren, unter die Arme zu greifen.
Auf dem Weg in die Stadt bedrängte sie Brigitte, bis diese aus sich herausging und ihre Abneigung gegen die Heirat fundgab. Die Kinder mußten vorangehen; sie hatten genug zu tun, das mächtig keimende, wogende Feſtleben zu verfolgen. Schon huschten da und dort kostümierte Gestalten durch die Reihen der Spaziergänger: Burschen und Mädchen, aus allen Zeitaltern und Ständen, Pfahlbauer , in zottige Felle gekleidet, mittelalterliche Zunftleute, Soldaten, Mönche, Ritter und Edle zu Pferd und zu Fuß... jeder einzelne umgeben von einer Schar Neugieriger, die ihm folgten, seine Tracht, sein Auftreten würdigten, was selten ohne Spott und Schabernack abging. Braune Kutten wurden hinterrücks gelüftet, ausgestopfte Waden beklopft, allzu schwungvoll gehandhabte Degen und Hellebarden geftugt, mit besonderer Vorliebe aber den weiblichen Darstellern zugesetzt, die dann meistens ,, das beste Teil der Tapferkeit", den schleunigen Rückzug, jeglichem Handgemenge vorzogen. Der eine unter diesen Zugteilnehmern trat munter aus seiner Rolle heraus, machte fchmöde Gebärden gleich einem Fastnachtsnarr, der sich selbst verhöhnt, der andere hingegen nahm die Sache ernst und zog gelaffen, mit einem lebhaften Gefühl der ihm auf einen Tag verliehenen Würde des Weges, indem er seine Geringschägung gegen die ihm folgenden Gaffer, Nörgler offen zur Schau trug, als trennten ihn wirklich Jahrhunderte von der profanen Gegenwart.
Ueber den in allen Hauptstraßen aufgerichteten Festpforten lockten Schulweisheit, Wiz und Pathos die Leutchen mit bunten Inschriften an. Eine lautete:
Fünfhundert Jahre auf und ab
Es wechselt Ordnung, Rock und Stab, Was arm, wird reich, was trüb ist, hell,- Gesell wird Meister, Bursch: Gesell; Schreit heut der Hochmut holdrich, Bald laust er sich im Bohnenstroh. Kein Menschenwerk hat hie Pestand. Drum heißt's:" Für Gott und Vaterland!" Auch an vielen Häusern prangten derlei Kernsprüche im Kranzwerk, denn dieses Völklein hatte reiche Erfahrung, Gewandtheit in festlichen Anstalten und ließ sich nicht lumpen.
Wir ersparen's an unserer Warine!" sagten die Wizbolde. Daß dies auch die Meinung der großen Menge war, fonnte ein Blinder merken. Die Freude schlug Funken aus den ärmsten Herzen, und alles in allem loderte an diesem Glidstag eine Flamme zum unverhofft blauen Himmel auf, daran sich die Götter einen saftigen Storch braten konnten. ( Forts. folgt.)
[ Schluß]
Da erwachte gerade das kleine Schneiderprinzeßlein im Gitterbette von einem Schläfchen und seufzte. Im Nu war die Mutter bei ihm, gab ihm gleich einen Löffel voll Himbeersaft, nötigte ihm ein füßes Biskuitchen auf und fing mit ihm an zu kosen und streichelte ihm die dicken Aermchen und tat underlieb:
Mein Liebling... mein Einziges.. mein frankes Süßchen.. und bist Du erst ganz gesund, dann sollst Du sehen, was ich für Dich Sachen und Sächelchen habe!"
Das Malheurkind hatte sich in der Küche auf die Zehenspitzen gestellt, damit es durch das kleine Gudfensterchen.n die Stube fehen könne.
Die Mutter holte aus dem Kasten ein neues weißes Röckchen mit roten Maschen; das hatte sie während Lieblings Krankheit, 100 fie Tag und Nacht nicht von seinem Bette gewichen, unter Tränen geschneidert; dann holte sie die neuen seidenweichen Schühchen mit schwarzen Maschen und neue Handschuhrein für die halbe Hand mit grauen, fleinwinzigen Mäschchen, und breitete alles auf dem Bettchen aus, damit das Kind nur sehe, was für Serrlichkeiten seiner beim ersten Ausgang warten. Und das tönerne Sparschweinchen holte die Mutter Herbei und ließ die Münzen vor Rennchens Ohren flimpern:
Da horch... Ilirg... fling! Während Du frank warst, mein
Die Mutter blieb beim Bettchen sitzen, bis ihr Aennchen eingeschlummert war. Sie wehrte ihm die Fliegen, horchte auf seine Atemzüge, strich ihm die goldigen Haare aus der Stirne, fächelte ihm Luft zu, schob ihm das vorgerutschte nadte Aermchen sorgsam unter die schüßende Decke, damit es ja kein Rheumatismuschen bekomme. Und als das Kind fest schlief, nahm die Mutter die Schere und schnitt ihm ein goldenes Löckchen ab, das sie über ein duzendmal füßte; dann legte sie das Lödchen auf ein fleines Seidenkissen und deckte einen Glassturz darüber. Dann schlich sie Ihr Herz war überboll, sie mußte es jemandem flagen, was ihr leise auf den Zehenspitzen hinaus, zur Wohnungsnachbarin hinüber. heute der Mann getan. Auf dem Wege durch die Küche sah sie das Malheurkind im Winkel fauern:
Wenn Du nur zutiefst im Wasser lägest, ehvor wird kein Friede mehr!"
Kann man auch tun," dachte sich Lieschen." Besser zuliefst im Wasser bei den Fischen, als man darf seine Mutter nicht Mutter heißen. Und wenn einem Bein und Knochen von den Schlägen wie Feuer brennen, ist das Liegen im fühlen Wasser das schlechteste nicht!" Aennchens weißes Kleidchen an, damit es nicht wie ein Bettelkind Als die Mutter fort war, ging Lieschen in die Stube und zog im Wasser liegen müsse. Dann schlug es dem tönernen Sparfchiveinchen den Bauch entzwei und steckte die Kreuzer zu sich, damit es doch auch ein Geld habe auf dem Wege zum Wasser. Dann ging es fort und gedachte sobald nicht wiederzukommen. Auf dem Wege zum Wasser kam es an einem Ringelspiel vorüber. Die Mittelachse des Ringelspiels bildete ein riesig langer, und hölzern wie ein echter Chineser im Kreise, während die Röß dicker hölzerner Chineser. Der drehte sich immer ganz langsam lein und Wagen an den äußersten Hebelenden nur so dahinflogen; und so fomisch wadelte er mit dem brei Ellen langen Zopf, daß die Beute alle lachen mußten.
Die Stimme des Ausrufers hatte einen Klang, wie wenn man teine Holzklößchen in einer Blechbüchse schüttelt:
Einsteigen, meine Herrschaften! Stopf für Kopf zehn Neufreuzer! Kinder und Militär vom Feldwebel abwärts zahlen die Hälfte! Wer feinen Kopf hat, darf umsonst mitfahren!""
Dann scheuchte er wieder die armen Kinder fort, die immer um die Ringelspiele herumstehen:
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„ Wer kein Geld hat, ist ein Zump! Husch, husch, ihr kleinen Lumpen! Aber Du komm nur immer vor, Du fleines Prinzeßchen im weißen Kleide! Du bist brav Du hast Geld... steig ein!" " Baß mich gern noch einmal drehen," dachte Lieschen und stieg ein. Im falten Wasser lieg ich noch lange genug ruhig!"
Je rasender die Rößlein mit den Kutschen im Kreise flogen, desto mehr freute sich Lieschen. Es begann zu lachen und patschte in die Hände:
,, Ach Du mein. ist das doch schön!"
fich immer gleich langsam und steif im Kreise und das war ein Alles wirbelte nur so dahin; nur der hölzerne Chineser drehte Spaß. Lieschen erwischte ihn von der Kutsche aus beim Zopf und begann daran wie an einem Glockenstricklein zu zerren.
Hotte hü... Du hölzerner Chineser, dreh Dich ringsum und um.
schneller
Ein wahrer Wonnetaumel erfaßte das Kind. Seine Wangen brannten wie rote Lichtlein. Bald lehnte es sich tief in die Wagenpolster zurüd und schloß felig die Augen; dann sprang es wieder auf und ließ sich stehend im Kreise fahren. Das lange Sizen bertrug nämlich Lieschen nicht, denn die Striemen von Mutters Schlägen brannten wie Feuer.
Dann stieg es wieder aus und wählte eine andere Kutsche. " Jeht die grüne Kalesche mit den zwei Rappen... und jetzt die blaue mit den zwei Fuchen und jetzt steig ich gar noch in die große, goldige Kutsche ein mit den vier weißen Schimmeln dran..."
Das tostete doppelt so viele Kreuzer, aber es machte nichts; das Sparschweinchen hat nicht umsonst den dicen Bauch gehabt. Und die armen Kinder, die immer so traurig um die Ringelspiele herumstehen, weil sie fein Geld zum Mitfahren haben, schauen Lieschen mit sehnsüchtigen Augen nach. Ein armer Junge in zerrissenen Höschen rief in den Wagen hinein:
„ O Du Glückskind! Du hast es gut!"
Da winkte Lieschen ganz vornehm aus der Kutsche und sagte herablaffend und leutselig wie ein Brinzenkind:
So tomm halt in meine Kutsche herein, Du armes Tenfelein; will Dich mitfahren lassen!"
Husch! war der blasse Betteljunge neben Licschen in dem goldigen Wagen.
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Mich laß auch mitfahren, Du Glückskind, mich auch mich auch!" Vier, fünf Kinder drängten sich an die Kalesche mit den vier Schimmeln und streckten sehnsüchtig bittend die Händchen aus. „ Na, so kommt halt auch herein, ihr armen Kinder," sagte Lieschen.