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der den anderen zuerst wie ein notgedrungenes Bekenntnis die des Farbenveibers. Michelangelo   hat sich oft darüber bellagt, Klang, zusammen. Das gehetzte Wild wälzte sich am Boden, daß er durch die Ungeduld des Papstes verhindert gewesen sei, dies stieß mit Händen und Füßen um sich, schlug den Kopf gleich erf, wie er wohl gewünscht hätte, nach seinen Ideen auszuführen, einer Epileptischen gegen die Dielen und hörte nicht auf zu schreien, so daß die ganze Stube in wenigen Minuten voll von neugierigen Menschen war. Man mußte annehmen, sie fei auf einen Schlag rein um den Verstand gekommen, denn fie heischte unausgefeßt einen Schirm.

Ich will meinen Schirm wieder haben. Meinen Schirm ... er hat ja noch meinen Schirm.

Niemand begriff, was diese Worte zu bedeuten hatten. Es war der helle Wahnsinn. Und erst als ein Arzt erschien, der aus menschlicherem Grunde die völlige Entkleidung der Verwirrten ins Werf setzte, überzeugte sich die eifrige Krimi­nalistin, daß der schreckliche Aufschrei kein Schuldbekenntnis

gewesen sein fonnte.

Schon tags drauf mußte der Amerikaner unter den jungen Ausrüsterinnen ein neues Musterfräulein wählen: das alte war für geraume Zeit nicht mehr fähig, den ge­wohnten Dienst zu verrichten. ( Forts. folgt.)

Michelangelo   und seine Gönner.

Aus der Geschichte päpstlicher Kunst politit. Von Wilhelm Hausenstein  .

Ueber der ungeheuren Gewalt der Werke Michelangelos   ver­gißt man, daß diese Werke vor den Augen des Meisters selbst nichts gewesen sind als Bruchstücke. Man vergißt auch, daß Michelangelo  nach seier eigenen tiefsten Ueberzeugung sein Schaffen noch viel herrlicher hinausgeführt haben würde, wenn ihm die verhängnis­volle Gunst mehr eitler als kunstverständiger Päpste die volle Frei­heit gegeben hätte, deren er bedurfte. Gewiß: Michelangelo   nahm es bis zu einem bestimmten Grade dankbar auf, wenn ihm die Päpste monumentale Aufträge gaben insofern nämlich, als es besser war, überhaupt Aufträge zu erhalten als gar teine. Daß dem Meister aber jede begonnene große Arbeit von den Herren vergällt wurde, ist eine tragische Wahrheit. Das Maß päpstlicher Launenhaftigkeit, päpstlicher Kleinlichkeit und päpstlicher An­maßung, das von dem genialen Künstler ertragen werden mußte, ist ein Faktum, von dem man nicht spricht. Und dennoch ist gewiß, daß es die frei schwärmende Kraft des Meisters gebrochen hat.

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Als Michelangelo   1496 auf Einladung des Kardinals Riario nach Rom   kam, erlebte er seine ersten Enttäuschungen. Er mußte fümmerlich leben und erhielt wenig Arbeit nach seinem Bedürfnis. Ein Künstler war für die Kirchenfürsten, die in der erhabenen Rolle des Gönners auftraten, doch immer nur ein Instrument ihrer erlauchten Eitelkeiten.

Im Jahre 1503 fam Julius II.   auf den päpstlichen Stuhl. Michelangelo   lebte damal in Florenz  . Er war gerade mit den Borarbeiten zu einem mächtigen Freskogemälde für den Floren­tiner Ratsjaal beschäftigt. Der Ruf des Papstes unterbrach ihn mitten im Werk: es ist nie zu Ende geführt worden. So war die päpstliche Gunst von vorherein verhängnisvoll. In Rom   sollte Michelangelo   nun den Papst bei dessen Lebzeiten ein Monumental­grab schaffen. Der Meister ging mit Eifer an die Arbeit. Der Papst aber versäumte in der übelsten Weise die Erfüllung seiner finanziellen Verpflichtungen, ließ Michelangelo   den Marmor wider die Abrede aus eigener Tasche bezahlen, weigerte sich in der ge­meinsten Form, den klagenden Künstler zu empfangen und be­drängte ihn auf der anderen Seite, da er ihm nicht rasch genug arbeitete, wiewohl Michelangelo   jederzeit seine ganze folossale Ar­beitskraft einzuseßen pflegte. Die Lage war schließlich so unerträg­lich, daß Michelangelo   aus Rom   flüchtete und nach Florenz   zurück­fehrte. Michelangelo   schrieb damals an einen ihm befreundeten Architekten: wenn er länger in Rom   geblieben wäre, hätte er eher sein eigenes Grab als das Grab des Papstes vollendet.

Es kam einige Zeit darauf zu einer Versöhnung zwischen Michelangelo   und dem Papst, und die Arbeit im Dienste des Papstes wurde wieder aufgenommen. Allein Michelangelo   durfte an dem Juliusgrab nicht weiterarbeiten. Nach den Darstellungen des Vasari   hätte der Papst den Intrigen einer Michelangelo feind­lichen Künstlerpartei, die von dem Architekten Bramante   geführt war, sein Ohr geliehen. Sicher ist, daß Julius eines Tages dem Meister befahl, die Arbeit am Grab abzubrechen und in der firtinischen Kapelle die Decke auszumalen. Diese sonderbare " Gunst" war tatsächlich eine tattlose Herausforderung. Michel angelo   war Bildhauer  , nicht Maler und wollte nichts anderes sein als Bildhauer. Er weigerte sich, die Arbeit zu übernehmen. Dem wiederholten Befehl des Papstes fügte er, der mittellos war, sich schließlich doch. Er spannte seine Kraft bis zum äußersten an und schuf eine Malerei, die den Papst und die Neider zur Bewunderung zwang. Aber auch diese Arbeit verlief nicht ohne wüste Beleidi­gungen Michelangelos   durch den Mäcen. Vasari  , der ein Schüler Michelangelos   war, meldete: Michelangelo   vollendete in zwanzig Monaten die Kapelle ganz allein ohne irgend eine andere Hilfe als

da der Papst ihn unaufhörlich mit der Frage belästtigte, wann er fertig sein würde. Und als er ihm nun einmal antwortete: Ich werde enden, sobald ich mir in Rücksicht der Kunft genug getan habe", entgegnete ihm der Papst: Wir aber wollen, daß Ihr Uns genügt, und Unser Verlangen ist, es schnell gemacht zu sehen", und fügte hinzu, wenn solches nicht bald geschehe, werde er ihn vom Walgerüft herabwerfen lassen."

An anderer Stelle schreibt Vasari  :" So geschah es einmal, daß Michelangelo   sich Urlaub ausbat und Geld, um... nach Florenz  zu gehen, und der Papst sprach: Gut! Doch wann wird meine ich Kapelle fertig?" worauf Michelangelo   antwortete:" Sobald id) fann, heiliger Vater!" Da schlug der Papst mit einem Stock, den er in der Hand hatte, nach ihm und rief:" Sobald ich kann! Sobald ich fann! Ich will Dich wohl dazu bringen, sie fertig zu machen,

Ich!"

Julius starb 1513. Ihm folgte Leo X.   aus dem florentinischen Patrizierhause der Medici  . Michelangelo   hatte gehofft, nach der Vollendung der sirtinischen Decke das Juliusgrab vollenden zu dürfen. Der Papst Julius widersprach nicht. Aber was nun endlich möglich schien, wurde durch die Ungunst des Schicksals ver­eitelt: durch den Tod ces Papstes. Leo X.   dachte nicht daran, den Künstler zu schonen. Michelangelo   mußte wieder aufhören und mußte seine Kraft in den Dienst des ästhetischen Ehrgeizes des neuen Papstes stellen, der von Michelangelo   die Lorenzokirche in Florenz   mit einer Prunkfassade ausstatten lassen wollte. Unter Tränen gab Michelangelo   die Arbeit am Juliusgrab   auf. Aber als sich Michelangelo   endlich in die neue Arbeit eingelebt hatte, taten sich auch da Schwierigkeiten auf. Michelangelo   lebte damals wie so oft in den schwierigsten materiellen Verhältnissen. Der Bapst zahlte schlecht. Es kam auch zu rein persönlichen Konflikten. Kurzum: Auch dieses Werk blieb Fragment.

Als Leo 1521 starb, kam ein stumpfer Holländer auf den päpst­lichen Stuhl, Harian VI., den man genügend charakterisiert, wenn man berichtet, daß er die von Michelangelo   mit herrlichen Leibern ausgemalte sirtinische Kapelle eine Stube voll nackter Leute nannte. Es folgte Clemens VII  , wie Leo ein Midiceer. Wiederum mußte Michelangelo   an neue Arbeiten Herantreten. Diesmal handelte es sich um die Aufgabe, ein mediceeisches Pruntgrab zu schaffen. Auch diese Arbeit konnte nicht vollendet werden, da sich Michelangelo   auf diese Arbeit nicht ohne Rest konzentrieren durfte, und schließlich der Nachfolger des siebenten Clemens, Paul III., mit der überlieferten päpstlichen Rücksichtslosigkeit von Michelangelo  wieder andere Leistungen forderte. Alle diese Herren hatten bei ihren Aufträgen nicht etwa das Interesse der Kunst und des Künstlers, sondern lediglich ihr persönliches Herrscherinteresse im Auge. Michelangelo   war ihnen allen nichts als ein Mittel," selbst berühmt zu werden.

Der schon genannte Clemens VII.   aus dem Hause Medici  scheint eine besonders unrühmliche Rolle gespielt zu haben. Der Herr wollte eine möglichst glänzende Kunst, die möglichst wenig kostete. Michelangelo   hatte über diesen Kunstfreund einmal einen föstlichen satirischen Brief geschrieben, der nicht oft genug bekannte gemacht werden kann, da er dazu beiträgt, die sprüchwörtlich ge­wordene Mediceergüte" in ihrem wahren Licht erscheinen zu lassen. Clemens, der einen dunklen Begriff davon hatte, daß Michelangelo   für monumentale Arbeiten der rechte Mann sei, be= schloß eines Tages, von Michelangelo   einen vierzig Ellen hohen Marmorfoloß meißeln zu lassen. Der Koloß sollte an einer Straßenede in Florenz   gegenüber dem Mediceerpalais aufgestellt werden. Um Geld zu sparen, wollte der Papst den Koloß aber aus vielen fleinen Marmorstücken zusammenseßen lassen. Damit zeigte sich sein plattes Unverständnis dem Künstler gegenüber. Denn wenn er von dem Charakter der Kunst Michelangelos   auch nur die blaffeste Ahnung hatte, so mußte er wissen, daß Michelangelo  immer alles dranwandte, um seine Werte aus einem einzigen Block herauszuhauen. Die ganze üble Sparerei des Mediceers hat Michelangelo   nun in dem genannten Brief an einen Freund ge= geißelt. Der Brief lautet:

Der Koloß würde am besten in der Gegend des Parbierladens am Palazzo Riccardi stehen. Und da man sich vermutlich nur un­gern darauf einließe, die Barbierstube fortzunehmen, in Rücksicht auf die schöne Einnahme" die Medici bezogen eine Miete

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so habe ich mir gedacht, daß die Figur sißend dargestellt werden tönnte, und daß dann der Siz so hoch gemacht würde, daß man, wenn das ganze Werk inwendig schön hohl bliebe( was ja auch ganz passend wäre, wenn es aus vielen Stücken gemacht werden soll), die Barbierstube unten drin anbringen könnte, so daß man die Miete nicht einbüßen würde. Und damit die Barbierstube dann eine Stelle habe, wo der Rauch entweicht, wie sie ja jezt eine hat, so meine ich, daß man der Statue ein Füllhorn in die Hand geben könnte, das innen ebenfalls recht hohl sein müßte, um als Schorn­stein zu dienen. Ferner: da der Kopf ebenso hohl sein müßte, wie die übrigen Teile, so deucht mir, daß man auch daraus schließlich noch einen Vorteil ziehen könnte, da auf dem Platz ein Viktualienhändler wohnt, der ein sehr guter Freund von mir ist und mir heimlich anvertraut hat, daß er einen schönen Tauben= schlag in dem Kopf des Koloß einrichten möchte. Mir fällt noch